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Ausgabe:

1925 Nr. 4

Spalte:

91

Autor/Hrsg.:

Pesch, Heinrich

Titel/Untertitel:

Des wissenschaftlichen Sozialismus Irrgang und Ende 1925

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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91

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 4.

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vielmehr muß jeder seine eigenen Interessen wahrnehmen durch die
Förderung des Wohles der Gesamtheit" (p. 345).

Wir können nicht glauben, daß durch dieses Buch die Klärung
der Probleme der Ethik, insbesondere der politischen Ethik wesentlich
gefördert wird.

Potsdam. C. Schweitzer.

Pesch, Heinrich, S. J.: Des wissenschaftlichen Sozialismus

Irrgang und Ende. Sonderdruck aus Pesch, Lehrbuch der Nationalökonomie
I. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1924. (IV, 69 S.) gr.8°.

Gm. 1.20.

Das Büchlein ist ein Sonderabdruck aus dem ersten
Bande des großen Lehrbuches der Nationalökonomie. Es
schildert zunächst die vormarxistischen Theorien, um
dann etwas länger beim Marxismus selber zu verweilen.
Die ruhige, klare, nicht eben Neues bietende Darstellung
ergibt, daß dieser „wissenschaftliche Sozialismus" mit
seinen beiden Grundpfeilern, der materialistischen Geschichtsauffassung
und der Marx'schen Werttheorie, der
Kritik der Wissenschaft nicht standhält und darum auch
tatsächlich hingesunken ist. Über den gegenwärtigen
Zustand der Götterdämmerung des Sozialismus hätte
man gern Ausführlicheres gehört. Zum Schluß wird
kurz erwähnt, daß Christentum und Sozialismus entgegengesetzt
seien, es also keinen christlichen Sozialismus
geben könne. Das Ganze ist lediglich Präludium.
Ob man solche lediglich negative und kritische Darstellungen
ohne die dazu gehörige positive Ergänzung
ins Volk hinausschicken sollte, darüber kann man verschiedener
Ansicht sein.

Iburg. W. T h i m in c.

Sawicki, Prof. Dr. Franz: Philosophie der Liebe. Vorträge.
Paderborn: F. Schöningh 1924. (IV, 130 S.) 8°. Gm. 1.50.

Es sind drei Volkshochschulvorträge, die der durch seine Apologetik
bekannte katholische Verfasser hier veröffentlicht, um „der
modernen Literatur über den Eros ein in christlichem Geiste gehaltenes
Büchlein an die Seite zu stellen". Der Ton ist vornehm,
die Sprache edel, mit vielen wertvollen Zitaten gewürzt. Gut wäre es
gewesen, wenn den reichen psychologischen Betrachtungen eine
energischere normative Bestimmung der Liebe zur Seite getreten, etwa
genauer gezeigt worden wäre, daß und wiefern diese prinzipiell nur
auf „Personen" gerichtet sein kann. So hätte bei genauerer Bestimmtheit
auch nicht mehr von einem „Zuviel an Liebe" (69) die
Rede sein können, wie denn überhaupt trotz der sympathischen Art
des Verf. auch der katholische Standpunkt häufig zur Kritik herausfordert
: z. B. die Unterscheidung von praeeepta und consilia bezügl.
der Feindesliebe (67) oder die katholische Auffassung von Liebe und
Gerechtigkeit im Gottesgedanken (69) oder die etwas oberflächliche
Behauptung, Gott zu hassen sei „im Grunde" unmöglich (30) —, ja,
wenn das böse Gewissen nicht wäre! Überhaupt hätte das neutesta-
mentlich-christlichc Verständnis der Liebe Gottes eingehender Untersuchung
bedurft.

Halle a. S. F. W. Schmidt.

Jaeger, Werner: Stellung und Aufgaben der Universität in
der Gegenwart. Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung
der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft zu Kiel im
November 1923. Berlin: Weidmann 1924. (27 S.) 8°. Gm. —80.
Ein Vortrag mit allgemeinen Betrachtungen über
Gegenwartsstellung und Zukunftsaufgaben der Universität
. Zur Sprache kommt der viel enger gewordene Zusammenhang
mit dem praktischen Leben, die Stellung
der Universität zum Erziehungsproblem, der Einfluß des
Geistes der modernen Pädagogik (Abneigung gegen
formale Denkzucht; das Eindringen sog. großer Gesichtspunkte
in den Unterricht, das Sträuben der Jugend
gegen das mehr oder minder mechanische Handwerk
der wissenschaftlichen Facharbeit). J. stellt als
Ergebnis der Betrachtung der Stellung unserer Universitäten
im Ganzen des staatlichen Erziehungssystems
ein starkes Defizit fest, das seinen Grund in dem Auseinanderregieren
von Universität und Schule hat. Seine
Hoffnung für die Zukunft liegt in der Jugendbewegung,
von der er (ohne ihre Schwächen zu übersehen) einen
Durchbruch neuer Innerlichkeit erwartet. Zuletzt behandelt
J. das Verhältnis der Universität zum geistigen
Leben unserer Zeit. Dabei lehnt er eine unmittelbare
Führerschaft der Universität über die Masse und in
dem weiten Reich der allgemeinen Bildung ab, weil sie

dem Wesen wahrer Wissenschaft widerspricht. Er bezeichnet
das Wort, die Universität sei eine Fachschule
mit schlechtem Gewissen, als unzutreffend. „In allen
Wurzeln der Einzelforschung drängt und dehnt sich
neue Lebenskraft, die sich fühlt als Saft des einen großen
Baumes der Allwissenschaft, Philosophie." Man
mag manches anders ansehen, mag insbesondere weniger
optimistisch gestimmt sein als der Verf., seine
Gedanken wird man jedenfalls als sehr anregend bezeichnen
müssen.

Breslau. M. Schi an.

Steinbeck, Joh.: Der religionsgeschichtliche Unterricht in
der Schule. Langensalza: H. Beyer & Söhne 1924. (VII, 76 S.)
8°. = Friedr. Mann's Pädagog. Magazin, Heft 988. Gm. 1—.

Eine ruhige und umsichtige Darlegung des Problems
. In dem praktischen Ergebnis stimme ich dem
Verfasser zu: religionsgeschichtlicher Stoff soll im
Schulunterricht nicht völlig abgelehnt, aber nur mit
Vorsicht und in bescheidenen Grenzen dargeboten werden
. Mir scheint es wichtiger, daß der Lehrer in der Religionsgeschichte
wirklich bewandert ist und in gegebenen
Fällen verständnisvoll das Charakteristische
zum Vergleich heranzuziehen weiß, als daß der Lehrplan
— zumal für die unteren Stufen und für die Volksschulen
— mit allerlei neuem Stoff belastet wird. Nichts
halte ich im Wirrwarr der Gegenwart nötiger als Konzentration
. Die Meinung, daß gerade die Schule alles
darbieten könne und müsse, ist ein verderblicher Wahn,
wo wir doch heutzutage neben der Schule so viele
Bildungsmöglichkeiten haben.

In der Begründung weiche ich vom Verfasser ab.
Es ist richtig, daß die Religionsgeschichte keineswegs
eine geradlinige Entwicklung und einen steten Fortschritt
, sondern mannichfachen Wechsel und neben Aufwärtsbewegungen
oft genug Degeneration und Verfall
darstellt. Aber was Steinbeck über die ,Urreligion' bemerkt
, ist ebenso wie die Meinung seiner Gegner mehr
Postulat als sicheres Ergebnis. Ebenso scheint mir die
von ihm vertretene Scheidung zwischen den ,biblischen'
und den andern Religionen nicht restlos durchführbar zu
sein. Durch Sokrates, Plato, Konfuzius usw. ist das
Gottesreich unter den ,Heiden' ähnlich vorbereitet wie
in Israel durch die Propheten. Gerade wenn man unter
Offenbarung nicht Mitteilung von Lehren und Vorstellungen
über Gott und göttliche Dinge, sondern die
Selbstmitteilung des Wesens und Willens Gottes versteht
, wird man dem, was auf dem Boden der Völkerwelt
im Gewissen und an sittlichen Kräften und Zielen
wie an religiöser Ahnung, Sehnsucht und Erkenntnis
vorhanden ist, gerechter werden können, als dies SS. 39
und 41 geschieht. Überaus lehrreich ist der Aufsatz von
Haas ,das Bild Muhameds im Wandel der Zeiten' in der
Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft
1916. Ein Satz wie ,Die Religion ist nicht um des
Menschen willen da, sondern um Gottes willen' (S. 28)
ist logisch und praktisch unhaltbar. Die Begriffsbestimmung
des ,Christentums' als ,die eigentliche
Heils lehre' Jesu und der Apostel auf Grund der
in Christus geschenkten Gottesoffenbarung' (S. 69) ist
formell anfechtbar, ebenso die Bezeichnung ,Offen-
barungsunterricht' (S. 75). Rechte Duldsamkeit, die eine
ernsthafte Gegnerschaft und Auseinandersetzung nicht
ausschließt, beruht aut dem Bestreben, den Gegner zunächst
wirklich zu verstehen. Uebrigens bekenne ich als
meine persönliche Ansicht, daß die religionsgeschichtliche
Springflut allmählich abflauen wird. — Aut S. 49
muß es wohl Psalm 139 (statt 135) heißen.

Frankfurt a. Main. W. Borne mann.

Jetter, Rektor: Die psychologische Gestaltung des Religionsunterrichts
. Langensalza: H. Beyer 8i Söhne 1924. (25 S.) 8°.
= Friedr. Mann's pädagog. Magazin, Heft 990. Gm. —35.
Ein schlichter Vortrag, warm und wohlgemeint, aber ohne neue
Gesichtspunkte und ohne Begrenzung auf das gewählte Thema, nicht
geeignet, besondere Erwartungen zu erfüllen. Theologisch ist der