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Ausgabe:

1926 Nr. 8

Spalte:

222-223

Autor/Hrsg.:

Held, Hans Ludwig (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Angelus Silesius. Sämmtliche poetische Werke. In 3 Bdn. 2., erw. u. verb. Aufl 1926

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 8.

222

Form (S. 26). Die erste Materie ist die Substanz der
Dinge, weil sie in potentia alle Dinge enthält, so wie
das Ei das Lebewesen potentiell enthält (S. 32). Das
Sein der Materie ist anfangslos, da sie die Möglichkeit
zu sein ist (S. 33); sie ist an sich ewig (S. 33), sie
existierte in ihrem potentiellen Sein stets in der Weisheit
des Schöpfers. Ebenso die Form (S. 34). Dagegen begann
das aktuelle Dasein beider in dem Zeitpunkt da
Gott sie aus dem Nichts schuf, indem er sie (in ihrer
Gegensätzlichkeit) verband (S. 34). Die erste Materie
und die erste Form haben allein ein Sein durch
Schöpfung (S. 36). Alles Uebrige dagegen hat ein Sein
durch Verbindung dieser oder durch Zeugung oder
Vermischung von erzeugten Wesen (S. 36). Die erste
Materie ist nicht identisch mit dem Chaos (S. 38). D i e
Form ist gewissermaßen das männliche,
die Materie das weibliche Prinzip (S. 39).
Die Schöpfung ist nichts anderes als das Hervorgehen
der Form aus der Weisheit und dem Willen des
Schöpfers und ihre Verbindung mit der Materie (S. 40).
Als Substanz ist die Materie ei ne (S. 41).

Die Form kann geistig, körperlich oder ein Mittelding
zwischen beiden sein (S. 42). Auch die Seele
des Menschen und des Engels setzt sich
aus Form und Stoff zusammen. Weder die
körperliche noch die unkörperliche Substanz kann zerstört
werden (S. 46).

Die Schrift des Gundissalinus stellt eine Kompilation
dar, in der die damalige Literatur über die Entstehung
der Welt in freier Weise verarbeitet ist.
G. Bülow hat sie in einer allen Anforderungen genügenden
, mit Varianten- und Zitatenapparat versehenen Ausgabe
der Allgemeinheit zugänglich gemacht.
Rinderfeld O./A. Mergentheim. Walter Betzendörfer.

Blätter für württb. Kirchengeschichte. Im Auftrag des Vereins

für württb. Kirchengeschichte hrsg. v. Julius Rauscher, Stadtpfarrer in

Tuttlingen. Neue Folge, XXIX. Jahrg. 1925, Heft 3/4. Stuttgart
: Chr. Scheufeie. (S. 129—252) 8°.

Fr. Fritz gibt das erste Stück einer großen Arbeit:
Die württembergischen Pfarrer im Zeitalter des dreißigjährigen
Kriegs, das er aber von 1600—1675 bis zum
Eindringen des Spenerischen Pietismus erstreckt. Im
ersten Kapitel „Die geistige Welt der Pfarrer" behandelt
er zuerst den Glauben. Als Quellen benützt er
vorzugsweise Predigtbücher und Leichenpredigten, aber
auch sonstige theologische Schriften z. B. von dein
zufrühverstorbenen Sylvester Eckhard. Die Grundlage
des Glaubens der Pfarrer jener Zeit ist die Rechtfertigung
, tiefer Sündenschmerz und Trostgefühl, das
sich ins Kreuz schicken und sich auch auf den Tod
freuen kann. Geschmacklosigkeiten finden sich nur in
den Predigten Christmanns. Sehr zu beachten ist, daß
die württembergischen Theologen, voran der streitbare
Thumm, dem Hexenwahn feindlich gegenüberstehen.
M. Leube stellt die weltlichen Ausgaben des alt-
württembergischen Kirchenguts zusammen. Vgl. die Zusammenstellung
S. 199. Es ist merkwürdig, was für die
fürstliche Jägerei auf Grund der Jägeratz und Hund-

d.er einstigen Klöster, für den Straßenbau und
die Bibliothek, für die Hofmusik usw. gegeben werden
mußte. Besonders der launische Herzog Karl
Eugen erlaubte sich starke Eingriffe in das Kirchengut.
J. Rauscher behandelt „das altwürttembergische Kirchen-
gut und die in fremder Besoldung stehenden Pfarreien
''. Es handelt sich um die nicht vom Kirchenrat zu
besetzenden und vom Kirchengut besoldeten Pfarreien,
die etwa den sechsten Teil der 648 Pfarreien des Herzogtums
ausmachen, und eine Zulage zur Hauptbesoldung
bei der Geldentwertung oder Unterstützung bei
Unfällen oder Pfarrhausbauten erhielten. Rauscher
zeigt, wie die kirchlichen Behörden diesen Pfarreien
es mTht an Hilfe fehlen ließen, außer in den Zeiten, da
das Kirchengut ganz verarmt war, in Kriegszeiten oder
durch Eingriffe des Landesfürsten. G. Bossert beginnt
mit der Veröffentlichung von Brenzbriefen und
gibt auch eine unbekannte Predigt von Brenz aus der
Passionszeit von 1547, die er dem Regensburger Stadtarchiv
entnehmen konnte, und die schon den Ansatz
der Ubiquitätslehre zeigt.

Stuttgart. O. Bossert.

Ahle mann, Pfarrer Joachim: Das Würfelspiel auf dem Haushammerfelde
. 15. Mai 1625. Eine Dreihundertjahrerinnerung. Berlin :
Verlag des Evangelischen Bundes 1925. (14 S.) 8°. = Treu dem
Evangelium, Heft 6. Rm. —25.

Am 16. Mai 1625, genau hundert Jahre nach der
Schlacht bei Frankenhausen, wurden auf der Anhöhe
des Haushammerfeldes siebzehn Führer der oberösterreichischen
evangelischen Bauern von dem bayrischen
Statthalter Graf Adam Herberstorff zur Hinrichtung
durch Erhängen verurteilt. Ein Jahr später loderte der
oberösterreichische Bauernkrieg von 1626 auf, und Ahlemann
betont mit Recht, daß er in erster Linie ein Kampf
um die Glaubensfreiheit, eine Verzweiflungsabwehr der
jesuitischen Gegenreformation war.
Zwickau i. S. O. Clemen.

Angelus Sllesius. Sämtliche poetische Werke. In 3 Bdn.lHrsg. u.
eingel. v. Hans Ludwig Held. 2., erw. u. verb. Aufl. München:
Allgemeine Verlagsanstalt 1924. (357 S. m. Abb., Faks. im Text
u. auf Taf., 391 u. 361 S.) 8°. Lwd. Rm.20-; Hldr. 2S-; Perg. 45-,

Diese Ausgabe bietet im zweiten Bande die
Jugend- und Gelegenheitsgedichte und die
Heilige Seelenlust (nach der 2. Aufl.); im dritten
Bande den Cherubinischen Wanders-
mann (nach der 1. Aufl., unter Hinzufügung des
6. Buchs der 2. Aufl.), sowie die Sinnliche Beschreibung
der letzten Dinge (nach der Ur-
aufl.). Vorreden und Anmerkungen Schettlers sind weggelassen
; ein Variantenapparat da, wo zwei vom Autor
herrührende Auflagen bestehen, ist nicht gegeben. Der
erste Band enthält eine Lebensbeschreibung nebst
literarhistorischer Analyse der Hauptschriften (S. 1
bis 121), Anmerkungen dazu (S. 123—216), und einen
Anhang von Urkunden (S. 217—354). Die Urkunden
und die Anmerkungen bringen u. A. die Vorreden und
Anmerkungen Schefflers nach, vermitteln auch Bekanntschaft
mit den allerwichtigsten Unterschieden der Auflagen
. Sonst ist das Wichtigste aus den Urkunden der
Abdruck der „Gründlichen Ursachen und Motive" von
1653 (I 235 ff.). Zahlreiche Bild- und Facsimilebeigaben
erhöhen die äußere Schönheit der gut ausgestatteten
Ausgabe.

Es ist mit diesem Berichte schon gesagt, daß die philologischen
Rücksichten dem Herausgeber erst in der zweiten Linie gestanden sind.
Da die Urkunden kein besonderes Inhaltsverzeichnis haben, auch unterrichtende
Notizen nur teilweis geben, die Anmerkungen vollends unübersehbar
sind und doch auch ihrerseits wichtiges Urkundliche enthalten
, so kann man, wenn man etwas Bestimmtes, das man in der
Ausgabe gelesen zu haben ineint, sucht, eine ebenso zeitraubende wie
wenig unterhaltende Jagd durch den ganzen ersten Band anstellen.
Mit der Ausgabe Ell inger's 1924 kann also diese hier in philologischer
Hinsicht den Vergleich nicht aushalten, so reich und (innerhalb
der von ihr selbst sich gesteckten Ziele) auch zuverlässig sie an
sich ist.

Ähnlich Widersprechendes ist über die in Lebensbeschreibung
und Anmerkungen des 1. Bandes enthaltenen
Forschungen H.'s zu sagen. Einerseits, es
fehlt H. nicht an philologischem Sinne. Nicht nur,
daß Ellinger's Forschungen berichtet und im einzelnen
bereichert und fortgeführt werden, — auch ganz eigne
Entdeckungen sind H. gelungen. Er hat z. B. katholische
Gesangbücher, welche für die Sinnliche Beschreibung
der letzten Dinge Muster und Vorbild abgegeben
haben, nachgewiesen. Anderseits geht H.
der historische Sinn und die strenge Methode ab. Ich
gebe für dies Urteil zwei Proben.

») Die schlesische Gegenreformation am Ende des dreißigjährigen
Kriegs, in der Scheffler einer der Führer gewesen ist (er hat die Breslauer
öffentliche Fronleichnamsprozession 1662 erkämpft und in ihr