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Ausgabe: | 1925 Nr. 3 |
Spalte: | 56-57 |
Titel/Untertitel: | Freiburger Diözesan-Archiv. N. F., 25. Bd 1925 |
Rezensent: | Bossert, Gustav |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 3.
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treffen und bereits im 18. Jahrhundert spürbar sind,
werden sie im dritten Bande des Werkes behandelt.
Schon ist dieser dritte Band gesetzt, und schon ist eine
Lieferung erschienen. Wir hoffen aber bestimmt, daß
damit das Werk nicht zum Abschluß komme, sondern
daß es dem hochverehrten Herrn Verfasser vergönnt
sei, auch den weiteren Band, der die Helvetik behandelt,
auszuarbeiten und darüber hinaus die Darstellung des
schweizerischen Protestantismus im 19. Jahrh. in Angriff
zu nehmen.
Basel. Ernst Staehelin.
Noyes, Carleton: The genius of Israel. A Reading of Hebrew
Scriptures Prior to the Exile. Boston: Houghton Mifflin Company
1924. (XI, 401 S.) gr. 8°. $ 5—.
Die Lektüre dieses Buches ist ein Genuß. Bewundernswert
ist nicht nur die edle Sprache, die durch
Schönheit des Ausdrucks und bildnerischer Kraft überrascht
, sondern auch der Reichtum an anregenden Beobachtungen
und Gedanken. Es enthält sozusagen eine
Geschichte des vorexilischen Volkes Israel, freilich in
eigenartiger Form, über die der Verfasser selbst im Vorwort
sich so äußert (S. VIII): „An interpretation rather
t'nan a history, this book aims to portray the Israelites
as they were in the flesh, at work and at play, in the
actual circumstances of their everyday experience, and
in their relations with contemporary nations. The
genius of Israel was supremely a genius for religion."
Dies Programm hat er in der Tat durchgeführt und
überall versucht, in der Geschichte Israels und vornehmlich
seiner Religion die charakteristischen Züge seines
Porträts zu erkennen und dem Geheimnis seiner Seele
zu lauschen. Trotz der gediegen-volkstümlichen Darstellung
, der alle Anmerkungen und Verweise fehlen,
merkt man, daß das Buch auf dem festen Grunde der
modern-kritischen Forschung ruht; es atmet durchaus
wissenschaftlichen Geist und fördert auch das wissenschaftliche
Verständnis, das sich nicht damit begnügen
sollte, die geschichtlichen Tatsachen festzustellen, sondern
sie zu deuten. Jeder echte Historiker muß zugleich
(in diesem Sinne!) ein Dichter sein, und der Verfasser
des vorliegenden Werkes ist beides, aber mit der
Einschränkung, daß der Dichter in ihm den Historiker
überwiegt. Nicht als ob die Phantasie mit ihm durchginge
; sie bleibt vielmehr innerhalb der Grenzen, die
dem Historiker gezogen sind. Dennoch empfinde ich
eine gewisse Schwäche des Buches: In der Feststellung
der Tatsachen nimmt es die Ergebnisse der Kritik im allgemeinen
hin, ohne eine Neuorientierung auch nur zu
versuchen. So bleibt etwa die Gestalt eines Mose in
allem Wesentlichen so, wie er dem kritischen Forscher
vor Augen steht; eigenartig ist dagegen die künstlerische
Kraft, mit der die nomadischen Züge in seinem Bilde
geschaut und zugleich im Charakter Israels und seiner
Kultur hervorgehoben werden. Solche feinsinnigen Betrachtungen
sind es also, die den Reiz des Buches ausmachen
und auch für die Fachgenossen wertvoll sind,
die aber an sich einen viel größeren Leserkreis verdienen
.
Bcrlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.
Rüther, Dr. Theodor: Gott ruft die Seele. Auslese aus Clemens
von Alexandrien. Paderborn: F. Schöningh 1923. (87 S.) 8». =
Dokumente "der Religon IX. geb. Gm. 1.50.
Auf 62 SS. (der übrige Raum wird durch die Einleitung
, Anmerkungen und Register ausgefüllt) und in
21 Abschnitten (je 5 aus Protrept. und Paedag.,
11 aus Strom.) ist hier eine Anthologie aus den
Werken des Clemens in deutscher Sprache hergestellt.
Solche für bedeutende Kirchenväter zu schaffen halte ich
für nützlich und fördernd. Dabei hat man sich zu entscheiden
, ob man der ganzen Eigenart des Schriftstellers
an sich und im Verhältnis zu seiner Zeit gerecht
werden, oder ob man ihn aus dieser heraus nehmen
und dadurch seinen Gedanken und Sprüchen etwas Zeitloses
geben, oder ob man ein mittleres Verfahren befolgen
will. Ich habe bei meiner Augustin-Anthologie Letzteres
versucht, weil die Werke Augustins diese Möglichkeit
m. E. bieten und weil das erste Verfahren nur ein sehr
kleines Publikum finden wird (das zudem solche Antho-
logieen nicht nötig hat), das zweite aber wissenschaftlich
schwer zu rechtfertigen ist. Auch der wohl vorbereitete
und kundige Verfasser vorstehender Anthologie
hat augenscheinlich das mittlere Verfahren befolgt, und
der moderne Leser wird, da die Auswahl sehr überlegt
ist, sicherlich von dem Schriftsteller Clemens einen
zutreffenden Eindruck erhalten; ob aber auch von dem
Denker ist mir fraglich, und ebenso fraglich ist mir, ob
ihn der Denker und Schriftsteller innerlich packen wird.
Clemens ist eben nicht Augustin; schon als Morgenländer
steht er uns viel ferner. Ich muß daher die Aufgabe
, ihn durch eine Anthologie dem Publikum nahe zu
bringen, angesichts dieses Büchleins für schwer lösbar
halten, würde mich aber freuen, wenn ich mich irrte.
Die Übersetzung, wo ich sie kontrolliert habe, ist
gut und lesbar. Doch würde ich (S. 38) nicht übersetzen
: „Kostet und schauet, wie angenehm (y.QrjOTÖg)
der Herrgott ist", auch nicht (S. 46): „Er legt nicht
bloß linde Heilmittel auf, sondern auch solche, die
schrinden." Die Anmerkung zu S. 48: „Es liegt nahe,
bei der Salbung des Fleisches an die Firmung zu
denken", ist nicht am Platze; denn eine „Firmung" gab
es damals noch nicht. Auch die Aufforderung (zu
S. 58), hier die Lehre von der fides formata zu vergleichen
, könnte nur zu einem negativen Ergebnis führen
; denn der Satz: „Die Liebe macht vermöge ihrer
innigen Verbindung mit dem Glauben die Menschen zu
Gläubigen", sagt etwas ganz anderes als was das
Dogma von der fides formata will. Sonst aber finden
sich modern katholische Einmischungen in dem Büchlein
nirgendwo.
Berlin. Adolf v. Harnack.
Freiburger Diözcsan-Archiv. Zeitschrift des kirchengescliichtlichen
Vereins für Geschichte, christliche Kunst, Altertums- und Literaturkunde
des Erzbistums Freiburg mit Berücks. der angrenzenden
Bistümer. Neue Folge, 25. Bd. (Der ganzen Reihe 52. Bd.)
Freiburg i. B.: Herder & Co. 1924. (IV, 261 S.) gr. 8°. Gm. 4—.
Unter den 6 Abhandlungen verdient die Darstellung
des Streites um das Konstanzer Bistum unter Sixtus IV.
1474—1480 von Univ.-Professor Dr. Göller Beachtung
durch die Historiker. Er hat die Urkunden des Vatikanischen
Archivs, von denen er Auszüge in den Beilagen
i gibt, und die gleichzeitige Traktatliteratur, wie die gesamte
einschlagende neuere Literatur benutzt. Sehr zu
beachten ist der Sieg des Kaisers über den Papst, wie
der Sieg des Konstanzer Kapitels trotz aller päpstlichen
Strafen. Nicht weniger zu beachten sind die Ansätze
zum landesherrlichen Kirchenregiment, wie die gereizte
Stimmung in den Domkapiteln gegen das kuriale Be-
setzungs- und Steuerwesen (S. 20.) Ein lapsus calami
ist S. 6 Anm. 3 Waldeck statt Waldburg. Die Geschichte
der beiden Pfarreien Weilersbach Dek. Triberg
von W. Becker und Urberg Amt St. Blasien von M.
; Schlegel ist recht unbedeutend. Man erfährt nichts von
! Benutzung des Ordinariatsarchivs in Freiburg. Nur die
Bildung der Pfarrei und ihre einstigen und jetzigen
Filialien kommt in Betracht. Das innere Leben der Gemeinde
, die kirchliche Sitte, die Kirchenzucht, die häusliche
Andacht, die Wallfahrten, die Liebestätigkeit der
Gemeinde werden nicht beleuchtet. Zum Staunen ist,
i was die Gemeinde Weilersbach für ihre Pfarrei und
| deren Bedürfnisse und Gebäude in den letzten Jahr-
j zehnten geleistet hat. Ein wahres Sammelsurium ist die
| Arbeit des Einsiedler Klosterbruders Odilo Ringholz
über Beziehungen des Benediktiner - Stiftes Einsiedeln
zu ehmaligen Klöstern etc. in Baden. Alle klösterlichen
1 Anstalten für Männer und Frauen, und wären sie noch
| so klein, werden nach dem Alphabet darauf angesehen,
ob sie zu Einsiedeln Beziehungen hatten und namentlich