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Ausgabe:

1926 Nr. 8

Spalte:

201-211

Autor/Hrsg.:

d‘Herbigny, Michel

Titel/Untertitel:

Orientalia Christiana. Vol. III, 1 = Num. 11: L‘âme religieuse des Russes d‘après leurs récentes publications. I et II 1926

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 8.

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( ...) gedruckt, während da im Texte keine Lücke ist; das Gleiche
gilt von S. 217; S. 225 konstatiert zwar die Anmerkung „a gap",
aber im Texte fehlen die bei Bedjan (312) und Natt (190) sich findenden
Punkte; S. 100 werden mit Bedjan (235) und Nau (142) die
Punkte gesetzt, und doch die Bemerkung gemacht ,,there is appa-
rently a lacuna"; umgekehrt bleibt es, weil jede Anmerkung fehlt,
undeutlich, ob die Ihinkte am Ende der Zitate auf S. 316 und 318, die
auch bei Bedjan und Nau sich finden, auf eine Lücke hindeuten sollen,
oder, wie ich meine, nicht. — Die Übersetzungs-Anmerkungen entziehen
sich zumeist meinem Urteil. Das aber vermag ich festzustellen,
daß z. K. die Anmerkungen zu „friendly Conference" (S. 280):
„Literally »a Conference of love«" und zu „wholly attained" (S.
358): „Literally »attained wholeness«" überflüssig sind; und zu der
Anm. 2 auf S. 49: „Syr. gabhrä = vir rather than homo" ist
zweierlei zu sagen: erstens, daß sie wohl nur daraus sich erklärt, daß
Nau (S. 46) mit der französischen Bibel (Joh. 1, 13) „de l'homme"
übersetzt, und zweitens, daß sie recht unnötig ist, denn daß „hommes"
„Männer" heißt, kann man in Frankreich selbst en passant lernen.

Die Appendices III („The word ngotmirov", S. 402—410) und
IV (The Metaplasie of Nestorius, S. 411—420) will ich nicht eingehender
besprechen. Die erstere nimmt die Aufgabe viel zu leicht
(vgl. das von mir | Nestorius and his place S. 76, Anm. 4] genannte,
also dem Verf. dieser Appendix dein Titel nach hekannt gewordene,
wenn auch nicht ausreichende, so doch lehrreiche Buch von Schjoß-
mann) und fördert sie m. E. nicht. Die zweite (abgedruckt aus dem
Journal of theol. Studies XIX, 1917, S. 46—56) gibt eine so einfache
(Ober die Schwierigkeiten hinwegturnende und m. E. unhaltbare) Deutung
der Christologie des Ncstcrius (S. 416: nQi'mmnnv is a real dement
in tbe being of a thing etc.; therc is [bei Nestorius| a real
metaphysical unity), daß Verfasser (L. Hodgson) am Schlüsse (S.
4118 ff.)^ wenn mein Eindruck nicht falsch ist, selbst ihr Fiasko hat
feststellen müssen. Es tut mir leid, daß H. sich „abgearbeitet" hat
(„struggling", S. 417), um meine Auffassung der Christologie des
Nestorius zu verstehen; aber ich kann sie gegen die seinige nicht eintauschen
, und Harnacks völlig zustimmende Anzeige meines Buches
(in diese! Ztg 1914, Sp. 301) ist mit ihren glücklichen Formulierungen
für H. vielleicht verständlicher, als meine langen Ausführungen
. An Zustimmung wird ihn freilich auch da wohl seine
Metaphysik hindern. Ihm ist der „eine Mittler" der Garant einer
„real union" (wie vieldeutig ist der Begriff!) zwischen den „utterly
opposed uvaini. godhead and manhood" (S. 419). „Here lies", so sagt
er (S. 419), ,,the importance of Christ for metaphysics: godhead und
manhood finding their oneness in Hirn. He is thus the guarantee of the
rationality of the universc". Daher fühlt dieser Schüler der alten
Alexandriner sich erhaben über jede Diskussion der „curious notion
that any non-metaphysical Christology can be satisfactory" (S. 411).
Möge er glücklich sein und bleiben in seiner yi""oi^! Aber er möge
auch denen, die anders denken, zutrauen, daß sie zu unterscheiden
wissen zwischen dem Geheimnis des metaphysischen Hintergrundes
der Erscheinung Jesu Christi und einer „metaphysical christ >logy",
d. h. einer mit metaphysischen Begriffen, zumal denen des 5. Jahrhunderts
, aufgebauten! — Zur Sache bemerke ich nur, daß für
Nestorius das eine ntiiiamnov rr/c iwoaB'iK der geschichtliche (und

3. Fischer, Prof a.D. D. Paul: Dostojewski. Sein Glauben,
Hoffen, Lieben, dargestellt. Stuttgart: J. F. Steinkopf 1925. (158 S.)
8". geb. Rm. 3.50.

4. Berdjajew, N.: Die Weltanschauung Dostojewskijs.
München: C. H. Beck 1925. (IX, 209 S.) Rm. 3.50.

5. Jung, Franz: Das geistige Rußland von heute. Berlin.
Verlag Ullstein. (142 S.) kl. 8°. = Wege zum Wissen.

Rm. -85; geb. 1.35.

6. Paleologue, Maurice: Am Zarenhof während des Weltkriegs
. Tagebücher und Betrachtungen. 2 Bde. München: F.
Bruckmann 1925. (479 u. 506 S.) Rm. 18-; geb. 22-.

Es ist erstaunlich, welches Interesse zur Zeit Rußland
, das „geistige" Rußland, bei uns findet. Ist es
das wert? Gewiß, es gibt da für den Beobachter, den
„westlichen" Menschen, viele Rätsel, ganz eigentümliche
Reize, Lockungen und Schrecknisse, wo immer
man anfängt einzudringen. Aber nicht vielleicht mehr im
Anfang, als bei Fortsetzung? Geht es einem mit der
Zeit nicht ein wenig wie beim Bild von Sais? Verhüllt
ist Rußland eine Art Sphinx. Bleibt der Eindruck, daß
es eine wahre Größe sei, wenn die „Entdeckung"
weiter geht als ein Zupfen an dem Schleier? Wenn
man ihm ernstlich in's Auge schaut? Ich möchte nicht
mißverstanden werden, als ob ich die Aufmerksamkeit
von Rußland ablenken wollte. Praktisch ist es ja kaum
ernst genug zu nehmen. Ich meine politisch und sozial.
Gefährlich ist es sicher. Auch verheißungsvoll? Birgt
es mehr an Jammer oder an Segen für kommende
Zeiten, das Menschengeschlecht der Zukunft? Ist sein
Volk in seiner Revolution ein Typus kommenden höheren
Menschentums? Oder zeigt es da nicht vielmehr
atavistisches, vielfach noch primitives Wesen? Steckt
etwa ein „Riesengeist" in ihm, der nur lange „versteinert
" gewesen mit seinen „Sinnen" und jetzt endlich
sich „schüttelt und reckt", wo er dann uns, die Menschen
des Westens, des „alten" d. h. historischen „Europa
" plötzlich schier überwältigt, klein, bescheiden
macht vor uns selbst. Ich nehme die Frage unbedingt
ernst, ich spiele nicht mit ihr, ich frage nur auch: ist
die Frage nicht letztlich ein Symptom dafür, daß wir
uns selbst nicht genug kennen, unsere Art vorerst doch
noch zu wenig intim belauscht haben? Hat Rußland
größere Männer, größere Frauen hervorgebracht als
der „Westen"? Stellt es solche, der Wahrscheinlichkeit
(sagen wir etwa: der Hoffnung) nach in Aussicht
? Zweierlei ist auseinander zu halten: was psychische
Sonderart des Russen ist und was durch ihn spezierhöhte
) Christus ist, der Mensch, in dem Gott (der Logos) sich offen- j fischen Wert in der Geschichte gewonnen hat oder zu

harte (vgl. üb. Herac. engl. S. 253 u. ö). Schwierigkeiten bereitet | gewinnen vermöchte, bei letzterem wieder, was im

.hm, dem Nicaener, dabei der metaphysische Sohnesbegriff. Er hat j Qrunde fü,. dcn Osten" allein taugt, Und W3S für den

sich bemüht, die övac vimv, die er stets verworfen hat, konstruktiv i ,v, . , d i j i r><. r-. n

zu vermeiden, ob ihm das ganz gelungen ist, will ich hier nicht i o Westen" mit von Belang werden kann „muß". Daß

untersuchen. Aber darauf will ich (unter Benutzung der noch heute der ! der Russe „anders ist als Wir, die Germanen, die
Forschung zu empfehlenden Übersetzung Nau's) hinweisen, daß im Romanen, die Kelten, das ist bald klar ZU machen und
Liber Heraclidis sich mehrfach noch die ältere Gestalt der Tradition gewährt viel neues Material für die ethnologischen Proverrät
, in der Nestorius stand, die Tradition, nach der erst der ge- bleme. „Der Russe" — Schon im Begriff selbst muß
schichtliche Christus, vermöge, der Einheit mit Gott, der doch unterschieden werden: der G r o ß russe darf mit
ii ?vltS ""Ii. , . n. . -M-ut f.nhe dem Klein russen, der von Moskau mit dem von Kiew

„II s est servi d'unc part de la nature de la divinite et d autie „;,.|,i „i,„„ .. a___~ j j

Part du prosöpon du Fi i s" (Nau s. 56, englisch S. 59; vgl. s. "'^1° "f werteres zusammengenommen werden ; der

59, bezw. 62: „Pobeissance qu'eile [d i. die u<,9%}, <hvh,v] observait erstere hat starken finnischen und dazu (noch starker?)

dans le prosöpon du Fils"); und S.' 191 (engl. 216): „deux | tatarischen Einschlag, der letztere ist viel reiner „sla-

natures dans le seul prosöpon du Fils ...; il (Ambrosius) indique autre viscll", hat dazu eher Einschlag Vom Süden, Von „By-

chose par le prosöpon et l'essence..., Fun indique les natures et zanz" her. Achtet man erst auf die örtliche oder sonder-
i'autre le prosöpon du Fils". stammhafte Art der einzelnen hervorragenden Russen,
Hal,e a s- Friedrich Loofs. so drängt es sich einem auf, daß frühere „Wert-"
_______ urteile über das geistige Rußland noch sehr leiden

durch Mangel an Unterscheidung; manches „wirr'
Zur neuesten Literatur über Rußland. („zerrissen") erscheinende im „russischen" Wesen verteilt
sich ethnographisch und vereinfacht sich
in typischer Zwiehaftigkeit. Und im Vergleich mit
dem „Westen" muß das „anders" des Ostens vollends
geprüft werden! Der Neger ist auch anders als „wir",
das „anders" bedeutet nicht ohne weiteres ein „mehr",
nicht mal ein „ebensoviel". Die Frage der Wertab-

f ve." g' Hans: Östliches Christentum. Dokumente.
In Verb m. Nicolai v. Bubnoff hrsg. 2.: Philosophie. München:
C. H. Beck 1925. (XI, 412 S.) 8". Rm. 6- ; geb. 9 -.

2- d'Herb igny, Michel, S. J.. L'äme religieuse des Russes
d apres leurs plus Meentes publications. I.: Sous la perse"-
cution sov.ehque. II.; En emigration. Roma: Pontificio Istituto

Orientale. „ Ö^ S^) = (?dJ"talia Christitina, Vol. III, l: stufung, in bewußter Scheidung on~" der "des "bloßen

Nr. u. (Septembre-Novembre 1924.) | ethnisch-psychischen Sondertypus, muß aufgeworfen wer-