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Ausgabe:

1925 Nr. 6

Spalte:

129-130

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Hans

Titel/Untertitel:

Die großen Propheten übers. u. erklärt. 2., verm. u. verb. Aufl 1925

Rezensent:

Staerk, Willy

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129 Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 6. 130

kenntnis die Befreiung unserer Überlieferung von jenem
Pragmatismus. Das weiß der Verf., und er steht selbst
auf dem Boden der historisch-kritischen Forschung.
Aber dennoch hat er, wie mir scheint, der Versuchung,
jenes Grundgesetz der isr. Geschichte auch als Erklärungs
-Prinzip für einzelne Erscheinungen zu verwenden
, nicht immer widerstanden.

Halle (Saale). Otto Eißfeldt.

Schmidt, Prof. D. Hans: Die großen Propheten übers, u. erklärt
. Mit Einleitungen versehen v. Hermann Ounkel. Mit Namen-
und Sachregister. 2., verm. u. verb. Aufl. Göttingen: Vanden-
hoeck u. Ruprecht 1923. (LXX, 498 S.) 4°. = Die Schriften
des Alten Testaments 11,2. Gm. 10.60; geb. 12.60.

Das Buch ist gegenüber der 1. Auflage von 1915
im wesentlichen dasselbe geblieben, nicht bloß in Anlage
und Durchführung des Planes, die H. Schmidt
reiche Gelegenheit gaben, seine Kunst als feinfühliger
Exeget prophetischer Überlieferung zu entfalten, sondern
auch in Hinsicht auf die Teilung der Arbeit zwischen
ihm und seinem Lehrer Gunkel. Für den im Felde
Stehenden hatte dieser s. Zt. die Aufgabe übernommen,
den in Bd. 2 des Übersetzungswerkes vereinigten at.
Schriftwerken (Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Micha, Ze-
phanja, Nahum, Deuteronomium, Threni 2 u. 4 und
Jona nebst den einschlägigen Stücken aus Reg.) eine
umfangreiche Einleitung geschichtlichen und psychologisch
-literaturgeschichtlichen Inhalts vorauszuschicken.
Diese mehr als 4 Bg. starke Einleitung Gunkel's ist erfreulicher
Weise in die neue Auflage herübergenommen
worden und wird ohne Frage auch weiterhin als wertvolle
Beigabe zu H. Schmidt's Erklärung der proph.
Literatur dem Buche erhalten bleiben.

Der Vergleich mit der 1. Auflage zeigt schon in
der wenig veränderten Seitenzahl des Buches, daß der
Auswahlcharakter dieser Schrifterklärung grundsätzlich
beibehalten worden ist. Man kann darüber wesentlich
anders denken als die Herausgeber, die sich s. Zt. bei
den Vorberatungen über das gemeinsame Übersetzungswerk
für eine Auswahlbibel entschieden haben, jetzt
aber selber nicht mehr eines Sinnes darüber sind. Ref.
wenigstens denkt jetzt anders und möchte auch hier
wieder seinem persönlichen Wunsche Ausdruck geben,
daß man sich entschließen möge, die ganze Literatur
des A. T.'s unverkürzt dem Publikum vorzulegen. Die
sog. Göttinger Bibel kann nicht den Anspruch erheben,
ein Erbauungsbuch in Gestalt einer biblischen Anthologie
zu sein, sondern sie will ausschließlich den
Zwecken der Belehrung über den religiösen Gehalt
und den literaturgeschichtlichen Charakter der at. Bücher
dienen. Dann ist aber nicht einzusehen, warum sie nicht
alle Überlieferung des A. T.'s in erklärender Form vorführen
soll. Für den Zweck der religionswissenschaftlichen
Belehrung kommt ja die Frage nach dem geringeren
oder größeren erbaulichen Wert einer
biblischen Schrift, in der das Recht der Auswahl aus der
Bibel begründet ist, nicht in Betracht. Es dürfte sich
darum empfehlen, bei einer etwa notwendig werdenden
3. Auflage des Werkes vom Prinzip des Auswahlverfahrens
endgültig abzustehen. Damit würde dann der
nicht unberechtigte Vorwurf des subjektiven Charakters
der Göttinger Bibel von selbst hinfallen.

Deh t-t is- hier mcnt der (-)rt' m eme wissenschaftliche
GrnnH ♦ nber die von H- Schmidt vertretene religiöse
tisch yg zum Offenbarungscharakter der prophe-
senen Wortverkündigung und über seine exegetischen
urundsatze einzutreten. Ref. will nur das eine bemerken
, daß nach seiner Meinung auch Schm. noch zu
stark von tormel-ästhetischen und psychologischen Interessen
aus Schrifterklärung treibt, worüber dann an ent-
RihpMnd™. bellen der religiöse Ewigkeitswert der
Dioei leicnt in den Hintergrund tritt. Auch in dieser so
geistvollen und religiös feinfühligen Erklärung der
großen I ropheten steckt m. E. noch zuviel wissenschaftliche
ineologie zeitgeschichtlich bedingter und d. h.

einseitiger Grundstellung. Die Leser des Buches werden
öfters an der Frage nicht vorüber kommen, worin denn
eigentlich der Anspruch der Bibel Alten Testament's
auf religiöse Autorität als geoffenbartes Gotteswort beruhe
, ja sie werden grade durch Schm.'s starke
Frömmigkeit, die seine Erklärung durchleuchtet, auf
diese Frage hingeführt.

Im Einzelnen ist die nachbessernde Hand des Exe-
geten durch das ganze Buch hin zu spüren, meist freilich
nur in mehr äußeren Dingen, kleinen Umstellungen,
veränderten Überschriften, gelegentlichen Erweiterungen
des Wortlauts der 1. Auflage u. a. Nach Ansicht des
Ref. hätte in dieser Hinsicht radikaler verfahren werden
sollen, nicht zum Nachteil des schönen Buches, das
auch mit seinen Schwächen ein Meisterwerk volkstümlicher
Schrifterklärung genannt werden darf. Die
Visionstheorie beherrscht noch viel zu stark die Erklärung
prophetischer Offenbarungsschilderling (das
Buch von H ä n e 1 über das Erkennen Gottes bei den
Propheten scheint Vf. nicht mehr haben benutzen zu
können), auch die zur Romantik neigende Milieuschilderung
aus den tiefen Eindrücken persönlicher Kenntnis
des heiligen Landes hätte ein wenig abgetönt werden
können, vgl. besonders die unmögliche Erklärung der
Gleichnisdichtung Jer. 13, 1 ff., die unverändert abgedruckt
worden ist. Jes. 1, 24 ist die Gottesprädikation
'abbir trotz Torczyner's Widerlegung wieder mit „Stier
Israels" übersetzt. Jes. 1, 18 a (S. 121) ist die falsche
Übersetzung der 1. Auflage durch die allein textgemäße
„wir wollen ins Gericht gehen" ersetzt, aber leider in
18b die dem Sinn widersprechende positive Deutung
stehen geblieben und dadurch die Pointe des Gerichtsspruches
verwischt.

In Gunkel's Einleitung ist leider nicht genug nachgebessert
worden. Nur ein, allerdings besonders auffälliger
Schönheitsfehler ist getilgt, der Satz S. LV
1. Auflage Ende von Absatz 1, in dessen Geheimnis
wohl schwerlich je ein Leser eingedrungen ist. Sonst
ist fast alles unverändert geblieben, auch die vielen
Übertreibungen und voreiligen Urteile in literaturgeschichtlichen
und ästhetischen Fragen, die wissenschaftlich
garnicht spruchreif sind. Gunkel sollte sich die
Mühe nicht verdrießen lassen, seine geistvollen Ausführungen
in der Einleitung zu H. Schmidt's Arbeit
einer gründlichen Revision zu unterziehen und mit Lieblingsmeinungen
, die nun einmal wissenschaftlich nicht
haltbar sind, aufzuräumen. Wir würden ihm alle von
Herzen dankbar dafür sein.

Ref. schließt mit dem aufrichtigen Wunsche, daß
diese großangelegte und von hoher Warte aus entworfene
Erklärung der Schriftpropheten recht viele aufmerksame
Leser unter Alten und Jungen finden möchte.

Jena. W. Staerk.

König, Prof. Dr. litt. Semit., phil. theol. Eduard: Die messianischen
Weissagungen des Alten Testaments, vergleichend, geschichtl.
u exeg. behandelt. 2. u. 3., allseitig erg. Aufl. Stuttgart: Chr.
Belser 1925. (VIII, 379 S.) gr. 8". Gm. 9-; geb. 10-.

Oegenüber der von mir hier 1923, Nr. 10/11 angezeigten ersten
Auflage ist das Buch um 13 Seiten gewachsen. Bis auf das Wort
ist es im allgemeinen unverändert; nur einige Auseinandersetzungen
mit neuerer Literatur und Rezensenten der ersten Auflage sind — zumeist
als Anmerkungen — hinzugekommen. Unrichtig ist es aber,
wenn diese Neuauflage als „allseitig ergänzte" bezeichnet wird. Denn
fast alle dort von mir aufgezeigten Lücken muß ich wiederum feststellen
. So ist der die Frage eines babylonisch-assyrischen Propheten-
tums behandelnde Abschnitt S. 17 f. unverändert geblieben bis auf
die Anmerkung S. 18 *, die Jirkus Hinweis auf akkadisehes nabiu ablehnt
Dies allerdings mit Recht; denn dieses nabiu ist nicht aktives
Partizip, sondern Permansiv, und der nabiu Anim ist „der von Anu
mit Namen Gerufene oder Berufene", wie analoges sumerisches mu-
pa(d)-da VAB 1 20, 1, 5 u. ö., sowie die häufigen aktivischen Wendungen
mit nabii (vgl. Delitzsch, Handwörterbuch 441a) zeigen. Aber
wichtiger als der Name ist die Sache. Ich warf damals die Frage
auf ob nicht mahhü „verrückt" als Bezeichnung einer Priesterklasse
auf das Vorhandensein eines ekstatischen Priester- oder Prophetentums
hindeute. Der Verf. scheint es nicht für nötig befunden zu haben, dem