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Ausgabe:

1925 Nr. 6

Spalte:

132-136

Autor/Hrsg.:

Walter, Ioannes de

Titel/Untertitel:

Magistri Gandulphi Bononiensis sententiarum libri Quatuor 1925

Rezensent:

Betzendörfer, Walter

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131 Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 6. 132

nachzugehen; vgl. jetzt Meissner, Babylonien und Assyrien II (1925)
243. 281 f. — Auf S. 24 vermisse ich wiederum die Nennung von
Greßmann und Eichrodt. — Weil Lietzmanns „Weltheiland" (1909)
noch immer als „neueste Hauptarbeit" zu Vergils 4. Ekloge figuriert
(S. 27 2), darf ich wohl auf Kukula, Römische Säkularpoesie (1911),
Phil. Wochenschr. 1921, 141 ff., K. Witte, Der Bukoliker Vergil
(1922), Lagrange Rev. Bibl. 1922, 552ff. und vor allem auf E.
Norden, Die Geburt des Kindes (1924) aufmerksam machen. — Dafür
, daß Jes. 7, lOff. 9, 1 ff. wiederum nicht behandelt sind, ist der
Hinweis auf einen druckfertigen, aber wegen der Not der Zeit noch
nicht erschienenen Jesaiakommentar (S. 1992) keine ausreichende
Entschuldigung, und die auffallende Tatsache, daß aus dem gesamten
Alten Orient nur die israelitische und persische Religion eine ausgebildete
Zukunftserwartung kennen, ist noch immer nicht als Problem
empfunden.

Marburg. W. Baumgartner.

Köhler, Ludwig: Die Offenbarung des Johannes und ihre
heutige Deutung. Zürich: SeJiultheß & Co. 1924. (IX, 102 S.)
8". Fr. 2.60.

Es fehlt an einer weiteren Kreisen verständlichen
Schrift über die Apokalypse, und das Bedürfnis danach
ist sehr groß. Nicht nur in Konventikeln, deren frommes
Leben um die „Zukunft des Herrn" kreist, sondern auch
in großkirchlichen, halb kirchlichen und unkirchlichen
Kreisen greifen Menschen, vom Weltkrisengefühl dieser
Zeit bewegt, zur Offenbarung, um wenn nicht Antwort
auf ihre Fragen so doch wenigstens Parallelität der
religiösen Lage dort zu suchen. Ehrliche Sehnsucht nach
dem Überweltlichen, orakelsüchtige Neugier und Sensationslust
, der auch die Weltkrisis nur ein Schauspiel
ist, verbinden sich im Interesse an dem einzigen Seher
des Neuen Testaments.

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß diesem Verlangen
mit anderem als mit einer Vorlesung über zeitbedingte
Entstehung der Apc und traditionsgeschichtliche
Methode geantwortet werden muß. Aber man
sollte sich auch darüber klar sein, daß eine Belehrung
über das traditionsgebundene Wesen der Apokalyptik
und über die Art, solche Bücher zu deuten, vorausgehen
muß, ehe man unserer Zeit und einem breiteren Publikum
— K.s Schrift beruht auf Volkshochschulkursen

— Tieferes über die Offenbarung sagen kann. K. hat
darum den rechten Anfang gefunden, indem er über die
Apokalyptik und speziell das Buch Daniel, über den
Aufriß unserer Apc und ihre Deutungen im Lauf der
Geschichte allerlei Wissenswertes vorträgt, was zu skizzieren
sich hier erübrigt; die allgemeinen Darlegungen
werden übrigens durch gut gewählte Einzelheiten aus
der Geschichte der Auslegung, auch solche mit Züricher
Lokalkolorit, in fesselnder Weise belebt.

In der zweiten kürzeren Hälfte der Schrift versucht
K. das Recht der traditionsgeschichtlichen (mit der zeitgeschichtlichen
' verbundenen) Deutung an der Behandlung
dreier Abschnitte, — Reiter, Heuschrecken, Regina
coeli — darzutun, um dann in zwei Kapiteln die geschichtliche
Situation der Apc und ihre bleibende Bedeutung
zu skizzieren. Die Spannung, mit der man dem
letzten, für die Leser des Buches wichtigsten Abschnitt
entgegensieht, wird nach meinem Empfinden in vieler
Beziehung enttäuscht. Daß die Menschheitsgeschichte
noch am Anfang steht, das Evangelium nach dem Wort
Jesu erst noch allen Völkern verkündet werden muß,
daß heilige Geduld größer und frömmer ist als heilige
Ungeduld und daß, was Gott tun wird, viel größer ist
als der Seher Johannes dachte, daß Gott es aber tun
wird und wir die Gewißheit haben dürfen, daß das Heil

— einmal — kommt, das alles sind Sätze, die mit Ausnahme
der beiden letzten nicht aus der Apc, sondern
eher im Gegensatz zu ihr gewonnen sind. Ich vermisse
da die Betonung des Abstandes zwischen den
zwei Welten und des Glaubens, daß die himmlische
Welt in die irdische hineinwirkt, ja daß sich im irdischen
Geschehen trotz all seiner Rätselhaftigkeit doch
Gottes Wille auswirkt und daß er die Menschheitsgeschichte
schließlich seinem Ziele zuführen wird. Eine
Ausführung der Gedanken über Universalismus und

Terminalismus der Apc, die Behm in der Zeitschr. f.
syst. Theol. kürzlich angedeutet hat, würde ich mir als
Lösung der Aufgabe denken, die K. sich in seinem letzten
Kapitel stellt. Eine solche Gedankenführung könnte
aus der Geschichte der Apc in der Kirche wie aus ihrem
Text gewonnen werden. Dazu dürften freilich die traditionsgeschichtliche
Erklärung der Einzelbilder und die
Behandlung der Apc als Ganzes damals und heute nicht
so auseinandertreten wie bei K.; vielmehr müßte das
dort gewonnene Verständnis des Stoffes fruchtbar gemacht
werden im Zusammenhang des Buches der
Märtyrerkirche; von da aus ließe sich dann auch die
Bedeutung der Einzelbilder für die Gegenwart erheben.
Denn deren isolierte Behandlung, die sich im wesentlichen
an Boll anschließt, entläßt den Leser des
Buches, der Beziehungen zum Ganzen sucht, jetzt relativ
unbefriedigt; die Frage, was dieses Bild den ersten
Lesern sagte, wird höchstens bei der Regina coeli, nicht
aber bei Reitern und Heuschrecken genügend behandelt.

Dabei muß ich gestehen, daß ich die Bollschen
Deutungen gar nicht immer für des Rätsels Lösung
halte; vor allem im Falle der apokalyptischen Reiter
scheint mir die Beziehung auf Jahre auch dem Stoff
nicht gerecht zu werden, und erst recht nicht seiner Verwertung
in der Apc. Ich würde darum Bedenken tragen,
in einer populären Schrift Bolls fördernde und verdienstliche
Deutungen sozusagen als abschließendes Wort
zur Sache hinzustellen. Ich kann das in diesem Zusammenhang
nicht näher ausführen, möchte aber nicht
von dem Buch K.s Abschied nehmen, ohne noch ein
anderes auszusprechen: daß ihm in der Behandlung der
zeitgeschichtlichen Stellung der Apc manches besonders
gelungen ist. So stellt er den Verf. als einen Seher
dar, der zahlreiche dem Alten Testament und dem Synkretismus
entnommene Vorstellungen „in seine Verzückung
mit hineinnahm". Das ist glücklich im Ausdruck
und richtig in der psychologischen Beurteilung.
Derartige Formulierungen begegnen mehrfach in der
Schrift, die jedenfalls einen Fortschritt in der populären
Behandlung der Apc. bedeutet, wenn sie auch, wie mir
scheint, den schwierigsten Teil der Aufgabe noch nicht
bewältigt hat.

Heidelberg. Martin Dibelius.

Walter, Prof. D. Ioannes de: Magistri Gandulphi Bononiensis
sententiarum libri Quatuor. Nunc primum edidit et cominentario
critico instruxit. Wien: E. Haim & Co. 1924. (CXXXI, 655 S.)
gr. 8°. Gm. 56—; geb. 60—.

Nachdem H. Denifle in der Biblioteca nazionale
zu Turin drei Handschriften der Sentenzen des Magisters
Gandulphus entdeckt und die Identität dieses Autors
mit dem von den alten Kanonisten zitierten G. nachgewiesen
hatte (Arch. f. Lit.-u. Kirchgesch. d. M. A. 1.1885,
S. 621 ff.) und M. Grabmann etwa 25 Jahre später
eine weitere Handschrift in der Bibliothek des Cister-
zienserstifts zu Heiligenkreuz in Niederösterreich aufgefunden
und in seinem Bericht (Hist. Jahrb. d. Görresges.
XXXI,1910, S. 75 ff. und Gesch. d. schob Meth. II, 1911,
S. 389 ff.) auf die Bedeutung der Sakramentslehre des
G. hingewiesen hatte, wurde das Bedürfnis nach einer
Ausgabe dieses Werkes immer stärker. Grabmann hatte
bereits im Jahr 1910 in dem erwähnten Aufsatz im Hist.
Jahrb. (S. 87) eine solche von der Hand J. v. Walters
in Aussicht gestellt. Nach jahrelanger, durch den Krieg
unterbrochener, mühsamer Arbeit gelang es nun dem
Herausgeber, diese Frucht seines Schaffens der wissenschaftlichen
Welt vorzulegen. Durch seine überaus
gründliche philol.-kritische Ausgabe hat er nicht nur
der dogmengeschichtlichen, sondern auch der kanonisti-
schen Forschung wertvolles neues Material geliefert.

Die Ausgabe ist mit einem Varianten- und Zitatenapparat
versehen. In einer ausführlichen Einleitung berichtet
der Herausgeber über die handschriftl. Überlieferung
, erörtert das literarische und chronolog. Problem
und bietet eine genaue Analyse des Werkes.