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Ausgabe:

1925

Spalte:

175-178

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Johannes

Titel/Untertitel:

Ezechiel übersetzt und erklärt 1925

Rezensent:

Duensing, Hugo

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175

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 8.

Volkes ebenso wie der der Heiligtumsreinigung zu
einem regelmäßig wiederkehrenden gemacht und beide
wären mit einander verbunden worden.

Zustimmung verdient manches, was der Verf. zur
literarischen Analyse von Lev. 16 ausführt. Er scheidet
: 1) v. la. 2, ein absolutes .Verbot des Betretens des
Allerheiligsten (pyrCO . . . hü ™ Rar keiner Zeit),
2) v. 3 a. 4. 12. 13, die das Betreten des Allerheiligsten
(jederzeit) unter Beachtung gewisser Vorschriften gestatten
, also v. la. 2 korrigieren, 3) das Ritual der
Reinigung des Heiligtums mit nur einem Sündopferbock
und einem Brandopferwidder, 4) Erweiterung
des Rituals durch Aufnahme einer Entsühnung der
Priesterschaft (Nr. 3 und 4 nicht scharf von einander
abgrenzbar; ihre Scheidung scheint mir auch nicht genügend
begründet zu sein), 5) v. 7—10. 26—34 späte
Zusätze betr. den Asaselbock und den Charakter des
Versöhnungstages als Bußtag. Der Hauptmangel dieser
literarkritischen Ausführungen liegt m. E. darin, daß die
Einordnung der Zeremonien, welche die Entsündigung des
Volkes bezwecken, unklar bleibt. Oanz und gar nicht zustimmen
kann ich dem Vf. in seiner Datierung von Schicht
1__4; er glaubt sie für Mose festhalten zu können, der
im Laufe einer fast 40jährigen Praxis Gelegenheit genug
fand, seine ursprünglichen Anordnungen zu korrigieren
und zu ergänzen. Die inhaltlichen Archaismen,
deren wir oben einige angeführt haben, beweisen doch nur
das hohe Alter der betreffenden Bräuche, aber nicht das
der formulierten Bestimmungen, in deren Zusammenhang
sie erwähnt werden. Überdies wäre zu den Altersbestimmungen
des Verf. doch auch noch manches Fragezeichen
zu setzen. Z. B. die linnene Kleidung des
Hohenpriesters am Versöhnungstag braucht kein Archaismus
zu sein, kann vielmehr sachliche Gründe haben
(beim Betreten des Allerheiligsten tritt der Hohepriester
unmittelbar vor Jahwe gleich den Engeln, vgl. Sach. 3, 7,
er muß daher die Kleidung der Engel tragen). Daß ein
Räucheraltar schon im salomonischen Tempel stand,
kann damit nicht gesichert werden, daß kein Bearbeiter auf
den Gedanken gekommen wäre, ihn „einzuschmuggeln",
wenn er niemals vorhanden gewesen wäre; der Bearbeiter
könnte ja etwa im 4. Jahrhundert gelebt haben,
wo es auch nach der kritischen Ansicht einen Räucheraltar
im Heiligtum tatsächlich gab. Daß die Heiligtumsreinigung
schon in vorexilischer Zeit auf den 10. VII.
fixiert gewesen sein müsse, weil später die Abweichung
von der Forderung Ezechiels (45, 18 ff.) nicht erklärbar
wäre, würde höchstens dann gelten, wenn die Forderung
Ezechiels in der ersten nachexilischen Zeit anerkannte
Norm gewesen wäre. Doch trotz all solcher Bedenken
und Einwände: das Buch bietet des Anregenden und
Fördernden soviel, daß sein gründliches Studium nur
dringend empfohlen werden kann.

Breslau. C. Steuernagel.

Herrmann, Prof. D. Johannes: Ezechiel übersetzt und erklärt.
Leipzig: A. Dcichert 1924. (XLVI, 304 S.) gr. 8°. = Kommentar
zum Alten Testament, Bd. XI. Gm. 9—, geb. 12—.

In einer Zeit, wo ein kritischer Angelpunkt wie die
deuteronomische Reform unter Josia unsicher gemacht
wird, wo man den Jeremia in zwei Traditionsschichten
zu hälften und auf 500 v. Chr. herabzudrücken sucht und
nach Herrmann der literarische Nachlaß Ezechiels in
erheblichster Weise von der Kritik mitgenommen ist,
wo kurz gesagt die kritische Welle sich zu überstürzen
droht, hat die Reserviertheit, die aus dem vorliegenden
Kommentare spricht, jedenfalls auch ein Recht, zu
Worte zu kommen. Diese Reserviertheit äußert sich zunächst
in einer sehr konservativen Behandlung des
Textes. Betrachtet man die B H K als Normalmaß für
Änderungsversuche, so bleibt dieser neue Kommentar
stellenweise dahinter zurück, selbst an Stellen, wo man
eine Änderung in gewiesener Richtung für selbstverständlich
halten möchte wie beispielsweise in 33, 8

y~li"l statt tjßjr"). Im Einzelnen ist der Verf. manchmal
durch Ehrlich angeregt und bestimmt, z.B. gleich 1, 6,
wo er mit demselben Rindsbeine an die Kalbsfüße setzt,
freilich mit Fragezeichen, eine zwar graphisch naheliegende
, aber doch aus dem Grunde zu verwerfende
Konjektur, weil nicht ein Quantitäts-, sondern ein Qualitätsunterschied
der Glieder herauskommen muß. Die
besonnene Behandlung des Textes verdient alle Anerkennung
. Wenn der Verf. einmal gelegentlich zu einer
Konjektur zu 37, 17 bemerkt: „Ob der so gewonnene
Text ursprünglich ist, läßt sich natürlich nicht sagen",
so ist solche Nüchternheit nach all dem wilden Konji-
zieren, wie es jahrzehntelang, manchmal von recht fragwürdigen
nietrischen Theorieen aus geübt worden ist, eine
Wohltat. Nach dem Vorwort hat der Verf. viel Mühe
auf die Textherstellung verwandt; er hat „wenigstens

| drei wesentlich von einander unabhängige vollständige
Bearbeitungen des Ezechieltextes vorgenommen". Freilich
ist nach Stichproben zu urteilen, zu sagen, daß sein
Text zum vierten Mal hätte revidiert werden müssen,
wenn alle Fehler in der Übersetzung und in den Noten

j hätten ausgemerzt werden sollen.

Vgl. z. B. in 33, 13 „auf Grund des Frevels", lies „seines
Frevels"; ebenda V. 19 I. statt „der Gottlose" „ein Gottloser". 37, 3

füge zu „Herr" hinzu „Jahwe". S. 109 Anm. 13 b. 1. ptfj statt i*h)-
18,9 ist p'Hi* unObenetzt geblieben. 34,29 ist ,,im Lande" unter
den Tisch gefallen, und es ist zu übersetzen: „es wird nicht mehr vom
Hunger Hingeraffte im Lande geben."

Daß bei den sicher poetischen Stücken nicht wenigstens
der Versuch strophischer und stichischer Gliederung
gemacht ist, wird man bedauern.

Eine starke Zurückhaltung zeigt sich auch auf dem
Gebiete der Literarkritik. Wenn man den Herrmann
der Ezechielstudien mit dem jetzigen Kommentator vergleicht
, ist vielfach eine rückläufige Bewegung festzustellen
, der Autor ist erheblich bedächtiger geworden.
Bei der Beurteilung von uneinheitlichen Stücken wird
ausgiebigst von der Möglichkeit eigener redaktioneller
Weiterarbeit des Propheten an seinem Werk Gebrauch
gemacht, wodurch prima manu Unstimmigkeiten in
i dieses hineingetragen sind. Überdies bleibt auch bei
j Stücken, bei denen ezechielische Herkunft unwahrschein-
I lieh ist, das Urteil so in der Schwebe und die Ausdrucksweise
so unbestimmt, daß jederzeit ein Rückzug
auf völlige Echtheit offengehalten ist. In Kap. 1—24
ist 10, 8—17; 21 f. „mit ziemlicher Sicherheit" Ezechiel
abzusprechen; bei 21, 33—37 erscheint die Abfassung
I durch Ez. „fraglich" (S. 135), ebenso bei 3, 16 B—21.
Redaktionelle Eingriffe wahrscheinlich fremder Hand
werden gefunden in 24, 25—27, wo aber Redaktion
durch Ez. doch für möglich angesehen wird; 1, 2; 3 A.
5, 16 f. sind „schwerlich von der Hand Ezechiels". In
Kap. 25—32 „scheinen" 31, 15—18 „von fremder Hand
hinzugefügt zu sein". „In 32, 17—32 scheinen die
Schlußverse V. 29—32 Zusatz von fremder Hand zu
sein." 35, 31 macht „durchaus den Eindruck eines redaktionellen
Nachtrages" S. 223. In Kap. 33—39 wird
Uneinheitlichkeit des Textes bei 36, 1—7 empfunden,
ohne daß eine Entscheidung über das Ursprüngliche abgegeben
wird; ähnlich bei V. 10—12, wo V. 11 für
ursprünglich gehalten wird; 10 und 12 wird man „als
Auffüllungen ansprechen dürfen". „Desgleichen werden
die Verse 13—15 der ursprünglichen Konzeption nicht
angehören." Von größerem Interesse ist die Analyse
von Kap. 38 und 39. 38 umfaßte ursprünglich nur
V. 1—4, 6—7, 8 (ohne 8 a), 9, d. h. die Verse 8 a,
10—12 [13 Glosse] stellen eine möglicherweise von
Ezechiel selbst vorgenommene Überarbeitung dar, welche
die Erfüllung der Gogweissagung in eine ferne
j Zukunft schiebt. 38 8a versteht der Verf. auch anders, wie
einst Wellhausen diese Stelle verstanden hat, nämlich
nicht „seit vielen Tagen wirst du vermißt" = seit langer
Zeit wird dein Kommen vergeblich erwartet, sondern
i „Nach langer Zeit wirst du aufgeboten werden". Daß