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Ausgabe: | 1926 Nr. 12 |
Spalte: | 333-334 |
Autor/Hrsg.: | Schubert, Hans von |
Titel/Untertitel: | Goethes religiöse Jugendentwicklung 1926 |
Rezensent: | Dörries, Hermann |
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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 12.
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wagt es Cano nicht, die alte Praxis zu verleugnen; bald wird die neue
Praxis auch die Theorie ändern. Dagegen stimmt Lang dem Cano
bei in der These: die Schrift hat ihre Beweiskraft nicht von der Kirche,
sondern allein von Gott; das kirchliche Zeugnis vermittelt uns nur
die Erkenntnis dieser Beweiskraft und ihrer Ausdehnung. Aber wenn
diese Vermittlung für uns unumgänglich ist, wird dann nicht der erste
Teil der These illusorisch? Nicht für Cano, der sich, wie gesagt,
wenigstens theoretisch die Prüfung des Inhalts eines Satzes vorbehält,
aber für Lang. Und hat dann (S. 103) nicht doch Althaus (Die
Prinzipien der deutschen reformierten Dogmatik 1914 S. 220) sachlich
»echt? Bei der Frage nach dem Gewißheitsgrund der Glaubensgewiß,
heit sagt Cano unter dem Beifall Längs: dieser Grund ist nicht die
kirchliche Autorität; die kirchliche Autorität legt mir die Offen-
haiung nur vor und bringt die äußeren Zeugnisse dafür bei, daß es
sich tatsächlich um Offenbarung handelt; wenn ich nun den Glaubensakt
durch Assensus vollziehe, so tue ich dies nicht kraft einer fides
acquisita, sondern der Glaubensassens wird hervorgerufen durch divinum
ipioddam lumen incitans ad credendum et oculi interni ad viden-
dum ilati. Zweierlei muß unterschieden werden: a) die den Glaubensakt
letzende subjektive Fähigkeit (Wirkursache), b) der diese Fähigkeit
zur Zustimmung bewegende objektive Gewißheitsgrund (Glaub.ns-
motiv). Lang findet, daß Cano die Wirkursache richtig angibt, „huic
autem „Dens revelavit" immediate credo a Deo motus per instinetum
specialem", sich aber irrt, wenn er meine, mit diesem instinetus
specialis zugleich das Glaubensmotiv angegeben zu haben. Aber Cano
irrt sich nicht, sondern nimmt die eine Möglichkeit — die andere wäre
nämlich die, trotz aller Distinktioncn doch auf die Autorität der
Kirche hin das Dens revelavit zu glauben mittels des divinum
uuoddani lumen! Cano entscheidet sich also eigentlich für die adhaesio
a Deo data, die beides sein muß, Glaubenskraft und Glaubensgrund;
praktisch hat natürlich auch er auf die Autorität der Kirche hin
Gott geglaubt, so gut wie der heutige Katholizismus. Aber in der
Theorie hat er einen sehr alten Weg angemerkt, eben den Weg, auf
welchem Luther praktisch zur sola scriptura ging, dem sicheren locus
divinae auetoritatis. (Wie stark oder wie schwach hei einem so durch
und durch Religiösen wie Luther auch noch die humanistische Quellen-
Theorie mitwirkte, das ist wirklich Nebensache).
Magdeburg. Leonhard Fendt.
Schubert, Hans von: Goethes religiöse Jugendentwicklung.
Leipzig: Quelle & Meyer 1925. (75 S.) 8°. Rm. 2—1
In diesem, zuerst 1923 in Stockholm gehaltenen,
durch lange Anmerkungen erläuterten Vortrag schildert
H. v. Schubert ganz von neuem Goethes Verhältnis zur
Religion, vor allem während des Zeitabschnitts zwischen
den Leipziger und Straßburger Jahren. Auf Grund streng
historischer Methode, lediglich, oder doch zunächst, an
Hand der primären Quellen kommt der Verf. dabei zu
Ergebnissen, die von den bisherigen Darstellungen nicht
unwesentlich abweichen. Dabei ist von besonderer Bedeutung
, daß hier zum ersten Mal der wichtige Fund der
Langer-Briefe für die Aufhellung jenes Zeitraums nutzbar
gemacht ist. Die l1/« Jahre der Frankfurter Zwischenzeit
, die bislang leer erschienen, erhalten infolgedessen
einen besonderen Inhalt.
Es zeigt sich deutlich, wie Goethe, dem wie Bismarck
das Christentum nur in pietistischer Gestalt wirklich
nahegetreten ist, diesen Einflüssen sehr viel mehr
zu danken hat, als im allgemeinen bisher angenommen
ist. Goethe ist dieser Pietismus schon in seiner Jugend
durch die Mutter, die selbst früh sich dem öffnete, vertraut
geworden; er hat 1770 im eignen Hause eine Versammlung
nach Herrnhuter Muster veranstaltet; er hat,
wie Schubert zeigt, in dieser Zeit das persönliche Erlebnis
christlicher Religiosität dem Fundament seines
Lebens mit Bewußtsein eingefügt.
Dabei mag denn freilich der Grad des pietistischen Einflusses
verschieden gewertet werden, je nach dem Gewicht, das man den einzelnen
, oft angerissenen und flüchtigen Bemerkungen der Langer-Briefe
heimißt.
Mit weitgehender Berücksichtigung der neueren
Goethe-Literatur unternimmt der Verf., Goethes Verhältnis
zum Christentum und im besonderen die Bedeutung
dieser Frankfurter Periode vorsichtig zu bestimmen.
Sie stellt den Übergang von anakreontisch-rokokohafter
überflächenkultur zu der Herder-Shakespeareschen Lebenstiefe
der späteren Zeit dar (S. 70); sie lehrt die
Kunst tiefer Selbstbeachtung (ein viel wichtigerer Ertrag
dieser Sichtungszeit als die Kenntnis gnostischer Systeme,
deren Bedeutung für Goethe Schubert weit geringer einschätzt
als z. B. Obenauer, „Goethe in s. Verhältnis z.
Religion" S, 22 es tut); diese Zeit gibt Goethe einen
Vorschmack genialischer individueller Religiosität, der
ihn zur Aufnahme Herderscher Gedanken befähigt.
Die Schrift gibt ein Beispiel für die auflockernde Bedeutung
des Pietismus, ohne den das deutsche Geistesleben
der klassischen Periode nicht verständlich ist und
der dieser kirchenfremden Größe die persönliche Innigkeit
eines besonderen Christentums eingeflößt hat.
Man kann nur mit größter Spannung auf die Darstellung
der weiteren rel. Entwicklung Goethes warten,
die der Verf. in Aussicht gestellt hat.
Tübingen. Hermann Dörries.
La legislation sovietique contre la Religion. Traduction des
documents officiels du Commissariat du peuple ä la justice. Rom:
Pont. Jnst. Orient. Studiorum 1925. (135 S.) gr. 8°. Orientalin
Christiana, Vol. V — 1. Nr. 18.
Vorliegende Nummer der ,Orientalia christiana' bietet
, wie die Einleitung erklärt, eine genaue französische
Übersetzung der auf kirchliche und religiöse Dinge sich
beziehenden Gesetze der russischen Räteregierung, wie
sie von ihr selbst 1923 in einer Sammlung veröffentlicht
worden sind. 1925 erschien zwar zu Moskau eine
zweite Ausgabe der Sammlung, die auch die inzwischen
(bis zum 1. Okt. 1924) ergangenen Entscheidungen
enthält. Da aber der Geist derselbe sei und die hauptsächlichsten
Bestimmungen über Ehe und Kindererziehung
schon in Nr. 16 der ,Orientalia christiana' von
1925 angegeben seien, wurde von einer Aufnahme dieser
neuesten Gesetze hier abgesehen. Diese Gründe leuchten
i jedoch nicht recht ein. Denn um den religionsfeindlichen
j Geist dieser Gesetzgebung ins Licht zu stellen, hätte es
nicht einer Übersetzung der ganzen Sammlung von 1923
bedurft und anderseits ist das in Nr. 16 Angeführte eben
[ nur ein Teil der neuesten Verordnungen. Was also hier
geboten wird, ist unter dem einen Gesichtspunkt zuviel
und unter dem andern zuwenig. Es ist aber sehr
lehrreich, sich die Sammlung anzusehen und daraus zu
ersehen, wie die ,Trennung von Kirche und Staat' von
einem Rätehirn aufgefaßt wird. Es scheint, daß die
römische Kurie eine Zeit lang geglaubt hat, mit den
neuen Gewalthabern in Rußland zum Schaden der orthodoxen
Kirche zusammenarbeiten zu können, und man
wird sich erinnern, daß zu Genua auch der Vertreter des
Papstes Benedikt XV mit den Peinigern des russischen
Volkes zusammensaß. Diese Gesetze zeigen aber, daß
j der Räteregierung jede Religion und jede religiöse Betätigung
eine bourgeoishafte Rückständigkeit ist, die man
nicht genug überwachen und eindämmen kann. Das
schließt nicht aus, daß die eine oder andere Entscheidung
ganz vernünftig ist. Aber der Geist ist entschieden
religionsfeindlich und dabei verstehen es diese Gesetzgeber
, wie die Einleitung treffend bemerkt, Fassungen
zu finden, ,qui menagent l'opinion', um dann von Fall
zu Fall nach Gutdünken vorgehen zu können. Daß jedoch
diese Gesetzgebung die kommunistischen Grundgedanken
folgerichtig anwendet, wird nicht zu bestreiten
sein.
München. Hugo Koch.
Bornhausen, Karl: Der Christliche Aktivismus Nordamerikas
in der Gegenwart. Gießen: A Töpelmann 1925.
(51 S.) 4°. =*= Hefte d. Theolog. Amerika-Bibliothek, Heft 2.
Rm. 1.20.
Eine sehr interessante und dankenswerte Schrift, die Manchem
über die Gefahren des Amerikanismus die Augen öffnen wird. Der
Verfasser ist einer der besten Sachkenner, verfügt übe» eine umfassende
Übersicht und führt viel interessantes Material als Beweis
seiner Ausführungen an, die jeder, der amerikanisches Christentum
aus der Nähe beobachten konnte, unterschreiben wird. Er zeigt zunächst
die Zustände in den heutigen amerikanischen Kirchen, wie
sich auch dort mannigfache Gärung und eine große Zerrissenheit offenbart
, die wohl nach außen verdeckt werden, aber darum nicht minder
gefährlich werden für das amerikanische Christentum selbst. Die Vor-
| züge und Schäden dieses Christentums, seine Eigenart gegenüber