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Ausgabe:

1926 Nr. 13

Spalte:

343-345

Autor/Hrsg.:

Dölger, Franz Joseph

Titel/Untertitel:

Sol Salutis. Gebet und Gesang im christl. Altertum. 2., umgearb. u. verm. Aufl 1926

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 13.

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Die Ebed - Jahwe - Lieder haben nach L. den
Propheten selbst zum Verfasser und sind von ihm selbst
in den Kontext eingefügt. Der Ebed ist „the idealized
Israel" (S. 16), ohne daß neue Gründe für die kollektive
Deutung beigebracht werden; 49, 5f. wird in der bekannten
Weise zurechtgelegt; das dritte Lied, in dem das
persönliche Moment zu stark durchschlägt, wird nicht
als Ebed-Jahwe-Lied anerkannt, sondern mit Laue auf
Deuterojesaja selbst bezogen; das Bekenntnis 53, 1 ff.
wird auffallenderweise nicht den Heiden, sondern trotz
"•ÖJJ 53, 8 den zeitgenössischen Israeliten in den Mund

gelegt. Die neuere deutsche Ebed-Jahwe-Forschung ist
dem Verfasser übrigens unbekannt geblieben: von Duhm
kennt er nur die Jeremia-, von Sellin nur die Serubbabel-
Hypothese; Spezialliteratur über die Ebed-Frage aus
dem 20. Jahrhundert wird nicht zitiert.

Der folgende Abschnitt „the teaching of Deutero-
Isaiah" betont mit Recht, daß der Prophet zu den Heiden
eine zwiespältige Stellung einnimmt, indem bald von
Unterwerfung oder Vernichtung, bald von Bekehrung
und Heidenmission die Rede ist (S. 22 f.). In den anschließenden
Abschnitten jedoch, die vom Einfluß Deu-
terojesajas auf die Folgezeit handeln, wird „der deutero-
jesajanische Strom" je länger je mehr mit dem Universalismus
gegenüber der Heidenwelt identifiziert. Dabei
wird anerkannt, daß die nachexilische Entwicklung im
allgemeinen Ezechiel und nicht dem Universalismus
Deuterojesajas folgt (S. 27); um so sorgfältiger werden
alle Zeugnisse deuterojes. Einflusses gesammelt. Wenn
hier aber neben Jona oder Mal 1, 11 z. B. auch Sach
oder Zeph 3, Uff. erscheint, so ist das nicht überzeugend
, und in anderen Fällen ist das richtige Verhältnis
auf den Kopf gestellt: so besteht kein Grund,
Jes 2, 2—4 oder Zeph 3, 9 f. von Deuterojesaja abhängig
sein zu lassen, und auch bei den Psalmen ist
es nach den neuesten Untersuchungen Mowinckels zum
mindesten fraglich, auf welcher Seite die Abhängigkeit
liegt. — Für die nachkanonische Literatur und den Rab-
binismus wird ebenfalls mehrfach (S. 48. 54. 65) festgestellt
, daß „der deuterojesajanische Strom" nur
schwach rinnt; gerade deshalb ist es sehr dankenswert,
daß uns L. hier, wo es sich um ein weit verstreutes Material
handelt, eine Sammlung universalistischer Stellen
vorlegt, wenn man auch da und dort zu seiner universalistischen
Deutung ein Fragezeichen machen wird. Dieser
Dank gilt in erhöhtem Maße für den Abschnitt
„Deutero-Isaiah in medieval and modern Jewish Litera-
ture". Mustert man diese Zusammenstellung jüdischer
Zitate durch, so ergibt sich freilich auch hier, daß die
universalistischen Worte doch nur mehr gelegentliche
Äußerungen sind und daß die Haupttendenz nicht in dieser
Richtung geht. Was speziell die liturgischen Gebete
der Synagoge betrifft (S. 76 f.), so bekommt man
aus den angeführten Stellen kein völlig zutreffendes
Bild, wenn man z. B. nicht daneben hält, daß ein so bedeutsames
Gebet wie das 18-Bittengebet den Universalismus
den Völkern gegenüber nicht kennt.

Das letzte Stück der Einleitung beschäftigt sich
mit der Einwirkung von Jes. 53 auf das jüdische Denken
und bringt gegenüber Dalmans Untersuchungen wenig
Neues. Das Neue Testament, in dem die deuterojesajanische
Gedankenwelt erst voll zur Auswirkung kam,
wird (abgesehen von einer kurzen Erwähnung S. 100)
weder hier noch bei der Frage des Universalismus berührt
.

Tübingen. W. Rudolph.

Dölger, Prof. Dr. Franz Joseph: Sol Salutis. Gebet u. Gesang
im christl. Altertum. Mit bes. Rücksicht auf d. Ostung in Gebet
u. Liturgie. 2., umgearb. u. verm. Aufl. Mit 2 Taf. Münster i. W.:
Aschendorff 1925. (XII, 445 S.) gr. 8°. = Liturgiegeschichtl.
Forschungen, Heft 4/5. Rm. 17.25; geb. 19—.

Daß die 1920 erschienene umfangreiche Iiturgie-
und religionsgeschichtliche Untersuchung Dölgers (vgl.
diese Ztg. 1921, 202f.) nach fünf Jahren in zweiter

Auflage ausgehen kann, ist ein Beweis für die Empfänglichkeit
, die in weiteren Kreisen für derartige Forschungen
herrscht, aber auch dafür, daß der Verf. es versteht
, diese Empfänglichkeit zu befriedigen und zu belohnen
. Die neue Auflage nennt sich mit Recht eine
.umgearbeitete und vermehrte'. Sind auch Grundstock
und Grundhaltung dieselben geblieben, so merkt man
doch auf Schritt und Tritt die sorgfältig verbessernde
und erweiternde Hand des umsichtigen und gewissenhaften
Forschers, der seine Bausteine immer wieder auf
ihre Tragfähigkeit prüft und je nachdem im Baue beläßt
oder ausscheidet und durch bessere ersetzt, der
jede ihm brauchbar erscheinende Anregung dankbar
entgegennimmt und dem Anreger gutschreibt, und der
auch bei einer Ablehnung sich nicht von Eigensinn
und Rechthaberei, sondern nur von wissenschaftlichen
Erwägungen leiten läßt. D. sieht aus einer gelösten
Frage sofort wieder zahlreiche andere aufsteigen, die
noch zu lösen sind. Er ahnt Zusammenhänge, wo viele
achtlos hinweggleiten, und er läßt sich keine Mühe verdrießen
, sie aufzuspüren und nachzuweisen. So ist der
Umfang des Buches um 100 Seiten gewachsen. Daß
der Grundgedanke der christlichen Gebets-Ostung ein
eschatologischer ist und auf die Wiederkunft Jesu vom
Osthimmel weist, tritt im ersten Kanon der syrischen
Doctrina Apostolorum, auf den Burkitt aufmerksam gemacht
hat, vollends klar zu Tage (S. 172f.). Beigegeben
sind diesmal zwei Tafeln, von denen die erste (zu S.
292) eine von Dölger 1910 für das Museum des deutschen
Campo santo in Rom erworbene Inschrift wiedergibt
, worin vor unbefugter Anwesenheit beim christlichen
Gottesdienst gewarnt wird, die zweite (zu S. 374) eine
im Museo archeologico zu Florenz befindliche römische
Bronzelampe mit Sonnengott und Mondgöttin (der
Sonnengott mit ausgestreckter Hand, ebenso Christus
im Bartholomäusevangelium). Ich bin überzeugt, daß
auch diese zweite Auflage ihren Weg machen wird.

Zur Lebenszeit Kommodians (S. 7 ff.) siehe auch K. Holl in den
Sitz. Ber. d. preuß. Akad. d. Wiss. 1918 XVII S. 553 f. — Bei seinen
Ausführungen über die Verehrung der Götterbilder durch Kußhand
(S. 13 ff.) scheint mir D. nicht recht beachtet zu haben, daß in
sämtlichen von ihm angeführten Stellen (aus Minucius Felix, Apuleirus,
Lucian von Saniosata, dem älteren Plinius, Hieronymus) nur vom
Küssen der eigenen Hand, nie vom Zuwerfen des Kusses die Rede
ist, was doch wesentlich zu einer .Kußhand' gehört. Ja nach dem
Grammatiker Servius .pflegte man den Kindern mit der rechten
Hand die linke Wange zu streicheln und dann die Hand zum eigenen
Mund zu bringen' (S. 14). Das ist geradezu eine umgekehrte Kußhand
, wobei, wie D. mit Recht bemerkt, .durch das Streicheln der
Wange die Beziehung zur lebendigen Person hergestellt ist'. Und
wenn nach einer- Äußerung des jüngeren Plinius Kaiser Trajan nicht
wie Domitian bei der Begrüßung den Kuß nur mit der Hand
zurückgab (,nec osculum manu reddis'), so kann auch damit eine
ähnliche Gebärde gemeint sein. Bei dem von ihm 1909 in Nea|>el
beobachteten Vorgang konnte D., wie er erzählt, selber nicht unterscheiden
, ob das Mädchen zuerst die Bilder der leidenden Seelen
im Fegfeuer mit dem Finger berührte und dann diesen küßte oder
umgekehrt. Es kann also sehr wohl die Berührung des Bildes das
erste gewesen sein. Kurz, mir scheint, daß der antike Mensch nich!
einen Kuß mit der Hand zuwarf, auch nicht drei verscluedene
Arten von Kußhänden kannte, wie Casel (Theol. Revue 1921, 182)
meint, sondern eine Person oder ein Bild gleichsam zu sich heranzog,
gewissermaßen in seine Hand nahm oder in seiner Hand verkörpert
dachte und so an seinen Mund brachte (ad-orare). Darin dürfte also
Casel im Rechte sein, wenn er zu Min. Fei. Oct. 2, 4 bemerkt, daß
die Hand ,das Bild vertritt', auch wenn mit .simulacro Serapions
denotato' nur das Erblicken des Bildes, nicht ein Hinweisen mit der
Hand gemeint sein sollte. Die Beziehung würde eben in diesem Fall
durch das Anschauen (mit folgender Verneigung des Hauptes) hergestellt
. Ich möchte aber doch zu .denotare' auf Tertullian verweisen
, der de pallio c. 1 (I, 914 Oehler) sagt, die Karthager hätten
Zeit .habitus denotare', und dies in c. 4 (I, 940) näher erklärt mit
.habitus' et acrie figere et digjto destinare et nutu tradere'. — Mit
der .Sonnenverehrung' der Elefanten (S. 34 ff.) mag auch ihre angebliche
.Eidestreue' zusammenhängen^ die Celsus ins Feld führt, bei
Orig. c. Cels. IV, 98: i'ktupavitav ovd'iv tiogxötegor oids ngug r«
Ö-ilov niarözegoy dvai Soxel, navxmg är]nov d'ioxi yvöiaiy
ayzov zxovoiv. — Zur Symbolik der Kreisbewegung (S. 58)
siehe meinen Ps.-Dionysius 1900, 82ff. — Dje .Expositio brevis
antiquae liturgiae Gallicanae' (S. 93) ist nicht von Germanus von