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Ausgabe: | 1926 |
Spalte: | 272-273 |
Autor/Hrsg.: | Peters, Norbert |
Titel/Untertitel: | Osee und die Geschichte 1926 |
Rezensent: | Volz, Paul |
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technisch zulässiger Weise einen besseren Sinn mit hebr. Wörtern ab
als W., der mit Hilfe zweier neuer Wörter übersetzt: „darum sättigen
sie sich am eigenen Wahn und saugen sich an mit Wasser des
Truges"; was der 2. Teil des Satzes bedeuten soll, verstehe ich nicht.
In 101, 2 bedarf es zur Verbesserung des unmöglichen JOlin TO
t — t
"Jjtf weder eines arab. Höft"1 „Vorsalz" noch (s. Corrigenda)
eines aram. HiTO „Schwur", sondern die Buchstaben ("TD sind
t
Dittographie des vorhergehenden QOH und der Rest lautet *"jpQ
,>'"• Licht meines Gottes". In einzelnen Fällen wie 12, 9
(7JDH Maultier, dem Jahwe bei den Menschen an Verächtlichkeit
gleichgestellt werde) oder 8, 2, wo ein syr. EsTaf'al in den Text gesetzt
worden war, hat W. selbst die Unmöglichkeit seiner Vorschläge
erkannt und sie deshalb zurückgezogen (s. Corrigenda).
Die Gründe für die Aufnahme einer solchen Unzahl
neuer Wörter durch W. sind einmal seine Vorliebe
für G und dann sein Grundsatz, daß der Buchstabenbestand
des hebr. Textes sorgfältig konserviert
sei. Und damit stehen wir beim Hauptbedenken, das
sich gegen W. erhebt. W. rechnet nur mit mechanischen
Veränderungen des Textes (Verlesung von Buchstaben
, Haplographie, Dittographie, Umstellung, falsche
Abtrennung, Buchstabenausfall u. a., s. S. XI. XVI.
XLVIIf.); jede Konjektur muß paläographisch möglich
sein und sich innerhalb der von ihm gefundenen Regeln
bewegen; wenn geduldiges Ausprobieren dieser Regeln
im Zusammenhang sinnvolle Wörter ergibt, nimmt W.
auch im A. T. nicht belegte Wörter gerne in Kauf. Dabei
ist aber zu wenig berücksichtigt, daß es noch andere
Alterierungsmöglichkeiten gibt als die vorhin genannten
mechanischen. Vor allem das Gebiet der „psychologischen
" Verschreibungen ist bei W. so gut wie gar
nicht berührt: wenn Fehler aus Angleichung an Vorausgehendes
oder Nachfolgendes entstanden sind, versagt
die paläographische „Systematik" (S. XXVII), bzw. eine
Textänderung kann in diesem Fall auch dann richtig
sein, wenn sie sich ins Regelschema nicht einfügt.
So rührt in 72, 3 das 3 in HpTjJD von tDDD*DD am Ende
von 72, 2 her und ist zu streichen; oder — um einen innergriech.
Fehler zu erwähnen — in 119, 102 (ano iwp x'Kiaiiimv aov nvx
t-iex'An'n) erklärt sich die Verschreibung x'/.iaiuxidv statt XQij-namv
aus dem Einfluß des folgenden sSexkiftt: sie ist nicht mechanisch
(Wechsel von 2 und p), sondern psychologisch. Um eine andere
Erscheinung handelt es sich z.B. in 25, 18. Hier, wo HN") am Anfang
der p-Strophe durch ein mit p beginnendes Wort ersetzt werden
muß, wendet W. gegen die Konjektur nPIP, die er zunächst selbst
t ':
aufnimmt, nachträglich ein, daß sie „technisch unmöglich" sei, weil
X und n nicht wechseln können (S. XLVIIf. und Corrigenda). Da
nun aber 25, 19 ebenfalls mit !"1N~1 beginnt, handelt es sich in
25, 18 in Wahrheit um die erstmals von Volz (Studien zum Text des
Jeremia 1920, S. XII) beobachtete Gewohnheit der Schreiber, ein
unleserliches Wort einfach durch ein Wort aus dem benachbarten
Text zu ersetzen ohne Rücksicht auf graphische Ähnlichkeit (weitere
Beispiele außerhalb Jer., die mir aufgestoßen sind: Jes. 40, 19. Am.
7,7. Nah. 1,4. Sach. 2,7. 6, 13). Wir sind also bei der Herstellung
des mit p beginnenden Wortes graphisch völlig ungebunden.
— Endlich ist W. nur ungern bereit, größere Textverstümmelungen
zuzugeben, die über rein graphische Fehler hinausgehen. Gewiß ist
auch er sich der Grenzen der textkritischen Arbeit bewußt (S. XXXIV),
aber er sucht diese Grenzen mit Hilfe der Systematik möglichst
weit hinauszurücken. So gibt er das berühmte "13 lpEJO 2, 12
wegen G tfpafaff*« naideiag mit "Oll 5J0 „nehmt Gesittung
an" wieder (s. Corrigenda), wobei das 1. Wort arab., das 2. syr.
ist; dieser paläographisch korrekten Konjektur gegenüber erringt
Bertholets T70~Q Ip&D einen leichten Sieg, obwohl er mit
stärkerer Textverderbnis rechnet. In 45, 13 ist die graphische Korrektheit
mit einem syr. I2fp3 „um seinetwillen" (s. Corrigenda) zu
teuer erkauft; in 110,3 ist die Textherstellung zu umständlich und
dein Sinn nach zu unbefriedigend, um auf Billigung rechnen zu
können, und auch bei einem Paradebeispiel (S. XXIV) wie 49, 15 ist
mit der Konjektur von W. sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen
; schon daß "ll^s „Fels" hier „Reichtum" bedeuten soll, ist
eine ziemliche Zumutung. Oder in 84, 12, wo MT u. G je einen wohlverständlichen
, aber völlig differierenden Text haben, ist der von W.
angenommene Urtext 'tf 3niT MDN1 iPHlP „Anhänglichkeit und
Treue liebt Gott" auf so komplizierte Weise gewonnen und so wenig
plausibel, daß man sich lieber auf ein non liquet zurückzieht.
So dankbar wir W. sind, daß er die Textkritik in
vielen Stücken über das Stadium des Experiments hinaus-
j gehoben hat, so muß doch gesagt werden, daß sein
| Rezept kein Allheilmittel ist, weil er nicht die ganze
i Fülle der Möglichkeiten ins Auge gefaßt hat.
Alle diese Bedenken können aber die Hochachtung,
ja Bewunderung nicht hemmen, die die umfassende Gelehrsamkeit
, der bohrende Fleiß und die erstaunliche
Geduld des Verfassers einflößen. Wer etwas Neues zu
sagen hat, hat das Recht, einseitig zu sein und seine
These zu überspitzen; und W. selbst wäre der letzte, der
sein Buch für abgeschlossen und kanonisch hielte (vgl.
die vielen Corrigenda und die Bemerkung S. XXVII).
In einem poetischen Buch des A. T. würde man erwarten
, auch die Metrik zur Textherstellung ver-
I wendet zu finden. W. sieht von ihr als textkritischem
Hilfsmittel bewußt ab (S. XXXIVf.): sie baue auf einem
mangelhaften Text auf und setze im allgemeinen die
mass. Aussprache und Grammatik als richtig voraus,
während die Untersuchungen des Eigennamenmaterials
und der Transkriptionen der G zeigen, daß in alter Zeit
andere grammatische Formen und Akzente vorhanden
waren. Diese Warnung eines so erfahrenen Kenners des
Transkriptionswesens ist aller Beachtung wert; wenn
wir auch von der hebr. Metrik schon manches wissen,
ist W.'s Urteil eine neue Mahnung zur Vorsicht in Textänderungen
„aus metrischen Gründen".
Alles in allem haben wir hier ein Buch vor uns,
das einen bedeutenden Fortschritt in der Methodik der
Textkritik darstellt, und dessen Studium niemanden ohne
Gewinn läßt. Darum sei zum Schluß die Frage nicht
unterdrückt, ob es nicht möglich gewesen wäre, durch
Weglassung des unnötigen lateinischen und vielleicht
auch des hebräischen Textes den Umfang des Werks
wesentlich zu kürzen und damit den Preis zu verringern.
Tübingen. W. Rudolph.
Peters, Rektor Prof. D. Dr. Norbert: Osee und die Geschichte.
(In: Verzeichnis d. Vorlesungen, die an der Bischöfl. philos.-thejl
Akademie zu Paderborn während des Winterseinesters 1924/25 gehalten
werden.) Paderborn: Bonifacius-Druckerei 1924. (VII, 52 S.)
gr. 8°. Rm. 2—.
Der Grundgedanke der Abhandlung ist richtig.
Hosea ist nicht bloß eine Quelle ersten Ranges für die
Geschichte Israels im 2. und 3. Viertel des 8. Jahrh.,
sondern auch ein wichtiger Zeuge für die Geschichte der
älteren Zeit, selbst seine Zukunftsweissagungen sind
ein Spiegel der geschichtlichen Vergangenheit. Von diesen
Grundsätzen aus durchmustert Verf. das Hoseabuch
als Nachrichtenquelle für die Urgeschichte, die Väterzeit,
die Mosezeit usw. Den Einzelnachweisen schickt er
einige gesunde Sätze über textkritische Methode voraus
und weist es mit Recht als ungeschichtlich ab, den Text
nach einer vorgefaßten Meinung zu ändern. Die Auslegung
ist im einzelnen wertvoll und eigenartig; man
wird z. B. die Exegese des Verf. von Kp. 12 oder von
6, 5 nicht ohne Gewinn lesen. An der Gesamtverwendung
des Hoseabuches als Geschichtsquelle habe ich jedoch
zweierlei auszusetzen. Ausgangspunkt ist für den