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Ausgabe:

1926

Spalte:

179-181

Autor/Hrsg.:

Lofthouse, W. F.

Titel/Untertitel:

Jeremiah and the new covenant 1926

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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ihm als echterer Buddhismus sich etwas ganz anderes
ergeben hat, als was doch wohl dafür gelten muß. Ungeachtet
der bekannten Tatsache, daß Buddha das Eingehen
auf metaphysische Fragen immer abgelehnt hat,
durchzieht R.'s ganzes Buch die Ansicht, daß der Buddhismus
von Anfang an Metaphysik enthalten habe (s.
z. B. p. X). Und zwar soll die Lehre vom metaphysischen
wahrhaft Seienden, von „einem absoluten Substrat
", das „in eine endlose Menge von bewußten Einheiten
, ,Lebewesen' zerfällt" (p. 15), seine philosophische
Grund-Idee gewesen sein, obgleich doch Buddha
die Begriffe Sein und Nichtsein aus allen Kräften seiner
Lehre fernzuhalten gesucht hat. Kann es, was Buddhas
Nichtanerkennung des Seins anbetrifft, etwas Beweisen-
deres geben als sein Schweigen auf alle Fragen danach,
auch nach dem zukünftigen Sein, d. h. der Fortexistenz,
und seine dann folgenden Erklärungen, z. B. gegenüber
Ananda, warum er geschwiegen habe? Hätte er geantwortet
, so hätte er, positiv oder negativ, das Reden vom
Sein mitgemacht und so die Berechtigung der Frage nach
Sein und Nichtsein anerkannt, die in Wirklichkeit für
ihn gar nicht vorhanden war. d h a r m a , das in Buddhas
echter alter Lehre allerdings das Grundprinzip,
aber ein rein begriffliches, kein irgendwie stoffliches
Grundprinzip, ist, soll nach R.'s Ansicht das seiende
Absolute sein! Und auch die d h a r m a s im Plural,
d. h. sowohl die Einzelseiten wie die Auswirkungen (um
ein zu Tode gehetztes Modewort zu gebrauchen, weil
es ausnahmsweise hier einmal am Platze ist), Gestaltungen
des Grundprinzips, die empirischen, leidenvollen
Erscheinungen: die vergänglichen Dinge und Eigenschaften
, sind nicht die „wahrhaft-realen transzendenten unerkennbaren
Substrate" (101), real-seiende Träger (7bff.),
am wenigsten in den Sütren (s. z. B. 80 f.). Daß auch
R.'s Lehrer Stcherebatsky R.'s Ansicht über d h a r m a
teilt (s. p. X), darf uns bei aller Hochachtung für Steh,
nicht verführen, sie für die richtige zu halten. Wie
könnten die dharmas sonst auch fort und fort a n i t y a
„unbeständig" heißen (S. auch bei R. z. B. 84 Anm. u.
122). Auch nirvana soll dieses Absolute im Zustande
der Nichtentfaltung sein! (234; 244). Daher
denn auch die ratlose Frage (p. 50): „...wie ist die
Lehre von der Erlösung aufzufassen, die Idee des
Nirvana, wenn es keine Seele gibt?" s ü n y a t a ist natürlich
nicht ein Ausdruck für die Attributlosigkeit des Absoluten
, sondern für das Nichtvorhandensein eines Absoluten
. „Das wahrhaft Seiende in jeder Persönlichkeit"
soll, meint er, „vom Buddhismus" „niemals" „verneint
worden" sein (241), während doch der Buddha zweifellos
gelehrt hat, daß ein Selbst, d.h. ein Seiendes, auch in
den Individuen nicht vorhanden sei. a v i d y ä , als Urgrund
alles leidenvollen Scheindaseins, bedeutet etymologisch
und sachlich nichts als das Nichtwissen, auf
keinen Fall „Unruhe", „Bewegung", „Aufregung" und
höchstens vergleichsweise „Finsternis" (s. z. B. 15;
217; 230f.; 239). trsna „Durst" ist „Begehren" im
weitesten Sinne, nicht das „Sexualgefühl" (213), u pari
äna das „Erfassen", „Festhalten" des Erscheinungstruges
, aber nicht „ein bestimmtes Streben nach gewissen
Zielen" (214) oder „das verschiedenartigste
Streben" (218). U. s. w. Das Register sollte auch eine
sachliche Abteilung, mit deutschen Stichworten, haben.
Königsberg i. l'r K. Otto Franke.

Lofthouse, Prof. W F.: Jeremiah and the new covenant.

London: Student Christian Movement N25. (VII, 222 S.) S° sh. 6—.

Leben, Worte und Wirken Jeremias, eingebettet
in die Geschichte seines Volkes, werden in acht Kapiteln
dargestellt: Der Jüngling und sein Ruf (026 v.
Chr.); die Zeit ist aus den "Fugen (626—621); eine
große religiöse Bewegung (621—616); Reaktion (616
bis 608); der hingeworfene Fehde-Handschuh (608
bis 597); zwei Arten von Patriotismus (597—588);
Jerusalem delenda (588—586); das letzte Stadium der

Reise (586—?). In die Darstellung sind überall Bemerkungen
über die Bedeutung Jeremias für die Gegenwart
und im Zusammenhang damit Erörterungen weltanschaulicher
Art hineinverwoben, und diesen allgemeineren
Fragen ist am Eingang und am Schluß noch
j je ein besonderes Kapitel gewidmet: „Nicht für ein
Zeitalter, sondern für alle Zeiten!" und „Jeremia und
Gott".

Die Abzweckung der Darstellung auf einen praktischen
Ertrag, wie er den Bestrebungen des Student
Christian Movement, der das Buch herausgebracht hat.
entspricht, bringt es mit sich, daß keine wissenschaft-
! liehe Monographie gegeben werden konnte. Auch die
beiden kurzen Anhänge über die Zeit von c. 30 und 31
(vom Verf. aus der Periode 621—616 hergeleitet) und
, über die Komposition des Jercmia-Buches wollen nur
zwei Fragen, die im Hauptteil flüchtig berührt waren,
etwas ausführlicher dartun; im übrigen setzen auch
sie wie der Hauptteil die Erledigung der wissenschaftlichen
Vorarbeiten voraus. Aber auf Schritt und
Tritt läßt das Buch erkennen, daß der Verf. die Quellen
und die gelehrte Literatur über sie gründlich kennt,
und daß er die hier inbetracht kommenden Fragen
selbständig durchdacht hat. Daß ihm darüber hinaus
eine ausgebreitete Allgemeinbildung — Vertrautheit mit
der englischen schönen Literatur und den griech.-röm.
Klassikern, offener Blick für politische und soziale Bewegungen
der Gegenwart u.a. — zu Gebote steht, erhöht
noch das Vertrauen des Lesers zu ihm. Und weiter
merkt man es dem Buche an, daß der Verf. sich Jahre
| lang mit der Gestalt seines Helden beschäftigt hat. So
hat er ein Bild Jeremias gestalten können, das — mögen
manche Einzelheiten strittig bleiben — die Gewähr der
Echtheit in sich selbst trägt. Fein ist die Entwicklung
Jeremias vom schüchternen Jüngling zum selbstbewußten
Manne (S. 98), zum angriffsentschlossenen Kämpfer
(S. 110—112) und dann zum alten Mann, der Stun-
[ den der Müdigkeit kennt (S. 151. S. 164/65), darge-
j legt. Fein wird Jeremia als Anfänger des religiösen
'. Individualismus charakterisiert; seine selbständige Stellung
Jahwe gegenüber bedeutet eine neue Stufe der
Entwicklung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch
(S. 90, 99).

So wird auch der Fachgenosse das Buch mit Gewinn
und Freude lesen. Was aber seinen eigentlichen
Zweck angeht, einem weiteren Kreis von Gebildeten
Jeremias Gestalt und Bedeutung klar zu machen, so
darf es als Musterbeispiel vornehmer und hochstehen-

I der Popularisierung bezeichnet werden. Eins ist da besonderer
Beachtung wert. Der Verf. mutet seinen Lesern
die Preisgabe traditioneller Anschauungen in einem
Maße zu, wie das sonst in derartigen Büchern kaum ge-

I schieht. Wiederholt wird festgestellt, daß Jeremias Voraussagen
nicht eingetroffen sind. Seine Notlüge (38,
26) wird nicht hinweg disputiert, sondern zugegeben.

: Der Anspruch des Deuteronomiums, von Mose herzurühren
, wird als nicht-zutreffend hingestellt. Abgelehnt
wird die Meinung, als ob die Propheten durch ein be-

[ sonderes psychisches Vermögen von einer transzendenten
Größe Mitteilungen empfangen hätten. Überhaupt

i hat es — so wird gesagt — die wissenschaftliche Untersuchung
religiöser Phänomene immer nur mit der subjektiven
Seite der Sache zu tun; die Antwort auf die

| Frage nach der objektiven Geltung, auf die Wahrheits-

j Frage, ist Sache des Glaubens. Der Verf. kann sich
dies „Negative" leisten, weil er das Positive, das, was
an Jeremia und an der Bibel überhaupt bleibend, Gottes
Wort, ist, so kraftvoll darzustellen versteht, daß jenes
Negative ganz davon überschattet wird. Wie für
Jeremia selbst Jahwes Stimme letztlich mit seinen innersten
und tiefsten ethischen Überzeugungen identisch
ist, doch so, daß für ihn diese Überzeugungen nicht
sein Eigenes sind, sondern aus einer anderen, höheren
Sphäre an ihn herankommen, mit der Kraft, den etwa

j Widerstrebenden zu zwingen, so glauben auch wir, daß