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Ausgabe:

1926

Spalte:

282

Autor/Hrsg.:

Mulert, Hermann

Titel/Untertitel:

Schleiermachers Werke 1926

Rezensent:

Wehrung, Georg

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282

leicht sein, eine klare Antwort auf die Frage zu geben, mit welchem
Recht er sich den Beinamen des Großen verdient hat, und zu so
harten Urteilen eines großen Historikers Stellung zu nehmen.

Um so mehr ist es zu begrüßen, daß die „Studien zur Kirchengeschichte
Niedersachsens", die schon eine Arbeit aus der vielfach
vernachlässigten neueren Kirchengeschichte Niedersachsens gebracht
haben (Ruprecht, Der Pietismus des 18. Jahrhunderts in den
hannoverschen Stammländern, Göttingen 1919), die vorliegende Biographie
Molans begonnen haben. Der Leiter der „Studien", Geh.-Rat
D. Mirbt, hat für diese Arbeit den Lic. Weidemann gewonnen, der sie
mit großem Eifer und Geschick angegriffen hat. Zunächst behandelt
er Molan als Konsistorialdirektor. Es ist ein entsagungsvolles
Studium gewesen, in dem er für diesen Teil seiner Aufgabe das
Material sich gesammelt hat; ein Studium, bei dessen Resultat er
selbst auf die „unerbittlich nüchterne Art seiner Darstellung" hinzuweisen
sich getrieben fühlt. Kämpfe um die Selbständigkeit des
Konsistoriums gegenüber dem Summepiskopus und seiner höchsten

M. von einem „Spinoza Plagiator" reden wollte. Eher könnte man
gegen M. diesen Vorwurf erheben (auf Grund der Art, wie er die arabischen
Philosophen benützt), wenn seiner Zeit der Begriff des literarischen
Eigentums bereits geläufig gewesen wäre.

Rinderfeld O. A. Mergentheim. Walter Betzendörfer.

Höffdlng, Harald: Spinozas Ethica. Analyse und Charakteristik.
Heidelberg: Carl Winter 1924. (III, 146 S.) gr. 8°. = Bib-
liotheca Spinozana curis societatis Spinozanae, Tom. IV.

Rm. 5—; geb. 6.20.
Das Buch ist ein Kommentar zu Spinozas Hauptschrift. Nach
kurzer Einführung in die „Gedankenmotive" Spinozas geht Höffding
den 5 Büchern der „Ethik" mit ihren Axiomen und Lehrsätzen nach
und sucht den wirklichen Sinn der eigentümlichen Formulierungen
Spinozas aufzuzeigen, indem er das Ganze in die Sprache der modernen
Erkenntnistheorie, Psychologie und Ethik übersetzt. Spinozas
System ist ihm mehr als ein bloß geschichtlich bedeutsames Werk —
Landesbehörde," denen wir mehr Geschmack abgewinnen könnten, j es ist inm wertvoll als „ein Vorbild, wie man unter anderen philo-

Roth, Leon, M. A., D. Phil.: Spinoza, Descartes and Maimo-

nides. Oxford: Clarendon Press 1924. (148 S.) 8«.

Der gewaltige Einfluß, den die Gedanken Maimunis auf die
Nachwelt ausübten, ist heute allgemein bekannt. Man hat ihn nicht
ohne Grund mit demjenigen von Kants Kritik der reinen Vernunft verglichen
. Während nun Gelehrte wie M. Joel und J. Guttmann
die Einwirkung der maimonidischen Philosophie auf Albert d. Gr.,
Ihomas von Aquin u. a. Denker des Mittelalters untersuchten, handelt
das Buch L. Roths von dem Einfluß, den die Schriften des Mai-
nionides auf Spinoza ausübten. Der Verf. vergleicht das Verhältnis
Spinozas zu Maimonides mit dem eines Schülers, der übereifrig
seine Originalität verteidigt dadurch, daß er seinen Lehrer herabsetzt.
Spinoza polemisiert tatsächlich (im theol.-pol. Traktat) mit sehr
scharfen Worten gegen Maimonides. Dabei ist er ohne Zweifel in
hohem Maße von ihm abhängig.

Roth ist weit davon entfernt, die Identität der Philosophie
Spinozas mit derjenigen des Mose ben Maimon zu behaupten, dagegen
zeigt er, wie die Gedanken Maimunis eine wichtige Grundlage
für die Philosophie Spinozas bildeten. Spinoza erblickt im
Anschluß an Maimonides in der imaginatio die Quelle des Irrtums
, er kämpft wie M. gegen die anthropomorphen Vorstellungen
von Gott, baut seine Attributenlehre auf
der des M. auf, lehnt wie M. den Gedanken ab, daß der Mensch und
sein Heil der Weltzweck sei, erblickt wie sein Vorgänger das
höchste Gut in der Erkenntnis Gottes und macht von dieser die
Unsterblichkeit abhängig, lehnt aber wie der Philosoph
.Maimonides eine individuelle Unsterblichkeit ab.

Dies alles ist zuzugeben. Wenn jedoch Roth die gegensätzliche
Stellung der beiden Philosophen in der Frage der Transzendenz
bezw. Immanenz Gottes zu verschleiern sucht, so kann ich ihm in
diesem Punkt nicht beistimmen. Außerdem weise ich auch hier (wie
schon in der Besprechung der deutschen Übersetzung des „Führers"
v. A. Weiß, Theol. Literaturztg. 50. Jahrg. 1925, Nr. 20) darauf hin,
daß M. ein Vertreter der Willensfreiheit ist, während Sp.
diese Anschauung als Hauptbeispiel einer irrtümlichen Vorstellung an-
> ü *ndllch auch darauf, daß M. in der kausalen Erklärung des
Geschehens unbedenklich auf den Willen Gottes rekurriert, während
i>p. dies ausdrücklich verbietet.

Jedenfalls wäre es völlig unberechtigt (übr. auch gar nicht im
Sinne L. Roths), wenn man im Blick auf die Abhängigkeit Sp.s von

durch mannigfaltige Vergleiche der Problembehandlung mit anderen
Philosophen lebendig gestaltet, und beides ist begleitet von einer
maßvollen Kritik der einzelnen Begriffe und Sätze Spinozas. Zu bedauern
ist nur, daß des öfteren der deutsche Ausdruck in sprachlicher
Hinsicht nicht ganz einwandfrei ist.

Berlin. Beckmann.

wenn sie nicht oft ins sehr Kleinliche sich verlören, kräftiger j SOphischcn Voraussetzungen denken soll". Von diesem systematischen
Nepotismus Molans bei Besetzung der höchsten geistlichen Stellen j Interesse ist seine „Analyse und Charakteristik" der' Philosophie
mußten eine sorgfältige Darstellung finden, da sie zu Molans Cha- | Spinozas getragen. Die Analyse ist klar und tief, die Charakteristik
rakterbild Wichtiges beitragen. Noch bedeutsamer ist vielleicht die
Art, wie Molanus die sittlich-religiösen Mißstände bekämpft. Ist für
das Polizeiregiment auf diesem Gebiet auch nicht er, sondern seine
Zeit verantwortlich zu machen, seine eifrige Betätigung gerade bei derartigen
Maßnahmen zeigt, wie sehr er ein Kind seiner Zeit war.
Dagegen hat er für die warmen Strahlen des aufgehenden Pietismus
gar kein Verständnis. Wird der Beweis dafür auch mehr negativ
geführt, denn daß Molanus an der Armenordmtng v. 1702 direkt beteiligt
gewesen sei, ist nicht anzunehmen, so ist sein Schweigen doch
beredt genug.

Das Schwergewicht der Biographie muß in Molans Beteiligung
an den Unionsverhandlungen liegen, über die der II. Band berichten
wird. So fällt dieser Band auch noch kein irgendwie zusammenfassendes
Urteil. Ein solches zu gewinnen, möchte auch nicht ohne
Wert sein, das Verzeichnis der kompendiarischen Zusammenfassungen
über Molanus (S. IV) noch zu vervollständigen und dabei namentlich
die katholischen Urteile nicht zu vergessen. Interessant genug ist
schon der Artikel in Wetzer und Welte, 2. Aufl., Bd. VIII, S. 172öff.
Für einige Einzelheiten vgl. Zeitschr. für medersächsische Kirchengeschichte
, 29. und 30. Jhrg., S. 257 ff.

Dem II. Bande sehen wir mit Spannung entgegen.
Ilfeld a. H. Ferdinand Cohrs.

Sc h 1 e 1 e r m ach er s Werke. Ausgew. u. eingel. von Hermann
Muler t. Berlin: Propyläen-Verl. 1924. (461 S.) 8°.
Wenn diese Sammlung für eine breitere Leserschaft diejenigen
Schriften Schleiermachcrs vereinigen will, die seine Grundgedanken
gemeinverständlich darlegen und durch die er am stärksten in weiteren
Kreisen nachgewirkt hat, so kann man ihrer Auswahl im großen
ganzen wohl zustimmen. Daß die Reden über die Religion, die
Monologe, die Weihnachtsfeier, die Schrift über die Universitäten
aufgenommen, die Lucindebriefe übergangen sind, ist doch berechtigt.
Diese Briefe haben keine jenen Schriften vergleichbare historische Rolle
gespielt, sie sind viel künstlicher und mehr durch besondere Verwicklungen
bedingt. Gegen die paar Predigten, von denen zwei in die
Zeit der Reden, drei in die nach dem Zusammenbruch Preußens weisen,
ist auch nichts einzuwenden; ich meinerseits hätte noch zwei andere
nicht übergangen, die zu dem Größten und Bedeutungsvollsten auf
dem Gebiet der politischen Predigt gehören, was wir haben: die
noch vor die Schlacht von Jena fallende „Wie sehr es die Würde des
Menschen erhöht, wenn er mit ganzer Seele an der bürgerlichen
Vereinigung hängt, der er angehört" und die ergreifende Predigt vom
28. März 1813. Die Rede über den Begriff des großen Mannes gibt
ein gutes Beispiel aus den Akademieabhandlungen. Das Stück aus
den Sendschreiben über die Glaubenslehre führt gut in die theologisch«
Problemstellung ein, wie sie sich für Schleiermacher aus der Gesamtlage
der Zeit ergibt und uns bis heute nicht losläßt. Daß Einzel-
anmerkungen fehlen, ist zu begrüßen. Die knappe Einleitung zeichnet
mit einigen sicheren Strichen den Menschen und sein Werk. Um
diese oder jene Wendling sei nicht gestritten

Münster i. W. Georg Wehrung.

Franz Baader und sein Kreis. Ein Briefwechsel. Ausgew. u.

hrsg. von Fritz Werle. Leipzig- Wolkenwanderer-Verlag 1924.

(VIII, 304 S. m. e. Bildnis.) 8°. geb. Rm. 4.50.

Der geschmackvoll ausgestattete Band ist, ohne daß das vom
Herausgeber bemerkt würde, eine Auswahl aus den im 15. Bande der
Gesamtausgabe vereinigten Briefen von und an Baader. Die Wiedergabe
ist nicht immer getreu, die Parenthesen Baaders werden grundsätzlich
übergangen, die Anmerkungen in den Text aufgenommen,
sodal) sie die Sätze mehrfach heinahe sprengen. Andererseits ist die
Anlehnung an die Vorlage so groß, daß der Herausgeber sogar Franz
Hoffmanns Vorrede zu diesem Band, wiederum ohne ein Wort darüber
zu sagen, mit geringen Kürzungen abdruckt. Das geschieht z. T. etwas
sinnlos. So ist z. B. der vereinsamte Satz: „Seine politische Richtung
war eine freie" (S. VI), ein Zitat aus dem zuvor erwähnten
Briefe A. v. Humbolds. Selbständiger wissenschaftlicher Wert wird
somit für diese Ausgabe nicht beansprucht. Freilich ist auch ihre Verwendbarkeit
für die breitere gebildete Welt in Zweifel zu ziehen. Der
Herausgeber hat nichts dazu getan, um die vielfach recht schwierigen
und bcz.iehungsrcichen naturphilosophischen und metaphysischen Darlegungen
Baaders verständlich zu machen. Keine Person wird vorgestellt
, kein Zeitereignis, keine sachliche Schwierigkeit erläutert. Nicht
einmal die wenigen Anmerkungen Franz Hoffmanns sind wiedergegeben
. Wenn der Herausgeber auf ein sachliches Verständnis der
Briefe zu verzichten beabsichtigte, hätte er besser getan, statt ausführliche
Darlegungen (namentlich auch in Briefen a n Baader) über
Somnambulen, magnetische, elektrische Erscheinungen, seltsame