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Ausgabe:

1926 Nr. 8

Spalte:

239

Autor/Hrsg.:

Hoffmann-Erfurt, Arthur (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Literarische Berichte aus dem Gebiete der Philosophie. Heft 4 1926

Rezensent:

Bruhn, Wilhelm

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Seite 1

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239 Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 8. 240

matischen Grundlegung, die bis in die kategorialen Ur-
funktionen hinein die ganze Philosophie unter das Ur-
phänomen der Praxis stellt.

Schwieriger ist es, auf die Frage des Theologen
zu antworten. Natorp hat bekanntlich mit Gogarten,
dem er sich tief verpflichtet wußte, sich resultatlos
auseinandergesetzt. Und die Art, wie Natorp Luthers
Glaubensbegriff in Kants Ideenbegriff wiedererstehen
läßt, wie er das ewige Menschwerden Gottes (vgl. bes.
345 ff.) inmitten der nie geendeten Tragik des Menschenlebens
, die er nicht verkürzt, einstehen läßt für
das volle Ja, für die Vollendung des ewigen Sinnes,
zeigt, daß die Philosophie auch hier nicht jenseits ihrer
selbst gelangen kann, daß sie an ihrer Grenze zwar
Gott alles in Allem und in Allen sein läßt, aber damit
ihn doch an ihre Grenze hinrückt und ihn für die
Vollendung einstehen läßt, die sie selbst nicht verantworten
kann. Mystik möchte ich freilich das nicht mehr
nennen, was ausdrücklich von sich abwehrt: „daß ich
mich vollendete, auch nicht in meinem Göttlichen. Denn
das Göttliche, Gott ist nicht mein. Das Umgekehrte aber,
daß Gott sich vollenden sollte in mir, wäre in jedem
Sinne Frevel." Aber daß überhaupt Gott in den Grenzen
einer philosophischen Darstellung genannt wird, in einem
von der Systematik aus sich bestimmenden Zusammenhang
genannt wird, ist vielleicht schon nicht
mehr zu verantworten. Daher würde ich allerdings hier
einen Punkt finden, in dem die Kontinuität des deutschen
Idealismus, vielleicht der deutschen Philosophie überhaupt
sich auswirkt.

Aber wenn so die zweite Frage nicht wie die
erste mit einer weiterführenden Antwort endet, dann darf
sie abschließend doch wohl durch eine fernere Frage
ergänzt werden, ob denn Schweigen an diesem Punkt
besser ist als Reden; ob überhaupt der Mensch als philosophierender
Mensch verstummen kann, wenn er sicli
vor eine Grenze gestellt findet, deren er nicht mehr
mächtig ist. Vielleicht weist diese Situation darauf hin,
daß irgendwo die Philosophie nicht richtig zu fragen
begonnen hat. Das darf jetzt auf sich beruhen bleiben
; es ist durchaus denkbar, daß Natorp in der Folge
seiner unabgeschlossenen Entwicklung selber in einem
weiteren Ganzen der Philosophie zu einem andersartigen
Reden von Gott gekommen wäre. Aber das Menschenleben
wird an einem bestimmten Zeitpunkte vollendet,
indes das Philosophieren weitergeht. Wer daher in der
Sprache der Philosophie Zeugnis ablegt, ist bisher und
wird vielleicht auch in Zukunft der Versuchung erliegen
, in der Unangemessenheit seiner Rede von dem
Vollendeten zu sprechen. Von Natorp darf man dabei
sagen, daß er die in solcher Rede sich vollziehende
Krisis der Philosophie mit der unbeugsamen Ehrlichkeit
seines Glaubens an den Menschen auf sich genommen
hat. Der Philosoph kann dem Theologen keine Antwort
geben, aber auch der Theologe dem Philosophen
nicht. Und sie können doch nicht aufhören, sielt in
der Wirklichkeit nach ihren Kräften auseinanderzusetzen.

Gerade von dieser Seite her sollte auch die systematische
Theologie, durch die Auseinandersetzung mit
diesem Spätwerk Natorps, für ihre eigne Klärung gewinnen
können.

Bremen. Hinricli Knitter m eye r.

Literarische Berichte aus dem Gebiete der Philosophie.

Hrsg. v. Arthur Hoffmann - Erfurt. Heft 4. (Herbst 1924.)

Erfurt: K. Stenger 1924. (55 S.) gr. 8".
Auch dieses Heft erweist wieder durch seine Reichhaltigkeit die
Notwendigkeit und das Verdienst des Unternehmens, einen fortlaufenden
umfassenden Überblick über die Neuerscheinungen der
philosophischen Literatur zu bieten. Es bringt Sammelberichte von
Koppelmann über Ethik, von Kremer über Erkenntnis und Leben,
Sellien über Relativitätstheorie, Leisegang über die hellenistisch-
römische Philosophie und die Patristik, Mulert über Schleiermacher
und Fritzsch über Herbart bis Fechner. Angeschlossen sind Verzeichnisse
der deutschen philosophischen Neuerscheinungen von Januar
bis Juni 1924 und der italienischen von 1923.

Kiel. W. II r uhn.

Steinmann, A., Dr., Prof., Die Bergpredigt.

Exegetisch- homiletisch erklärt. (Predigt-Studien
8. Band.) VIII, 220 S. gr. 8°. Mk. 6,60, geb. Mk. 8,40.
Des Verfassers Bestreben war, nicht nur den wissenschaftlichen
, sondern auch den praktischen Bedürfnissen
der Prediger und Seelsorger zu dienen.

Gelselmann, Jos., Dr., Privatdozent an der Universität
Tübingen, Die Eucharistielehre
der Vorscholastik. (Forschungen

z. christl. Lit.- u. Dogmengeschichte XV. 1.—3. Heft.)
VIII, 459. S. gr. 8° Mk. 24,- Das Werk ist in gewissem
Sinne eine Fortsetzung der Eucharistielehre des hl.
Augustinus von Professor Adam.

--Studien zu frühmittelalterlichen

Abendmahlsschriften. 91 s, ki.s». Mk 5,60

Verlag von Ferdinand Schöningh, Paderborn

Soeben erschien:
Oberkonslstorialrat und Domprediger

Wilhelm Richter, Um hohe Ziele.

Evangelische Betrachtungen.

Gr. 8". 170 S. holzfr. Papier. Blau gebd. m. Goldaufdr.
Preis Mk. 4.50, Fein geh. 3.50.
Inhalt: Erfahrungsglaube Innerlichkeit / Auf zur Tat! / Reich

sein in Gott 1 / Lebensideal / Zum Herrn I u. a.
Diese Betrachtungen, ohne jede Künstelei reich an klaren
und tiefen Gedanken, überragen weit den Durchschnitt.
C. Ed. Müller's Verlag (Paul Seiler), Halle (Saale).

In Kürze erscheint:

Die Innenstadt von Babylon

(Merkes)

Von Dr. OSCAR REUTHER

Professor a. d. Techn. Hochschule in Dresden.

4t. Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen
Orient-Gesellsdiaft.
Das Werk gibt den ausführlichen Bericht über die Ausgrabungen
auf dem von den umwohnenden Arabern als
„Merkes" bekannten Teil des Ruinenfeldes von Babylon, der
ein Stück der Wohnstadt umfaßt. Die Grabungen haben
hier in ältere Schichten geführt, als sie sonst in Babylon
erreichbar waren und einen Einblick in die Stadt der
Chammurabi-Zeit und der nachfolgenden Perioden eröffnet.
Hauptsächlich ist es aber das Babylon Nebukadnezars, das
mit zahlreichen Wohnhäusern, einem Tempel und einem
großen Teil des Straßennetzes ans Licht gekommen ist und
ein klares Bild der Stadt des 6. Jahrhunderts und überhaupt
eines babylonischen Stadtgefüges in einer Vollständigkeit
vor Augen führt, wie es bisher noch bei keiner Grabung
auf babylonischem Boden gewonnen werden konnte. Der
zweite Teil des Werkes behandelt die Gräber, die in den
Ruinen der Häuser gefunden wurden. Zum ersten Male
werden die Bestattungsformen in ihrem Wandel durch nahezu
zwei Jahrtausende in lückenloser Aufeinanderfolge vorgeführt
. Die merkwürdige Vielseitigkeit der Totenbräuche,
die an anderen Ruinenstätten des Zweistromlandes beobachtet
worden ist und vielleicht mit dem Wechsel in der Zusammensetzung
der Bevölkerung zusammenhängt, hat sich auch
für Babylon selbst bestätigt.

Etwa 272 Seiten Text. Mit 120 Abbildungen im Text
und 95 Tafeln. 4°.

Preis brosch. etwa Mk. 200 - 250. Wird auch geb. geführt.
Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung, Leipzig

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 1. Mai 1926.

Verantwortlich: Prof. D. E.Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.