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Ausgabe:

1925 Nr. 5

Spalte:

102-105

Autor/Hrsg.:

Greßmann, Hugo

Titel/Untertitel:

Die Aufgaben der Alttestamentlichen Forschung 1925

Rezensent:

Hempel, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 5.

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tur von ihrem Anfang bis zum Ende aufzudecken, und
diesmal war die Ausgrabung weniger romantisch wie
einst die von Ninive, aber dafür um so sorgfältiger.

Wir wissen längst, daß die Assyrer nicht einfach
Babylonier sind, namentlich hethitische Element sind
sehr stark an der Entstehung Assyriens beteiligt. So
ist von vornherein anzunehmen, daß die assyrische Kunst
nicht einfach babylonisch ist. Die fremden Einwirkungen
lassen sich mit Händen greifen. W. Andrae
hat in seinem jüngst erschienenen Tafelwerke „Farbige
Keramik aus Assur" solche Einflüsse in der 2.
Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. festgestellt. Eine
starke Einwirkung muß auch noch im 1. Jahrtausend
stattgefunden haben, die Elfenbeinarbeiten, die Silberschalen
aus Nimrud, die von Layard gefundenen ägyptischen
Skarabaeen, usw. gaben Anregungen genug. Vor
30 Jahren hatte bereits AI. Riegl bei Besprechung der
berühmten Steinschwelle aus Ninive mit Lotusdekoration
gezeigt, wie der Assyrer das von außen empfangene
selbständig zu gestalten weiß. Es lohnt sich diese Untersuchungen
fortzusetzen, dann wird sich z. B. zeigen,
wie die Assyrer die aeg. Palmette, die sie vermutlich
durch syrisch - phönizische Übermittlung übernahmen ,
selbständig umgestalten, sie sieht wie ein organisches
Gebilde aus. Der sogen. Lebensbaum dürfte ebenfalls
assyrisch, nicht babylonisch sein, die (falsche) Benennung
zeigt schon, daß er auf den ersten Blick gar nicht
wie ein aus vielen Ornamenten künstlich zusammengesetztes
Gebilde erscheint.

Die Selbständigkeit, aber auch die Grenzen der
assyrischen Ornamentik treten in dem bereits genannten
Tafelwerk von Andrae deutlich hervor. Es ist eine
herbe und spröde Kunst, womit aber auch gesagt ist,
daß sie sich nicht allen Einflüssen von außen gefangen
gibt. Die spärliche Farbenskala, die mit Gegensätzen
arbeitet, ohne sie durch Übergänge zu mildern,
der geringe Formenreichtum, der trotzdem außerordentliche
Wirkungen zu erzielen weiß, wird auf ein unverbildetes
Gemüt den Eindruck nicht verfehlen.

Diesen Charakter hat die assyrische Kunst nicht
immer gehabt.

Die Periode, die am meisten erkannt, und darum
auch in vorliegendem Bande reichlich bedacht ist, die
Zeit Assurbanipals, sieht anders aus als ihre Vorfahren.
Sie hat sich viel reicher entfaltet, ist aber auch weichlicher
geworden. Die raffinierte Ausnutzung der Linie
(siehe Tf. 38) der Schattenwirkungen (in den Tf.
38 ff.) täuschen nicht darüber hinweg, daß die Frische,
die aus den älteren Denkmälern, z. B. noch aus den
Bronzetoren von Balawat spricht, verloren gegangen ist.

Die assyrische Kunst hat sich eben im Laufe der
Zeit gewandelt, weil sie eigenes Leben hatte, weil sie
trotz aller Entlehnungen eine durchaus selbständige
Kunst war.

Wer Betrachtungen, wie die oben gegebenen anstellt
, oder auf sich wirken läßt, wird mit Leichtigkeit
sich in die assyrische Kunst einleben und die herkömmliche
Geringschätzung abweisen, die nur die Tierdarstellungen
der letzten Zeit gelten läßt.

Webers kleines Werk gibt, soweit sich das auf 48
Tafeln machen ließ, einen guten Überblick über die
assyrische Plastik. Im Anfang ein höchst interessantes
Hin und Her. Man übernimmt die babylonischen Vorbilder
, weiß nichts rechtes damit anzufangen, dann
werden die Künstler selbständig und leisten Werke von
so rätselhafter Vollkommenheit wie das Frauenköpf-
Hien Tf. 7. Dann folgt die dunkle Zeit des 2. Jahrtausends
, mit den eigentümlichen Versuchen, die Gestalt
des menschlichen Körpers zu meistern, die später
jv1 der bekannten — man möchte fast sagen, berüchtigten
allzustarken Betonung der Muskeln führen.

Darauf die ziemlich reichlich bedachte Zeit Assurnasirpals
und Salmanassars II. Sie hat, wie oben schon
auseinandergesetzt, noch die Herbheit und Frische der
alteren assyrischen Kunst, noch nichts von der Überladenheit
der letzten Zeit (wozu sich in der Literatur
eine Parallele ziehen läßt, wenn man die Siegesberichte
Assurnasirpals und Assurbanipals vergleicht. Wie
man neue Wege sucht, zeigt die Statur Assurnasirpals
Tf. 12, von einem Kanon der Proportionen, der in der
relativen Kleinheit des Kopfes dem sonstigen mir bekannten
assyrischen Schema widerspricht. Diese Zeit
zeigt auch das so heftig getadelte Überschreiben der
Inschriften über die Zeichnung hinüber, so daß die
Hüften von Keilschrift bedeckt sind, ein eigentümliches
Verfahren, das nachher wieder aufgegeben wird (Tf.
13). Die Sache bedarf einer genaueren Untersuchung.

Sehr hübsch ist die Nebeneinanderstellung eines
Löwen und eines geflügelten Stiers mit Menschenkopf
(Tf. 14 und 15) beide als Torwächter gedacht. Der
Löwe (es wirken da wohl hethitische Einflüsse mit)
wirklich furchterweckend großartig. Der Stiergenius
feierlich würdevoll. Der Tadel, den der Herausgeber
über diese letzte Figur ausspricht, erscheint freilich
unberechtigt. Der Stier ist nicht als Wächter einer
Burg gedacht, der die Feinde abhalten soll, sondern als
Türsteher eines königlichen Palastes, ganz Würde und
Feierlichkeit, wie es sich gehört. Darauf Bilder vom
schwarzen Obelisken Salmanassars und den Bronzetoren
von Balawat und dann die Sargonidenzeiten mit ihren
großartigen Versuchen die Landschaft wiederzugeben.
Hier hätte man etwas mehr gewünscht. Die Zeit San-
heribs ist, soviel wir heute wissen, die, die versucht, das
Raumproblein zu meistern, die wenn auch bescheidene
Ansätze zur linearen Perspektive macht. Darum vermißt
man die Belagerung von Lachisch und den Transport
des Steinkolosses ungern. Als Parallele zum Kampf
Assurbanipals gegen Elam wären sie recht lehrreich.
Aus der letzten Zeit finden wir vornehmlich die Tier-
darstellungen, (Tf. 40—48) deren ergreifender seelischer
Ausdruck mit Recht berühmt geworden ist. Es scheint,
die Künstler Assurbanipals wollten sich hier schadlos
halten für den Zwang, die übrigen Darstellungen in
den hergebrachten konventionellen Formen wiedergeben
zu müssen.

Gegen den Text, der mit knappen Worten das Nötige
sagt, hätte ich einen prinzipiellen Einwand zu
machen. Leider scheint sich auch Weber von der Sitte
nicht ganz frei machen zu können, die z. B. für die
recht unzulängliche Gesch. der assyr. Plastik von Bs.
Meißner kennzeichnend ist, die Kunst einer fernen Vergangenheit
von der Höhe des 20. Jhs. aus geringschätzig
zu beurteilen. So wird er den Versuchen der
Künstler Sanheribs, Menschenrnassen darzustellen nicht
gerecht, und der Laie, der das Buch liest, bekommt von
der Bedeutung der assyrischen Kunst nicht die richtige
Vorstellung. Eine Darstellung der babylonischen und
assyrischen Kunst, ähnlich denen, die für Aegypten und
Ostasien vorliegen, tut dringend not.

Noch eins sei zum Schluß erörtert, was gerade für
das Arbeitsgebiet, dem diese Zeitschrift dienen soll,
wichtig ist. Vor mehr als zwanzig Jahren hat Franz
Wickhoff in seiner Einleitung zur Wiener Genesis ausgeführt
, daß die Bildersprache des Alten Testaments
überhaupt der gesamte Vorstellungskreis der Israeliten
aufs stärkste von der babylonisch-assyrischen Kunst beeinflußt
sei. Ich weiß nicht, ob eine genauere Untersuchung
dieses Problems geführt worden ist. Sonst
wäre es an der Zeit, auch diese Arbeit einmal aufzunehmen
.

Berlin. M. Pieper.

Greßmann, Prof. D. Dr. Hugo: Die Aufgaben der Alttesta-
mentlichen Forschung. (Sonderabdruck aus der Zeitschr. f. die
Alttestamentl. Wissenschaft.) Gießen: A. Töpelmann 1924. (II,
33 S.) gr. 8°. Gm. —50.

Mit dem vorliegenden, temperamentvoll geschriebenen
Aufsatz hat Greßmann den 1. Bd. der Neuen Folge
der ZaW. und sich selbst als deren Herausgeber eingeführt
. So wird auch der Maßstab, der an seine Ausführungen
anzulegen ist, ein doppelter sein müssen, je