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Ausgabe: | 1925 Nr. 6 |
Spalte: | 123-127 |
Autor/Hrsg.: | Sanda, A. |
Titel/Untertitel: | Moses und der Pentateuch 1925 |
Rezensent: | Baumgartner, Walter |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 6.
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ein Gott Bethel und in Sichern ein Baal Berith; nur in
Hebron kennen wir den Namen des vorisraelitischen
Gottes nicht. 3. Endlich ist noch die Frage der Sagenanalyse
zu erwägen. Weill wirft, bis zu einem gewissen
Grade mit Recht, den Exegeten vor, daß sie dem von
ihm behandelten Problem des Ursprungs der Patriarchengestalten
allzu indifferent gegenüberständen (S. 2
Anm. 3), aber er selbst vernachlässigt seinerseits umgekehrt
allzu sehr die Ergebnisse der Sagenanalyse in
der Genesis. Wer mit Gunkel der Meinung ist, daß
Jakob und Esau im letzten Grunde den Gegensatz
zwischen dem Jäger und dem Hirten widerspiegeln
(Preußische Jahrbücher 1919 S. 339 ff.), oder wer mir
zustimmt, daß in der Josephsage die beiden Stoffe des
Wiedererkennungs - Märchens und des (ägyptischen)
Großveziers-Märchens die älteste Grundlage bilden
(Eucharisterion 1923. S. 1 ff.), den wird sein Verständnis
der Überlieferung hindern, in diesen Erzvätern ursprüngliche
Götter wiederzufinden. Trotzdem behält Weills
Untersuchung auch für diesen Standpunkt ihren Wert,
da sie die Frage nach der Übernahme kanaanitischer
Heiligtümer und der an ihnen erzählten Kultsagen
durch die Israeliten vertieft und in neue Beleuchtung
rückt; hier hat der Verfasser viele gute Beobachtungen
gemacht, die unsere Erkenntnis fördern und eine Auseinandersetzung
lohnend machen.
Bcrlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.
San d a, Prof. Dr. A.: Moses und der Pentateuch. Münster i. W.:
Aschendorff 1924. (VIII, 427 S.) gr. 8°. Alttestanientl. Abhanden
. IX. Bd., 4. und 5. Heft. Gm. 14—,
Der Verf. geht nicht darauf aus, „die konservativste
, heute von niemand mehr vertretene Meinung...,
daß der Pt. von Anfang bis Ende in der jetzigen Form
von Moses geschrieben sei", zu verteidigen (S. 388).
Er huldigt einer „gemäßigten Ergänzungshypothese":
„Aus tagebuchartigen Notizen und älteren Erzählungsvorlagen
sowie aus den hic et nunc erlassenen Gesetzen
wurde ein Werk zusammengestellt, welches man mit der
Zeit durch gewisse erzählende Zusätze und Gesetzesnovellen
je nach Bedarf ergänzte" (S. 60). Im einzelnen
ist die Entstehung des Pt. nach ihm folgende: Von der
Urgeschichte hat Moses den Schöpfungsbericht 1,1 bis
2, 4 a und die Völkertafel selber verfasst, das übrige disparaten
Traditionen entnommen und alles zu einem leidlichen
Ganzen vereinigt (S. 164 f.), desgleichen die
aus mehreren geographisch verschiedenen Überlieferungskreisen
stammenden (S. 52. 125 ff.) Patriarchengeschichten
(S. 130). So hat er die ganze Genesis,
wohl noch vor der Flucht nach Midian, geschrieben
(S. 395). Der Erzählung in Ex-Nu liegen seine tage-
buchartigen Aufzeichnungen zugrunde, aus denen ein
späterer Redaktor, vermutlich Josua, nach seinen Anordnungen
einen Auszug herstellte, der in der Hauptsache
nur das enthält, was das wunderbare Eingreifen
Gottes in die Geschichte des wandernden Volkes illustriert
(S. 131 f. 395). Die Reden Moses im Dt. hat
Josua nach dem Gehör wiedergegeben (S. 396). Die
poetischen Stücke des Pt. stammen durchweg von den
Männern, unter deren Namen sie laufen (S. 318 ff.).
Jünger als der Redaktor sind das Zahlensystem Gen. 5
und 11 (S. 394), das chronologische System der Vätergeschichte
(S. 52. 128 ff.), die für das ganze Volk angegebenen
Zahlen (S. 345. 394), Anachronismen wie
die Erwähnung von Philistern, Aram und Kasdlm (S.
20. 123. 128), und etliches anderes (S. 394 f.). —
Mosaisch sind auch — bis auf wenige spätere Zutaten
(S. 240f.) — alle Gesetze: „Das Bundesbuch
repräsentiert in der Hauptsache das vorsinaitische, im
Lande Gosen gebräuchliche Gesetzbuch der Israeliten,
welches Moses lediglich mit einigen Zusätzen versehen
und im Namen Jahves dem Volke gelegentlich der
Publikation des Dekalogs als verpflichtende Norm von
neuem auferlegt hat" (S. 173). Der elohistische Dekalog
(S. 181 ff.) und die Gesetze von P (S. 221 ff.) sind
aus Moses' Tagebuch in der Reihenfolge, wie er sie
erlassen, aufgenommen; das dt. Gesetz hat Mose dem
Josua in den letzten Tagen seines Lebens diktiert (S.
395 f.). Die Widersprüche zwischen Bb und den späteren
Gesetzgebungen sind in der vormosaischen Herkunft
der im Bb enthaltenen Bestimmungen begründet,
die von Moses durch die späteren Gesetze abgeändert,
präzisiert oder ergänzt wurden (S. 310 f.). Die son-
stigen Unstimmigkeiten und die Wiederholungen in der
j Gesetzgebung erklären sich aus der Entstehung in drei
I Etappen Bb, P und D — wobei die Ritualvorschriften
j des P nur für das Heiligtum der Bundeslade bestimmt
waren (S. 388), während H (S. 236) und D (S. 266)
sich an das Volk wenden. Die drei Teilschriften Gen,
Ex-Nu, Dt existierten ursprünglich getrennt; erst nach
der Auffindung des lange verschwundenen Dt unter Josia
(S. 249 ff.), wurden sie zur Thora verbunden und später
die Fünfteilung durchgeführt (S. 396 ff.). — Dies
das Ergebnis, das aufs eingehendste begründet und gegen
die neuere Kritik verteidigt wird; dazu längere historische
und geographische Ausführungen (S. 335—387),
21 Seiten Anmerkungen und Nachträge, eine Zeittafel
und ein Register.
Man kann nicht sagen, daß der Verf. sich seine
Aufgabe leicht gemacht hätte. Er scheut keine Mühe,
die eigene Auffassung nach allen Seiten hin zu stützen,
I die der „Hyperkritiker" zu widerlegen. Jede Seite des
; Buches zeugt von der langen Arbeit. Auch die altorientalischen
Denkmäler und modernen Reisebeschreibungen
sind mit Geschick verwertet. Sein Lösungsversuch ist
unstreitig originell. — Aber ist es wirklich die bessere
Lösung, d. h. diejenige, die den Tatbestand — den so
beschaffenen Pentateuch — besser, ungezwungener und
vollständiger zu erklären vermöchte als die Vierquellen-
i theorie? Ich muß es bestreiten. Nicht bloß deswegen,
i weil seine Voraussetzungen betreffend Offenbarung,
Wunder, Urmonotheismus usw. andere sind (S. 16 f.
j 91 f. 114), sondern in erster Linie deshalb, weil mir seine
Beweisführung völlig ungenügend erscheint. Die Art,
wie das Vorhandensein von Widersprüchen, Dubletten
und allem, was zur Annahme verschiedener Quellen
nötigen würde, bestritten wird, ist nichts anderes als
Harmonistik — trotz S. 51 muß ich diesen Ausdruck
i gebrauchen — kein Haar besser als diejenige von Rup-
I recht oder Wiener, und auch nicht überzeugender. Und
; mit den Beweisen für die Geschichtlichkeit des Er-
j zählten und die mosaische Herkunft der Gesetze steht
I es nicht anders. Willkürlich wird das ganz Unmögliche
als spätere Zutat ausgeschieden; der Rest wird
j unter Aufwand großer Gelehrsamkeit und mit vielen
! Beweisen, die das was sie sollten nicht beweisen, als alt
i und mosaisch „erwiesen". Man meint, schon die Kennt-
' nis der Geschichte der Pentateuchkritik (S. 8 ff.) müßte
i einen davor bewahren, die Lösung so sehr an der Ober-
j fläche zu suchen und auf der Gegenseite nur „aprioristi-
sche Voreingenommenheit ... und leichtfertiges Abur-
I teilen" (S. 52), „moralisch unmögliche, an inneren
[ Widersprüchen krankende Lukrubationen" (S. 69),
j „Leichtfertigkeit und ideelle Oberflächlichkeit" (S. 158),
„skrupellose Manie" (S. 394) zu sehen. So kann ich
Sf. den Vorwurf nicht ersparen, der Kritik ganz und gar
nicht gerecht geworden zu sein und ein Zerrbild von ihr
entworfen zu haben (vgl. S. 55. 387 u. ö.). Daß das
von den Kritikern den Redaktoren zugeschriebene Verfahren
durchaus nicht so unmöglich ist und auch nicht
der Analogien entbehrt (S. 58), beweisen die „Evangelienharmonien
", vor allem diejenige Tatians, derer.
Bedeutung für die Pentateuchkritik der unlängst verstorbene
Gautier in seiner Introduction ä l'Ancien Testament
I 45 ff. schön aufgezeigt hat. — Darum fällt es für
das Gesamturteil gar nicht ins Gewicht, daß an des Verfassers
Einwänden gegen die Kritik einzelnes berechtigt
ist. Daß man oft Quellenscheidung vorgenommen, wo
ohne dieselbe auszukommen ist, daß man die Tragweite
I des sprachlichen Kriteriums überschätzt, daß Well-