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Ausgabe: | 1925 Nr. 6 |
Spalte: | 136 |
Autor/Hrsg.: | Ball, Hugo |
Titel/Untertitel: | Die Folgen der Reformation 1925 |
Rezensent: | Althaus, Paul |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 6.
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besonders deutlich in der Erlösungslehre. Wohl
ist nach O. Christus seiner menschl. Natur nach Mittler
zwischen Gott und den Menschen. Aber diese Mittlerschaft
besteht nicht darin, daß er als Mensch uns Gott
versöhnte, vielmehr hat er zu dem Zweck gelitten, damit
wir die Demut, mit der er litt, nachahmen und seine
Gebote lieben, um dadurch Sündenvergebung zu erlangen
(S. 335). Die Gnade Gottes hat mit dem Werk Christi
nichts zu tun.
Das IV. Buch handelt von den Sakramenten.
Es ist vom Lombarden und von Gratian beeinflußt.
Im übrigen enthält es viele selbständige Abschnitte.
Die (christl.) Taufe hat nur bei Kindern sündenvergebende
Kraft, bei Erwachsenen wird die Vergebung
durch Liebe und Glauben vermittelt (S. 399). Die
Wirkung des Sakraments ist an den korrekten Vollzug
der Handlung geknüpft (S. 401 ff., 409). G. ist krasser
Sakramentalist. — In der Lehre vom Abendmahl
ist G. weithin vom L. abhängig. Er vertritt die
Realpräsenz. In jedem Teil der Elemente befindet sich
der ganze Christus. Im Unterschied vom L. lehrt G.,
daß nur der Mischkelch zum Sakrament werde
(S. 451 f.).
Besondere Selbständigkeit zeigt G.s Bußlehre.
Die Buße ist einerseits vindicta peccati und geht auf die
göttl. veritas zurück, andererseits macht sie des ewigen
Lebens würdig und geht auf die göttliche misericordia
zurück (S. 459f.). v. W. bemerkt dazu: „Der Theologe
Gandulph und der Jurist Gandulph geraten miteinander
in Konflikt" (CV.). Die Buße ist einerseits der (von
Gott inspir.) Wille, mit dem der Mensch die Sünde in
sich straft, andererseits eine Strafe, die die Kirche auferlegt
. Sie ist wiederholbar. Der Sünder kann sich
durch Buße nicht Vergebung verdienen. Die eigentlichen
Bedingungen der Vergebung sind: 1.) die von
Gott inspirierte Bußgesinnung, 2.) die Abbüßung einer
Strafe. Die letztere Behauptung wird jedoch wieder
eingeschränkt durch die Lehre, daß die Caritas bei dem,
der die Strafe abbüßt, dieselbe sei wie bei dem, der es
nicht tut (S. 471). Damit hängt es zusammen, daß G.
den reinigenden Charakter des Fegfeuers, das nur Strafe
sei, leugnet. Die wesentlichen Bedingungen der Vergebung
sind: Caritas und Herzensbuße (S. 474).
— Die Binde-und Lösegewalt des Priesters besteht nach
G. (im Unterschied vom L.) lediglich darin, daß er
von Kirchenstrafen befreien darf (ibid.).
Während sich G. in der Lehre vom ordo ganz an
L. anschließt, verrät der Abschnitt über die Ehe teilweise
große Selbständigkeit. Er zerfällt in 2 Teile:
1.) Zweck, Wesen und Bewertung der Ehe, 2.) Ehehindernisse
. Im Anfang ist G. noch von L. abhängig.
Der Zweck der Ehe besteht in der Kindererzeugung und
in der Vermeidung der Hurerei. Infolgedessen verliert
die Ehe ihre Rechtsgültigkeit durch die Absicht der
Verhinderung der Empfängnis und durch Abtreibung
(reatus homicidii) (bes. S. 512). — Was das Wesen
der Ehe betrifft, so behandelt G. zunächst die im 12.
Jahrh. viel umstrittene Frage, ob zur Eheschließung der
consensus de praesenti genüge (französ. Doktrin) oder
ob dazu außerdem ein Geschlechtsverkehr erforderlich
sei (bolognes. Doktrin). Nach G. macht schon der consensus
die Ehe unauflöslich (S. 520). Trotzdem lehnt er
die bologn. Lehre nicht ganz ab; der consensus muß die
Gesthlechtsgemeinschaft wenigstens zeitweilig betroffen
haben (S. 514). — Von großer Selbständigkeit zeugt
der 2. Abschnitt über die (10) Ehehindernisse. Eine
Ehe nach einem votum privatum beruht zwar auf einem
Gelübdebruch, braucht aber nicht geschieden zu werden,
dagegen bedeutet das votum sollemne ein impedimentum
dirimens. — Bezüglich der dissimilitudo fidei folgt G.
i. a. seinen beiden Vorlagen. Die heidn. Ehe ist nach
G. ein Sakrament, wofern beide Gatten eine Religion
haben. Anders ist es, wenn ein Teil zum Christentum
übertritt. Die diss. fidei ist (fornicationis mentis causa)
ein impedimentum dirimens (S. 550 ff.). — Bei der Behandlung
des 5. Ehehindernisses, der consanguinitas
spiritualis erklärt G., daß Paten weder unter sich noch
den Täufling heiraten dürfen. Auf die Frage, ob ein
Pate die Tochter einer Frau, die mit ihm Paten stand,
heiraten dürfe, antwortet G., da die Rechtslage nicht
klar sei, dürften solche Ehen, wofern sie in Gedankenlosigkeit
geschlossen seien, nicht getrennt werden. —
Bei Besprechung des 8. Ehehindernisses (frigiditas)
verteidigt G. (im Gegensatz zu Stephan v. Tournay) den
Kanon Quod posuisti Gregors IL, der eine Scheidung
gestattet, wenn die Frau so krank ist, daß sie für
immer an der Gewährung der ehel. Pflicht gehindert
ist (S. 585). — Die Behandlung des 9. Ehehindernisses
(consanguinitas) ist von St. v. Tournay, die des 10. (vio-
lentia) von Gratian und Roland abhängig. —
Aus allem geht hervor, daß die Sentenzen Gan-
dulphs von Bologna bei aller Abhängigkeit in manchen
Stücken doch eine selbständige Arbeit darstellen. Ihr
Verfasser ist ein konsequenter systematischer Kopf, der
nicht arm ist an originellen Gedanken und der den Mut
hat sie zu vertreten. Er ist in der Tat „ein theologischer
Denker, der ernst genommen sein will".
Rinderfeld bei Mergentheim (Württ.). W. B e t z e n dö r f e r.
Ball, Hugo: Die Folgen der Reformation. München: Duncker
& Humblot 1924. (158 S.) gr. 8". Gm. 3.50.
Die vier Kapitel dieser Schrift (die Augsburgische
Konfession, die intelligible Freiheit, Preußen und die
Weltseele, Immoralisten allerwege) sind nichts anderes
als ein um einige Abschnitte gekürzter und in Einzelheiten
hie und da geänderter, sonst wörtlicher Abdruck
des ersten, zweiten und vierten Kapitels aus dem im
Jahre 1919 im freien Verlag zu Bern erschienenen
Pamphlet des Verf. „Zur Kritik der deutschen Intelligenz
." Die vorliegende Schrift trägt
keinen Vermerk, der diesen Tatbestand
anzeigte! „Die vier Kapitel dieses Buches entstanden
1914/18" (S. 3), das ist alles. Ob der neue Verleger
Balls von dieser Täuschung des Publikums durch
seinen Autor nichts weiß?
Es nimmt uns auch sonst wunder, daß der Verlag
Leopold v. Rankes sich einem Schriftsteller solcher
Art preisgeben konnte. Die literarisch gewandten Aufsätze
sind aus bitterem Hasse gegen das kaiserliche
Deutschland entstanden. Was wir .seit Jahren an Beschimpfungen
des deutschen Namens und Staates von
Ausländern zu hören gewohnt sind, wiederholt hier
ein Deutscher, der, wie die Besprechung seines ersten
Buches im „Neuen Werk" 1921 S. 303 ff. durchblicken
läßt, während des Krieges den deutschen Boden gemieden
hat. Die Reformation ist ihm der Beginn der deutschen
Entartung. „Luthers eigentliche Schöpfung ist...
die Heiligung des Staates durch die Christlichkeit der
Knechtschaft____ Das Ende aber war ein Polizeistaat,
ein Aufsichtsstaat, der es für seine Sendung hielt, vom
Nordkap bis Bagdad, von Finnland bis Spanien unter
Berufung auf Bibel, Jehova und Jesus zu schlichten,
zu richten und aufzuhenken." (21). Die Kostprobe genüge
. Ein Fortschritt gegenüber 1919 ist bei dem Verf.
nur insofern zu bemerken, als ihm einige Ideale wie
z. B. Moskau seither zerbrochen sind. Auch der Hymnus
auf Thomas Münzer klingt nicht mehr ganz so ungebrochen
wie fünf Jahre zuvor. Damals hieß es über
seine Lehre (Zur Kritik der deutschen Intelligenz S. 42):
„Mir sind keine tieferen und freieren Sätze über Christentum
, Leiden und Gottesglaube bekannt." Jetzt dagegen
wird versichert: „Die Lehre Münzers ist nicht
seine Stärke" (28).
Rostock. P- Althaus.
Schumacher, Wilhelm: Zacharias Zappio. Ein treues Lebensbild
e. Danziger Bürgers. Neu bearb. u. hrsg. von L. Mahlau.
4. Aufl. Mit d. Anh.: „Geschichtliches über Zacharias Zappio"
u. d. „Zappiosche Bibliothek in der St. Johanniskirche zu Danzig"
von Wilhelm Schwand t. Danzig: A. W. Kafemann 1924.
(110 S. m. Abb.) kl. 8°. geb. Gm. 2.50,