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Ausgabe:

1926 Nr. 7

Spalte:

181-182

Autor/Hrsg.:

Knieschke, W.

Titel/Untertitel:

Kultur- und Geisteswelt des Buches Hiob 1926

Rezensent:

Kuhl, Curt

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 7.

182

Gott wirklich zu Jeremia gesprochen hat, weil seine
Wahrheiten Wahrheiten sind, von denen die Menschen
leben; und die besondere Stellung der Bibel in der Welt-
Literatur erklärt sich daraus, daß sie immer wieder
Menschen mit dem Ewigen in Verbindung bringt in
einer sonst unerhörten Unmittelbarkeit und Gewißheit.
Mit dieser Feststellung, daß das Entscheidende nicht
die so oder SO geartete Beantwortung historischer und
psychologischer Fragen ist, sondern das Ethisch-Religiöse
, verhilft der Verf. nicht nur seinen Lesern zu einer
richtigen Stellung der Bibel gegenüber, sondern er fördert
auch das Verständnis Jeremias und der Propheten
überhaupt. Man mag es ihm darum zugute halten, wenn
er hier und da einmal die religiös-ethische Bedeutung
Jeremias überschätzt, indem er sie zu sehr dem Christentum
angleicht. Das scheint mir z. B. S. 145 der Fall
zu sein, wo gesagt wird, es sei „für Jeremia wie fur
jeden Schriftsteller im N.T." dies der Wille Gottes, daß
wir der guten Botschaft glauben und Kinder Gottes, des
Vaters im Himmel, werden sollten. Nein, das hat kein
Prophet des A. T. gesagt, auch Jeremia nicht, sondern
Jesus.

Halle (Saale). Otto Eißfeldt.

Knicschke, Lic. W.: Kultur- und Geisteswelt des Buches Hiob.

Berlin-Lichtcrfelde: E. Runge 1025. (111 S.) 8». = Zeit- U.

Streitfragen d. Glaubens, d. Weltanschauung u. Bibelfore.hung, XV.

Reihe. B.—12. Heft. Km. 1.00

An gelehrter und populärer Literatur über das Buch
Hiob und seine Probleme besteht wahrlich kein Mangel;
und doch ist noch immer eine Lücke vorhanden gewesen
, die das vorliegende Schriftchen aufs beste auszufüllen
sucht. Es war ein glücklicher Gedanke, daß Kn.,
zu seiner Studie wohl ausgerüstet durch eigene Anschauung
des hl. Landes und durch Kenntnis und Verarbeitung
der wichtigsten Literatur, das Buch Hiob einmal hineinstellt
in den großen Kulturzusaniinenhang der damaligen
Welt und auch die neuen archäologischen Ergebnisse
, Spruchweisheit usw. verwertet. So wird gehandelt
über Namen und Inhalt, Weisheit, Pessimismus,
Ethik, Sozialismus, Kultur, Weltbild und -anschauung,
das Poetische, Problem des Leidens, Leben nach dem
Tode und Komposition. Religionsgeschichtliches Material
, auch arabische Analogien, sind in weitem Umfange
mitgeteilt. Zum Namen ist noch zu verweisen
auf den Tel Nebi Ejjub östlich des Orontes, auf das
Heiligtum des Nebi Ejjub mit seiner Quelle (vgl. dazu
Qoran, Sure 38) südöstl. von Edessa, auf die sachrat
Ejjub, auf Sir 49, 9, das nicht Zitat aus Ez sein kann,
und auf den Sprachgebrauch abu Ejjub für das Kamel,
um seine Geduld zu charakterisieren. Zur Erklärung
von 2, 4 scheint mir jetzt Thilo (S. 76) auf richtigerem
Wege. 28, 28 hinter Kap. 27 und vor 28,1 zu stellen,
ist ein Versuch, es in den Zusammenhang als ursprünglich
einzuordnen. Bei der Beurteilung des Weltbildes
werden mehr, als es bisher geschehen, die mythologischen
Züge betont; besonders im Anschluß an Ed.
Stucken die Mondstationen in 38,5 ff. Das Problem
des Leidens findet nicht eine, sondern (in Auseinandersetzung
mit Sellin) mehrere Lösungen: als Strafe (4 bis
27), als Erziehung (32—37) bzw. Läuterung (33, 17ff.;
36, 2 ff.) und als stellvertretendes Leiden (42,7—9), wozu
neben außerbiblischen Parallelen auf Josef vor allem,
Mose (bedingungsweise im Anschluß an Sellins Studie
) und Jes 53 hingewiesen wird. Die Auferstehungs-
frage wird mit Rücksicht auf den Leserkreis ausführlich
erörtert (19, 23 ff.), aber wie üblich negativ beantwortet
. Von besonderem Interesse ist Kn.'s Stellung zur
Komposition des Buches: Der Grundstock, eine alte
Sage, deren „Stoff wir ohne Bedenken in die Zeit der
ältesten Patriarchengeschichten (nicht ihrer Redigierung
) versetzen können", ist in der Zeit in und nach dem
fcxil im Sinn des atlichen Vergeltungsdogmas verarbeitet
worden; diese Zeit liegt nahe durch die Berührungen
mit Jer. und babylonischen Anschauungen, die

mehr sind als bloße Kultlirberührungen. Eine zweite
Bearbeitung (Einfügung der Elihureden), die nicht mit
Sentenzen arbeitet, sondern aus eigener Überlegung, aus
in sich gekehrter Reflexion heraus die Gedankenfäden
spinnt, fällt in die Zeit der jüngeren Prophetie (um
500). Gleichzeitig sind auch die Satansstücke in den
Prolog eingearbeitet, deren Standpunkt am meisten dem
des Elihu entspricht. Um 300 oder 200 folgte dann eine
Korrektur durch Einfügen der Gottesreden. Flora und
Fauna legen als Ort der Abfassung die Steppe speziell
in der Nähe des Toten Meeres nahe. Verf. vermutet, da
Vieles nach Aegypten deutet, den Schlußredaktor im
ägypt. Diasporajudentum. Diese Vermutung wird jetzt
gestützt durch die neu gefundene Lehre des Amen-em-
ope und durch das bequem zugänglich gemachte und
übersichtlich zusammengestellte Material (Grapow, Die
bildlichen Ausdrücke des Aegyptischen 1924). Anhangsweise
wird Flora und Fauna besprochen, wobei das
Werk von Low, Die Flora der Juden dem Verf. entgangen
zu sein scheint. — Ist das Büchlein auch in erster
Linie für den größeren Kreis der Laien bestimmt, so
wird doch auch der Fachgelehrte aus ihm manche Anregung
schöpfen können, besonders aus dem Kapitel
„Sprüche und Volksweisheit".

Suhl i. Thür. Curt Kühl.

Kund sin, Prof. Dr. theol. Karl: Topologische Überlieferungsstoffe
im Johannes Evangelium. Eine Untersuchung. Güttingen :
Vandenhoerk ft Ruprecht 1025. (III, 80 8.) gr. 8°. - Forschorn
/. K'cl. u. Literatur d. A. u. N.T., N. F., Heft 22. km 4—.

Es ist sehr verdienstlich, daß die Frage nach dem
! Wert der Ortsangaben des vierten Evangeliums unter
neuen Voraussetzungen ernsthaft gestellt und ihrer Lösung
nähergebracht wird. In der Tat enthält das Johan-
i nesevangelium Ortsangaben von einer bemerkenswerten
Deutlichkeit. Das fällt um so mehr auf, als seine Zeitangaben
, wie immer wieder betont werden muß, sich
doch, wenn man näher zusieht, als reichlich schematisch
erweisen. Die Lokalsituationen dagegen, etwa in der
Szene der Samaritanerin, in der Lazarus- und in der Lei-
| densgeschichte überraschen durch Reichtum und Ge-
! nauigkeit. Die rein biographische Auffassung des Evan-
I geliums, die das ganze Buch als Aiigenzeugendokument
wertet, hat sich auch immer wieder darauf berufen.
Die Interpretation, die dem Evangelium eine mehr oder
minder übergeschichtliche, symbolische oder allegorische
Tendenz zuschreibt, stand vor der Frage, ob auch
die Ortsangaben lediglich aus dieser Tendenz zu er-
! klären seien; viele topologische Bemerkungen schei-
! neu sich der Auflösung dieser Art zu entziehen. Es ist
wichtig, das gerade jetzt zu betonen, da neuerdings auch
bei den Synoptikern durch Raschke der Versuch einer
I symbolischen Deutung der Ortsnamen gemacht wor-
! den ist.

Die Lösung des Problems, zu der Kundsin ge-
I langt ist, liegt in völlig anderer Richtung. Zugrunde
! liegt seiner Problemstellung, obwohl das in dem Buch
selbst zurücktritt, offenbar die Erkenntnis, daß das vierte
Evangelium in seiner Heilsdarstellung die Zustände
der Christenheit, nicht der Jüngerschaft zur Zeit Jesu
wiederspiegelt. Zugrunde liegt ferner die Beobachtung,
daß die Ortsangaben des vierten Evangeliums sich in
I gewisser Weise mit Angaben über heilige Stätten aus
nachkonstantinischer Zeit berühren. So ergibt sich die
! Erwägung, oh die topologischen Bemerkungen des Evangeliums
nicht ebenfalls auf die Lage der Christcnge-
j meinden in Palästina weisen; dann würde es sich nicht
um eine Lokalisierung von Geschichten, sondern um
| eine Olorifizierung der örtlichkeiten durch Geschichten

aus dem Leben Jesu handeln,
j . Diese Hypothese führt der Verf. nun in Einzel-
I Untersuchungen der in Betracht kommenden Abschnitte
j durch. Die Vorgänge des ersten Johanneskapitels schei-
; neu ihm auf eine geschichtliche Verdrängung der Täufergemeinde
durch eine Christengemeinde an einer hei-