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Ausgabe:

1925 Nr. 3

Spalte:

58

Autor/Hrsg.:

Ruisbroeck, Jan van

Titel/Untertitel:

Die Zierde der geistlichen Hochzeit und die kleineren Schriften 1925

Rezensent:

Clemen, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 3.

58

von dem reichen Kloster Unterstützung empfingen. Beachtenswert
ist etwa, was über Reichenau und St. Blasien
beigebracht wird. Prof. J. Mayer gibt ein Lebensbild
des Lyzeumsdirektors Joseph Loreye, dem er
anschließt, was Alban Stolz in seinen Schriften über
ihn berichtet. Es ist beachtenswert, wie die Lehranstalt
in Baden-Baden nach Aufhebung des Jesuitenordens
herabkam, während die Tätigkeit der Jesuiten
gerühmt wird und das Volk ihre Entfernung schmerzlich
empfand. Der junge Priester Loreye war erst Lehrer
an der Badener Studienanstalt, siedelte aber nach Rastatt
über, als jene Anstalt dorthin verlegt und dort ein
Lyzeum gebildet wurde, an dem er nach zehn Jahren
zum Direktor aufstieg. Als ein Kind seiner Zeit stand
er auf dem Boden der Aufklärung und kam mannigfach
mit der kirchlichen Behörde in Zwist, aber wurde allmählich
ein guter Katholik, der allgemeine Achtung genoß
und das Rastatter Lyzeum zu hoher Blüte brachte.
Nicht recht verständlich ist, wie die Arbeit von J.
Clauß Nekrologium (1351 — 1529) und Grabschriften
(1306—1781) der Stadt Schietstadt i. Eis. in das Freiburger
Diöz. A. Aufnahme finden konnte, wenn dieses
auch die angrenzenden Bistümer berücksichtigen will.
Der wörtliche Abdruck des Nekrologiums, d. h. der
Stiftungsakten der Anniversarien lohnt sich nicht recht.
Dagegen bietet die Einleitung manche beachtenswerte
Bemerkung, z. B. über soziale Mißstände des niedern
Klerus und die schlechten Einkünfte der Kaplane am
Ausgang des Mittelalters, wie über schreckliche Mißstände
in der Seelsorge. Daß die Reformation eine
Notwendigkeit und Wohltat war, wird aber nicht anerkannt
. Die Grabschriften folgen im nächsten Band.
Zu wünschen wäre ein tieferes Graben, z. B. über die
Wirkung des Trienter Konzils auf die Diözese Konstanz,
über das fromme Leben in den Gemeinden. Eine Fortsetzung
der registra subsidii charitativi wäre erwünscht
.

Stuttgart. O. Bossert.

Zwingliana. Mitteilungen z. Gesch. Zwingiis u. ti. Reformation. 1924,
Nr. 1 u. 2. Zürich: Berichthaus.

Der neue Lehrgang gibt ein Bild von Ökolampads
Gattin Wibrandis und von Melanchthon, das wahrscheinlich
von Barthel Beham in Anlehnung an Dürers Me-
lanchthonbild stammt, aber den Reformator freundlicher
gibt und sich für künftige Abbildungen empfiehlt. Sehr
willkommen ist die Arbeit von Diethelm Fretz „Zur
Lebensgeschichte des Chronisten Bernhard Wyß", dessen
für die Geschichte der Züricher Reformation wichtige
Chronik von 1519—1530 G. Finsler in den Quellen
der Schweizerischen Reformationsgeschichte herausgegeben
hat. Merkwürdig ist der Aufstieg des Ravens-
btirger Bäckers, der zuerst in Baden im Aargau sich
niederließ und später nach Zürich übersiedelte und als
begeisterter Anhänger Zwingiis noch mit 68 Jahren mit
Zwingli ins Feld zog und 1531 bei Kappel fiel, zum
Modisten und dann zum Chronisten. FL Escher bringt
den lang vermißten und auf einer Auktion in London erworbenen
Brief Zwingiis an den Herzog Franz Sforza
von Mailand vom 3. Sept. 1531 zum Abdruck. Man
sieht, wie Zwingli eifrig für einen großen Bund zum
Schutz gegen das Papsttum warb. Conradi-Sulzer gibt
den Entwurf eines Schreibens des Züricher Chorherrn
Heinrich Utinger an Bürgermeister und Rat 1532,
in welchem Utinger die Verdienste seiner Vorfahren
und seine eigenen um Zürich rühmt. Für den Stand
der Sittlichkeit in Zürich vor der Reformation ist der
Satz S. 246 zu beachten: „Sunst bin ich mit mezzen-
gschefft und böggenwerch to rechtig gsin, wie ander
bürgersün, doch jedermann ane schaden." Musikfreunde
werden die Arbeit E. Bernoullis begrüßen, Johannes
Fries, Petrus Dasypodius und Ägidius Tschudi,
drei musikfreundliche Humanisten", wozu er auch einige
Noten gibt. Fritzjecklin liefert auf Grund von neu
zu Tag getretenen Akten „Urkundliche Beiträge zur bünd-

nerischen Reformationsgeschichte". Er behandelt das
Schicksal der drei Klöster St. Luzi bei Chur, St. Jakob
in Klosters und St. Nikolai in Chur in der Reformationszeit
. Man sieht, wie wenig widerstandsfähig die alte
Kirche war gegenüber der Volksstimmung, wie stark
die Ilanzer Artikel von 1526 wirkten. Vom Stand der
Leser der Zwingliana ist es verständlich, daß Hermann
Escher einen kurzen Auszug des ersten Bandes des
großen Werkes von Prof. D. W. K ö h 1 e r „Zwingli und
Luther, ihr Streit um das Abendmahl in seinen politischen
und religiösen Beziehungen" gibt. Aber auch
weitere Kreise, denen das große Werk nicht zugänglich
ist, werden den Auszug begrüßen. Der Jahresbericht
des Zwinglivereins zeigt, daß die Vorbereitungen für den
Druck von Bullingers Briefwechsel rüstig vorwärtsschreiten
, aber die Mittel zum Druck noch bescheiden
sind.

Stuttgart. G. Bossert.

Kastl, Johannes v.: Wie man Gott anhangen soll (De adhaerendo

Deo). Nach d. neuentdeckten vollst. Lateintexte übertr. u. eingel.

v. Prof. Dr. Wilhelm Oehl. Paderborn: F. Schöningh 1923. (88 S.)

S°. = Dokumente d. Religion. 2. Bd. geb. Gm. 1.50.

Das Büchlein De adhaerendo Deo galt als Schwanengesang
des Albertus Magnus, bis 1920 Martin Grabmann nachwies, daß es erst
hundert Jahre nach Alberts Tode, um 1400, von dem Benediktinermystiker
Jon. von Kastl (bei Neumarkt) verfaßt ist. Grabmann zeigte
auch, daß der bisher bekannte Text von 16 Kapiteln unvollständig ist
und nur etwa */« des ursprünglichen Umfangs von 20 Kapiteln, wie
er in einigen Münchener Handschriften aus Tegernsee vorliegt, enthält
. Dann erwies der belgische Benediktiner Dom J. Iluvbcn, daß
das Büchlein „fast Satz für Satz, eine geniale Kompilation, eine
wundervolle Blütenlese aus den beliebtesten theologischen Werken des
christlichen Altertums u. Mittelalters, von Athanasius und Cassianus
bis auf Ruysbroeck u. Gerhard Groot" ist. „Der deutsche Thomist
Joh. von Kastl stand unmittelbarst unter dem Einfluß der niederländischen
Mystik, der moderna devotio". — Die vorliegende erste
deutsche Übersetzung des vollständigen Textes von Oehl ist als wohlgelungen
zu bezeichnen.

Zwickau i. S. O. C lernen.

Ruisbroeck, Jan van: Die Zierde der geistlichen Hochzeit
und die kleineren Schriften. Hrsg. u. übertr. v. Friedrich
Markus Huebner. Leipzig: Insel-Verlag 1924. (408 S.) gr. 8°. =
Der Dom. Bücher deutscher Mystik. Hlwd. Om. 7—; Hpgt. 9—.
Diese Ausgabe enthält das erste Drittel des Buchs von den
zwölf Beghinen (schon 1916 als Nr. 206 der Inselbücherei veröffentlicht
), ferner die Traktate: Samuel oder das Buch von der
höchsten Wahrheit, die sieben Stufen der geistigen Liebestreppe,
das Handfingerlein oder vom blinkenden Sterne, das Buch von den
vier Versuchungen, endlich: die Zierde der geistlichen Hochzeit (schon
während des Krieges in einer numerierten Vorzugsausgabe im Insel-
vcrlag erschienen). Die Obersetzung folgt dem flämischen Urtext in
der von der Gesellschaft flämischer Bibliophilen Gent 1858—1868 veranstalteten
sechsbändigen Ausgabe und liest sich recht gut. Eine
Einleitung handelt von den Wechselbeziehungen zwischen der deutschen
und der flämischen Mystik und zwischen Ruisbroeck, Eckhart
und Tauler, ein Nachwort von Ruisbroecks religiösem Denken und
Fühlen.

Zwickau i. S. O. C lernen.

Ferrer, San Vicente: Die Lehre vom geistlichen Leben

(Tractatus de interiori homine). Übr. v. P. Sigismund Brettle,
O. M. C. Paderborn: F. Schöningh 1923. (91 S.) 8*. = Dokumente
d. Religion. 4. Bd. geb. Om. 1.50.

Brettle ist mit Studien über den bedeutenden spanischen
Dominikaner und Bußprediger Vicente Ferrer
beschäftigt, der im großen abendländischen Schisma
für die Päpste von Avignon tätig war, sich dann aber
dem vom Konstanzer Konzil gewählten Oberhaupt der
Kirche anschloß, 1419 starb und 1456 heilig gesprochen
wurde. Als Vorfrucht veröffentlicht er eine Übersetzung
seiner Schrift De vita spirituali mit einer kurzen
Einleitung. Die Schrift umfaßt 21 Kapitel, die von der
Armut, dem Stillschweigen, den geistlichen Übungen',
dem Verhalten im Kloster, dem Predigen und Beichthören
, den Versuchungen usw. handeln und von tief
religiösem Gemüt, einer kindlich frommen Seele und
reicher Erfahrung im Seelenleben Zeugnis ablegen. Wie