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Ausgabe:

1926 Nr. 8

Spalte:

211-212

Autor/Hrsg.:

Wreszinski, Walter

Titel/Untertitel:

Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte. II. Teil, Liefg. 2 - 7 1926

Rezensent:

Löhr, Max

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Seite 1

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211

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 8.

212

Weise ein atheistisch-materialistisch (d. i. zuoberst ökonomisch
-kulturell) und doch auch irgendwie idealistisch
(altruistisch) fundiertes Gesellschaftssystem für
die „ganze" Erde zu schaffen, aufgegriffen hat.
Man möchte geradezu denken, daß Lenin sich an D.'s
„Großinquisitor" gebildet habe.

Das Werk von M. Paleologue, das ich oben an
letzter Stelle genannt habe, gehört natürlich nur in sehr
relativem Maße in eine Zeitung, wie diese hier. Ich
mache doch auf es aus drei Gründen eigens aufmerksam
: 1. Es enthält soviele Stimmungsbilder aus dem
religiösen „kirchlichen" Petersburg der Kriegszeit, macht
so deutlich die faszinierende „Gewalt" des orthodoxen
Kultus (zumal seiner Musik) über die Herzen klar, daß
es ganz eigentümlich hilft, auch die „Philosophen" des
„östlichen Christentums" zu verstehen. 2. Erschütternd
ist, zu lesen, wie degenerierend dieses Kirchentum
auf Konvertiten, die vom Protestantismus herkommen
, wirkt: die deutschen Prinzessinnen, die arme kranke
Kaiserin vorab, sind alle seelisch haltlos, abergläubisch,
zum Teil sittlich roh (ich weiß, was solch ein Ausdruck
bedeutet) geworden, indem sie ihr Kirchentum verließen
. 3. Über den Staretz R a s p u t i n erfährt man
Dinge, die einem fast das Blut erstarren lassen, wenn
man denkt, daß er als „Heiliger" sich aufspielen durfte,
dafür auch von „Frommen" anerkannt wurde. Am
Zaren fällt auf der fanatische Fatalismus, der ihn
innerlich am tiefsten beherrschte. Ist das auch eine Wirkung
des „Dogmas"? Der Zar war ja nicht „Denker",
er war eine kleine enge Seele, geistig hilflos, dabei erfüllt
von dem Bewußtsein, seinerseits „unterGott"
für sein Volk „unbedingt" der Herr zu sein, einfach
„Unterwerfung" fordern zu dürfen. Sah er in dem
Gotte des für ihn unverständlichen Dogmas auch
nur den „Zaren" Himmels und der Erden? Und meinte
er so seinem Volke Zarentreue vorzuleben?! Aber wer
von uns ergründet eine Zaren seele?

Halle a. S. F. Kattenbusch.

Wreszinski, Walter: Atlas zur altaegyptischen Kulturgeschichte
. II. Teil. 2—7. Lfg. Leipzig: J C. Hinriclis 1925.

Rm. 140.40.

Von dem 2. Bande dieses Werkes, über dessen i.
Lieferung in dieser Zeitung 1924 Sp. 553 referiert ist,
hat der Verf., bevor er zum Zwecke der Weiterfüh-
rung und Vollendung des Atlas seine Expedition nach
Aegypten antrat, noch Lieferung 2—7 herausgebracht.
Weitere Lieferungen werden erst nach der Rückkehr erscheinen
. Da mit dieser Publikation sowohl ein hervorragendes
Denkmal deutscher wissenschaftlicher Arbeit
wie auch ein ungemein wertvolles Quellenwerk für die
gesamte vorderasiatische — nicht nur ägyptische —
Kulturgeschichte geschaffen ist und wird, so wünschen
wir dem Verf. nebst seinen Mitarbeitern von Herzen,
daß er bei seiner neuen Expedition von Erfolg begleitet
sei und in Gesundheit heimkehren möge, um
seine Ausbeute mit Muße in der begonnenen Weise verarbeiten
zu können. — Die Lieferungen enthalten abgesehen
von einigen Stücken aus dem alten Reich in der
Hauptsache Schlachtenbilder und damit Zusammenhängendes
von Thutmosis III, Haremheb, Sethos I, Ramses
II und III aus deren Kriegen gegen die Chatti, Syrer
(Amoriter), Seevölker, Beduinen, Lybier und Neger.
Auch hier wieder wird uns eine Fülle von kulturgeschichtlichen
, ethnologischen und historisch-geographischen
Details geboten; wie z. B. Kleidung und Bewaffnung
der Beduinen, Volkstyp der Philister, Stadtbilder
usw. Leider muß aber dabei manche Frage, die unsre
Wißbegier stellt, unbeantwortet bleiben. Das gilt nicht
nur von zahlreichen Abbildungen von Pflanzen (und
Tieren), welche Thutmosis III. aus Palästina-Syrien
mitbringt. Keimer bemerkt dazu Taf. 33 A. 1: „Die
Zeichnungen sind im allgemeinen derart, daß man nicht
annehmen kann, Thutmosis III. habe Skizzen auf seinen
Eroberungszügen von den einzelnen Pflanzen an Ort und
Stelle entwerfen lassen, die den Zeichnern in Theben

zum Vorbilde hätten dienen können. Bei den wenigen
besonders deutlich gezeichneten (Arum, Iris, Dracun-
culus, Calenchoe, Punicafrüchten) kann und muß man
annehmen, daß dem Zeichner in den Gärten Thebens
die Möglichkeit geboten war, sie richtig aufzufassen."
Es gilt auch von einer Reihe von Namen belagerter
bzw. eroberter Städte, wie „die Stadt Kanaans" Taf.
39; die Städte Sabat und Akat Taf. 56; Jai Taf. 54;
Mutir Taf. 71; endlich eine Stadt namens Qadesch
Taf. 53, die schwerlich mit der gleichnamigen Stadt
am Orontes identisch ist. Verf. vermeidet hier wohlweislich
einen Identifizierungsversuch. Auch wird man
bei einem solchen die Möglichkeit nicht außer Acht
lassen dürfen, daß die hier genannten Städte vielleicht
im A. T. garnicht vorkommen. Beachtenswert aber erscheint
mir, daß bei mehreren Stadtbildern in der Nähe
der Stadt und auf dem Hügel, auf dem diese liegt,
Baumbestand — um das Wort „Wald" zu vermeiden —
dargestellt ist. (Der Hirt treibt dahinein das Vieh, um
es vor dem beutegierigen Feinde zu retten.) Die heutige
Holzarmut von Palästina-Syrien, die von manchen
gern auch auf die altisraelitische Zeit des Landes übertragen
wird, dürfte für die hier in Betracht kommende
2. Hälfte des 2. vorchr. Jhrt.'s wenigstens noch nicht
vorhanden gewesen sein. Bedeutsam in dieser Hinsicht
ist ganz besonders Taf. 65 (aus der ersten Hälfte des
13. Jh.'s). Diese Tafel ist übrigens mit ihrer realistischen
Darstellung der Verwüstungen des Krieges, der
ja auch bei uns heute noch vielen als Zeichen höchster
Kultur gilt, ebenso wie Taf. 72 — ebenfalls wieder
ein Schlachtenbild — mit ihrem Gewirr von Ueber-
schneidungen für die ägyptische Kunstgeschichte von
besonderem Wert.

Königsberg l'r. Max Lohr.

Haas, Prof. D. Hans: Bilderatlas zur Religionsgeschichte.

In Zusammenarbeit mit anderen hrsg. 2.—4., 5., 6. imd 7. Lfg
Leipzig: A. Deichert 1924 u. 1925. (VIII S. Text u. 166 Abb. auf
60 Taf; II S., 8 Bl. Abb.; VI S., 16 Bl. Abb. u. XII S„
21 Taf.) 4°. Lfg. 2—7: Rm. 18.30.

Die 1. Lieferung dieses Bilderatlas habe ich hier
vorvoriges Jahr (Sp. 529 ff.) angezeigt und bei dieser Gelegenheit
seinen hohen Wert im allgemeinen hervorgehoben
. Seitdem sind 6 weitere Lieferungen erschienen,
die in ihrer äußeren Ausstattung jene 1. übertreffen;
man kann sich nirgends mehr über Undeutlichkeit der
Abbildungen beklagen. Im einzelnen beschränkt sich
Zimmern, der die Religion der Hethiter bearbeitet hat,
von einer Karte von Kleinasien und Nordsyrien abge-
I sehen, auf Darstellungen, die unmittelbar die Religion
betreffen, während Bonnet, Landsberger und Karo, die
die ägyptische, babylonisch - assyrische und ägäische
Religion illustrieren, auch Abbildungen und Pläne von
Tempeln, Palästen oder Grabanlagen, sowie Schriftproben
bringen. Doch ist alles, was dargeboten wird,
wirklich für die Religion, nicht bloß für die Kunst und
sonstige Kultur der betr. Völker wichtig.

Im einzelnen ist die ägyptische Religion naturgemäß besonders
j eingehend behandelt worden; sie liefert ja unter den bisher berücksichtigten
bei weitem das reichste Material. In der Einleitung
betont B. namentlich ihre Nichteinhcitlichkcit, aus der sich wohl
auch die verschiedenen Auffassungen des Osiris erklären; von Mysterien
desselben sollte vielleicht, da das erfahrungsgemäß immer wieder
zu Mißverständnissen führt, lieber nicht gesprochen werden.

Z. behandelt nur die Religion der von ihm sogenannten Bilder-
Hethiter, d.h. diejenige, die sich aus den vielfach mit einer eigenartigen
Bilderschrift versehenen Felsskulpturen und entsprechenden
Kleinfunden ergibt, glaubt aber wohl, daß sie im allgemeinen mit der
der „Keilschrift-Hethiter", die wir schon aus ägyptischen Inschriften
und bildlichen Darstellungen kannten und jetzt aus den in Boghazköi
gefundenen Urkunden immer besser kennen lernen, identisch war.
Wenigstens weist er darauf hin, daß die Verbindung des Königs mit
dem Wettergott, wie sie in einer Felsnische bei Jasylykaja dargestellt
ist, auch in dem hieroglyphischen Ramses - Chattuschil - Vertrag erscheint
.

L. erinnert zunächst daran, daß fast alle Reste der religiösen
Kunst der Babylonier und Assyrcr praktischen Zwecken gedient haben,
unterscheidet dann mehrfach verschiedene Perioden in der Entwick-