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Ausgabe:

1925 Nr. 26

Spalte:

605-606

Autor/Hrsg.:

Friedrich, Johannes

Titel/Untertitel:

Aus dem hethitischen Schrifttum. 1. Heft: Historische Texte, Staatsverträge, königliche Erlasse, Briefe, Gesetze, wirtschaftliche Texte 1925

Rezensent:

Gustavs, Arnold

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605

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 26.

606

als vollständig anzusehen. Verstümmelt ist dagegen der Name des
Vaters. Da das Ha-bir-a-a hinter diesem steht, ist nicht mit Sicherheit
zu entscheiden, oT> es auf den Namen des Vaters oder des Sohnes sieh
bezieht.

Die eben genannten drei Namen würden denen
wieder Recht geben, welche die Gleichung Habiru-
Hebräer ablehnen und Habiru als appellativum fassen.
Wahrscheinlich ist überhaupt für die beiden ersten Namen
der Deutung der Vorzug zu geben, die Ha-pir-a-a
(das Zeichen BIR kann auch pir gelesen werden) von
Hapir, dem einheimischen Namen Elams, ableitet. Jedenfalls
würde dann die Volksbezeichnung genau zusammenstimmen
mit den beiden einmischen Namen Har-bi-si-
pak und Ku-dur-ra. Wäre es nicht doch ein merkwürdiges
Spiel des Zufalls, wenn die einzigen Namen, die uns
von Habiru-Leuten, die als Semiten angesehen werden
sollen^ überliefert sind, sich ausgerechnet als elamisch
erweisen? So wird man diese beiden Männer nicht
als Habiru bezeichnen dürfen, sondern ihren Namen gemäß
als Kassiten oder Elamier. Ist diese Deutung
richtig, so fallen die beiden Namen für die Beweisführung
natürlich aus.

In dem Ausdruck iläni Ha-bi-ri der Schwurgöttcr-

listen von Boghazköi findet Jirku eine Gottheit Habiri
mit pluralischer Determination; er sieht darin eine Entsprechung
zum Plural von □ hT?J$. Es gibt wohl in

einer assyrischen Götterliste eine Gottheit iluHa-bi-ru;
aber iläni Ha-bi-ri haben alle anderen außer Jirku bisher
mit „Götter der Habiru" wiedergegeben. Ich halte diese
letzte Übersetzung für die einzig richtige, muß jedoch
die philologischen Notwendigkeiten, die zwingend dazu
führen, an anderer Stelle auseinandersetzen.

Den in babylonischen Sternlisten sich findenden
kakuab amei SA. GAZ übersetzt Jirku mit „Stern der
Hebräer" (S. 30). Das ist sehr anfechtbar; denn in
einer Parallelstelle geben die babylonischen Gelehrten
selbst die Aussprache dieses Ausdruckes mit hab-ba-tum
an (II R 49 Nr. 3). Es ist also mit Weidner Handbuch
der babylonischen Astronomie S. 11 „der Räuberstern"
zu übersetzen.

So wird man im einzelnen das Material mit kritischeren
Augen ansehen müssen, als Jirku es tut, und
wird auch in den Schlüssen, die man aus demselben
zieht, nicht so bestimmt sein können wie er. Aber trotzdem
werden das neue Material, das er einem weiteren
Kreise vorlegt, und die anregenden Gedanken, die er
dazu äußert, die Behandlung des — leider auch durch
sein Buch noch nicht gelösten — Problems befruchten.

Hiddensee. Arnold Gustavs.

Friedrich, Priv.-Doz. Dr. Johannes: Aus dem hethitischen

Schrifttum. Übersetzungen von Keilschrifttcxten aus dem Archiv
von Boghazköi. I. Heft: Historische Texte, Staatsverträge, königliche
Erlasse, Briefe. Gesetze, wirtschaftliche Texte. Leipzig:
J. C. Hinrichs 1925. (32 S.) gr. 8°. = Der Alte Orient, Bd. 24,
Heft 3. Rm. 1.20.

Wer sich mit der Geschichte und der Kultur des
vorderen Orients beschäftigt, muß notwendigerweise
jetzt den Hethitern eingehende Beachtung schenken.
Durch den Fund von Boghazköi ist dies Volk, von dem
man bisher nur lückenhafte Nachrichten hatte, plötzlich
in hellstes Licht gerückt. Auch für den Alttestament-
ler verspricht das Archiv der Großkönige von Harri
reiche Ausbeute und Lösung mancher Fragen. Da der
Zugang zu den Texten für viele durch das äußere Gewand
der Schrift und Sprache erschwert ist, so erwirbt
sich Friedrich ein Verdienst, wenn er darangegangen ist,
Proben des hethitischen Schrifttums in Übersetzung mit
kurzen Erläuterungen vorzulegen. An solchen für einen
weiteren Kreis bestimmten Übersetzungen sind bisher ja
nur erschienen die Hethitischen Gesetze, bearbeitet von

H. Zimmern unter Mitwirkung von J. Friedrich (AO
23, 2), und etliche religiöse Texte, dargeboten von H.
Zimmern im Textbuch zur Religionsgeschichte (herausg.
von Edv. Lehmann und Hans Haas). Friedrich will, wie
man aus dem ersten Heft entnehmen kann, die ganze
Mannigfaltigkeit der Texte in einzelnen hervorstechenden
Typen zu Worte kommen lassen. Er bietet unter den
historischen Texten zwei Proben aus dem alten Hatti-
Reiche und zwei Stücke aus Königsannalen des neuen
Hatti-Reiches, der Zeit der eigentlichen Großmachtstellung
. Der letzte dieser Texte, der über die Taten des
großen Suppiluliuma berichtet, enthält die merkwürdige
Stelle, in welcher der Tatsache Erwähnung geschieht,
daß die Witwe Amenophis' IV. sich an den hethitischen
Großkönig wendet mit der Bitte, ihr einen seiner Söhne
zum Gemahl zu geben. Unter den Staatsverträgen führt
er^ uns den Vertrag vor, den Mursiiis IL mit Duppi-
tesup, dem Fürsten von Ainurru, geschlossen hat; dieser
Duppitcsup ist der Enkel des aus den El-Amarna-Briefen
so übelberüchtigten Aziru. Unter den Erlassen findet
sich der Schiedsspruch des Mursiiis in einem Grenzstreite
zwischen den Ländern Barga und Kargamis und
ein Edikt des Telipinus aus dem alten Hatti-Reiche, in
dem ein Gerichtshof zur Sühnung von Mordtaten innerhalb
der königlichen Familie eingesetzt wird. In den
Briefen lesen wir, wie die ägyptische Königin Naptera
die Gemahlin Hattusils III. zum Abschluß des Staatsvertrages
zwischen den beiden bisher feindlichen Völkern
beglückwünscht, und wie in einem Musterbeipiel schlauer
Diplomatie Hattusil III. den jungen König Kadasman-
Enlil von Babel tn seine Netze zu ziehen sucht. Es folgt
j eine Auswahl aus den Gesetzen, von denen einige Paragraphen
Richtpreise für Vieh enthalten, und eine Schenkungsurkunde
des Königs Arnuwandas IL, die uns lehrreiche
Blicke in das Wirtschaftsleben der Hethiter
tun läßt.

In einer Inschrift des Königs Anittas von Kuäsara (ca. 2000
v. Ch.) lesen wir: „Früher hatte Uhnas, König von Zalpuwa, den Gott
Siusummiä aus Nesa nach Zalpuwa geschafft; und darnach habe ich
Anittas, der große König, den Gott siuSummis aus Zalpuwa wieder
nach Nesa geschafft" (S. 6). Wieder ein Beispiel für die im alten
Oriente übliche Gefangennahme und Wegführung eines feindlichen
Gottes und seine bei wechselndem Kriegsglück vorgenommene Zurück-
führung. — An die Stätte einer eroberten Stadt sät Anittaä „Unkraut
". — „Gott geworden" ist der stehende Ausdruck für den Tod
eines hethitischen Königs (S. 8 Anm. 5). — In dem Erlaß des Königs
Telipinus heißt es § 26 (S. 8 f.) von überwundenen Feinden, welche
die Menge töten will: „Warum sollen sie sterben? Man möge ihnen
(nur) die Augen verbergen". Dazu bemerkt Friedrich, daß dies wohl
ein umschreibender Ausdruck für „degradieren" oder „verbannen" sei.
Aber ob „die Augen verbergen" nicht ein Euphemismus für „blenden,
die Augen ausstechen" ist? — In den Annalen des Murlilis II begegnet
als hoher militärischer Würdenträger ein „Oberweinschenk"; man
denke an den np&'D"1 (2 K 18, 17 u. s.) = rab-säkü „Ober-

mundschenk". — „Diener des Eides" (S. 12) und „Mann des Eides"
(S. 16) ist ein schöner Name zur Kennzeichnung des Lehnsmannes,
der seinem Herrn den Treueid geleistet hat. — S. 18 Anm. 5 hält
Friedrich die Gleichsetzung der Habiru mit den Hebräern für irrtümlich
. — Hattusil III. sagt von dem ihm unbequemen Minister des
Babylonierkönigs, daß ihn „die Götter fast 3600 Jahre alt haben
werden lassen". Ein eigenartiger Ausdruck für „steinalt", der aber im
Rahmen der bei Orientalen üblichen Übertreibungen von Zahlenangaben
liegt. — In dem das Heft beschließenden Wirtschaftstexte wird
(S. 31) ein „Verfertiger von Amurru-Kleidern" genannt. Es war doch
zu allen Zeiten so, daß Auslandsware besonders kostbar erschien, und
wenn man sie im eigenen Lande nachmachte.

Hiddensee. Arnold Gustavs.

Sc Ii latter, A.: Geschichte Israels von Alexander dem
Großen bis Hadrian. 3., neubearb. Aufl. Stuttgart: Calwer
Vereinsbuchh. 1925. (464 S.) S°. geb. Rm. 10—,

Was das Buch auch in seiner neuen Auflage bietet,
ist eine den Theologen trefflich orientierende Besprechung
aller für das Wesen des Judentums wichtigen Momente
der Geschichte jener für die Weltgeschichte bedeutsamen
Zeit. Die Neubearbeitung bedeutet keine