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Ausgabe:

1926 Nr. 11

Spalte:

297

Autor/Hrsg.:

Ruysbroeck, Jan van

Titel/Untertitel:

Das Reich der Geliebten 1926

Rezensent:

Clemen, Otto

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297

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 11.

298

unbedenklich an die Spitze der übrigen gestellt werden
darf. Auch der Kommentar berücksichtigt alles Wesent-

daß sich Ferrara um die Geschichte Savonarolas auch
durch gründliche Untersuchungen über Sonette verdient

liehe. Die Bibliographie ist so gut wie vollständig. machte, welche von gegnerischer Seite wider den Frate
Wo man etwas vermissen möchte, hat sich der Heraus- j verbreitet wurden (Nota Savonaroliana. Di un sonetto
geber durch den Hinweis auf Schanz, er hätte richtiger 1 politico di Francesco Cei, Pagine Critiche H, 1 Genova
geschrieben, auf Hosius in Schanz' Literaturgeschichte
gedeckt. Es handelt sich aber dabei nur um Kleinigkeiten
. Voran gehen zwei Dissertationen nach altem
Muster über Leben und Religion des Boethius, in denen
alles Wissenswerte mit einer gewissen, durch das humanistische
Latein noch erhöhten Umständlichkeit zusammengestellt
ist. Gute Indices — auch ein verdienstlicher
Index Alagerianus, d. h. eine Aufzählung der
(zahlreichen) Stellen, in denen eine Benutzung des Boethius
in Dantes Komödie durchscheint — beschließen
das Ganze. Die Ausstattung ist glänzend. Als Titelbild
ist eine Zeichnung aus Cod. Menac. Cluc. 2599
s. XIII beigegeben: Boethius im Kerker, sitzend, den
Griffel in der rechten Hand, neben ihm, stehend die
Philosophie als Trösterin.
Gießen. G. Krüger.

Ruysbroeck, Jan van: Das Reich der Geliebten. Erstmals
aus dem Altflämischen neuhochdeutsch übertragen v. Willibrord
Vcrkade. 1—3.Tsd. Mainz: Matthias-Grüiieuald-VcrL; Ausliefg.:
H. Rauch, Wiesbaden. (XV, 120 S.) kl. 8°. geb. Rm. 2.50.
Der „Zierde der geistlichen Hochzeit" (ThLZ. 1023, 422) und dem
„Buch von den zwölf Beginnen" (ThLZ. 1024, 108) reiht Vcrkade
„Das Reich der Geliebten" an, wahrscheinlich Ruysbroccks erste
Schrift, die er vielleicht schon um 1330, noch als Kaplan an Sankt
Gudula in Brüssel, verfaßt hat. Er widerlegt darin die „Aftermystik"
der Bloemardine, die er auch in Kap. 74—77 der „Zierde der geistlichen
Hochzeit" bekämpft. Das durch Unmittelbarkeit und Wärme
ansprechende Schriftchen erscheint hier zum ersten Male in deutscher
Obersetzung nach dem altflämischen Urtext.
Zwickau i. S. O. Giemen.

Ferrara, Mario: Contributo allo Studio della Poesia Savonaroliana
. Pisa: Officina Arti Grafiche Eolchetto 1021. (95 S.)

S". L. 7—.

Man hat wohl behauptet, Savonarolas Erfolge in
Florenz seien oberflächlicher Art gewesen, mit seinem
Tode sei sein ganzes Reformwerk in sich zusammengebrochen
. Vorliegende Schrift lehrt das Gegenteil.
Cod. 1179 der Magliabechiana zu Florenz birgt 26 Gedichte
zur Verherrlichung des großen Predigers, welche
von der begeisterten Anhänglichkeit seiner Verehrer an

1921; Due Sonetti contro il Savonarola, Archivio Storico
Italiano 1924), wie er jn seiner lehrreichen Abhandlung
„Per la storia del proverbio nel sec. XVI." (Lucca.
Tipografia editrice Lucchese 1925) einen wichtigen Beitrag
zur Lebensgeschichte des Bruders Benedikt Bettucci
von Florenz liefert, dessen dunkles Rätsel noch immer
nicht gelöst ist und wohl niemals gelöst wird.

München. J Schnitzer.

Rothenburg o. d. Tauber. Ein Führer durch Geschichte und Kunst
Mit 1 Stadtplan und über 100 Bildern von L. Eger, G.
Müller, J. Zeller mit Geleitwort von P. Bonatz. 2. Auflage
. (109 S.) Bad Mergentheim: K. Ohlingers Nachf., H. Kling.
Mit Recht sagt Bonatz: „Rothenburg ist ein vollständiges und
unversehrtes Abbild des Mittelalters. Es bietet eine unerschöpfliche
Fülle von Schönheiten und Anregungen." Das Büchlein zerfällt in
2 Teile: 1—34 Geschichte, 35 ff. Kunst. Die Kirchengeschichte ist
etwas zu kurz gekommen. Erst S. 91 erfahren wir, daß Dettwang die
Mutterkirche von Rothenburg war, wie ja auch andere Reichsstädte,
wie Hall, Heilbronn, Reutlingen, Ulm ihre älteste Pfarrkirche außer
den Mauern hatten, was noch wenig beachtet und erklärt ist. Von der
Reformation 1544 erfährt man allzu wenig. Sehr dankenswert ist die
Beschreibung der Jakobskirche, aber auch der Franziskanerkirche in
ihrer Eigenart. Einzelne Bilder sind zu schwarz, daher etwas undeutlich
. Falsch ist die Erklärung des Umgclds S. In als ungerechte
Steuer. Es ist Ohmgeld, Abgabe von der Ohm. S. 23 ist Liental zu
erklären. Es ist Lichtel im Oberamt Mergentheim. S. 3ö ist zweifelhaft
, ob der Baumeister Nikolaus Hofinaun von Halle und nicht viel
mehr von Schwäbisch Hall stammt, wo ja die Familie Hofmann vertreten
war, vgl. den Wiedertäufer Melchior Hofmann. Das hübsch
ausgestattete Büchlein verdient Beachtung im Kreis der Theologen,
besonders beim Besuch des fränkischen Jerusalems.

Stuttgart. f G. Bossen.

Der Bauernkrieg in zeitgenössischen Schilderungen. Leipzig:

Insel-Verlag. (72 S.) kl. b°. = Insel-Bücherei Nr. 352.

geb. Rm. 1—.

Martin Luther und der Bauernkrieg. Eine urkundliche
Darstellung. Hrsg. u. m. e. Nachw. vers. v. Wilhelm Wibbe-
ling. (1. u. 2. Tsd.) Schlüchtern-Habertshof: Neuwerkverlag
1925. (VI, 153 S.) 8°. Rm. 2—; geb. 3—.

Das Gedenkjahr des Bauernkrieges hat neben einer
großen Anzahl von Darstellungen auch einige Sammlungen
von Quellen gebracht. Die beiden vorliegenden

hn auch noch nach seinem Tode beredtes Zeugnis ab- j Quellen - Hefte machen keine wissenschaftlichen An
legen und vom Verfasser nach Form wie Inhalt aufs
kundigste erläutert werden. Literarische Kunstwerke sind
die Gedichte, das hebt der Verf. selbst hervor, allerdings
nicht; es ist wahre Volkspoesie, welche uns hier entgegentritt
, warme Empfindung und eine oft unbeholfene
Ausdrucksweise. Die Dichter sind alle unbekannt, nur
eine Laude wird als das Werk einer Magd Marietta bezeichnet
, die weder-lesen noch schreiben konnte und ihre
Verse ihrem Herrn diktierte, der sie niederschrieb.
Die Gedichte sind der unverfälschte Widerhall der Predigt
dos Ferraresen; die Giltigkeit des über diesen verhängten
Kirchenbannes wird nicht anerkannt und die Zeit
seiner florentinischen Wirksamkeit als irdisches Paradies
gepriesen. Ihrer überwältigenden Mehrzahl nach sind die
Gedichte gewiß erst nach dem Tode des Frate entstanden
; das eine oder andere dürfte aber noch bei
seinen Lebzeiten verfaßt sein, so die Sonette XI, XXI,
XXIV und namentlich XX. Die Nonne, auf welche hier
angespielt wird, ist uns aus der Chronik Peter Parentis
wohl bekannt, es ist die von Alfons Strozzi begünstigte
Schwester Magdalena, die sich zu einer öffentlichen
Disputation mit dem Dominikaner erbot. Beim Sonette
XIX macht der Verfasser zu den Worten: „se M Fattor
e I Maestro va via" die Bemerkung: „il Fattore che e,
ad un tempo stesso, Maestro"; viel näher dürfte jedoch
die Erklärung liegen, daß sich „Fattore" auf Dominikus
von Pescmteziehe, welcher im Munde der Gegner „il
rattoraccio" hieß. Zum Schlüsse sei nicht verschwiegen,

spriiehe.

Otto H. Brandt' hat zu einem der bekannten schmucken
Bändchen des Insel-Verlages vier Berichte von Augenzeugen zusammengestellt
: die Chronik des Ritters Georg von Werdenstein, die
Aufzeichnungen einer Nonne des Klosters Heggbach bei Biberach,
einen Abschnitt aus der Chronik des schwäbischen evangelischen
Pfarrers Johann Herolt, endlich Hieronymus Hammers Geschichte des
Kitzinger Bauernmordes. Die vier Berichte sind bereits an entlegenen
Stellen gedruckt. In dieser Zusammenstellung geben sie ein anschauliches
Bild der Bewegung in Oberschwaben und im Allgäu einerseits,
in Franken andererseits. Neben dem urkundlichen Werte gibt die jeweils
besondere Art der vier nach Stand und Gesichtskreis sehr verschiedenen
Berichterstatter dem Büchlein einen eigenen Reiz. Der
Herausgeber hat die Dialektuntcrschiede leicht ausgeglichen und „eine
schlichte stilistische Umschreibung" vorgenommen, die jedoch den
Sprachrhythmus der Vorlagen nicht zerstört. Knappe Anmerkungen, ein
Verzeichnis schwerer verständlicher Wörter und ein Nachwort, das
einen kurzen Oberblick über den Bauernkrieg gibt und die vier Texte
in ihrer Eigenart kennzeichnet, erhöhen die Lesbarkeit des Büchleins.

Anspruchsvoller tritt die „urkundliche Darstellung",
d. h. QuelLensammlung des Neuwerklers Wibbeling
auf. Das Interesse gilt Luthers Haltung im Bauernkriege
. Ich bin mit dem Herausgeber darin einig, daß
diese ernste Frage nur durch neue Versenkung in die
Quellen geklärt werden kann. Nur muß die Auswahl
der Quellen so getroffen sein, daß ein vollständiges
Bild entsteht.

1) Br. hat gleichzeitig eine umfassende Quellensammlung herausgegeben
: „Der große Bauernkrieg", Jena, E. Diederichs 1925.