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Ausgabe:

1925 Nr. 25

Spalte:

589

Autor/Hrsg.:

Blanckmeister, Franz

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte. 34./35. Heft 1925

Rezensent:

Clemen, Otto

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589

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 25.

590

Darstellungskunst keiner Rechtfertigung. Allein die feine
Verknüpfung der Nürnberger Reformation mit der Geschichte
der zum Territorialstaat und zu bewußtem Kulturwillen
herangewachsenen Stadt und mit den Ereignissen
von allgemcindeutscher Bedeutung, die durch
Reichsregiment und Reichstage mit Nürnberg verbunden
sind, ist ein Meisterstück weitgespannter Darstellung, das
überall die innigste Vertrautheit mit den Quellen spüren
laßt. Das Herzstück der Schilderung bildet die lebendige
Charakteristik der drei großen Führer der Bewegung,
Links, Osianders und des mit besonderer Liebe gezeichneten
Lazarus Spengler, von dem v. Sch. als fast geradliniger
Nachkomme noch wichtige ungedruckte Papiere
besitzt. Auch sonst haben seine archivalischen
Forschungen reiche Frucht getragen, sodaß hinter diesem
populären Aufsatz eine überraschende Fülle bisher
unbekannter Quellen sichtbar wird: von Spengler noch
4 Apologien außer seiner berühmten „Schutzrede" für
Luther v. J. 1519; die vollständige Fassung seines bedeutenden
Berichts über den Wormser Reichstag; das
prachtvolle, ganz Luthers Geist atmende Gutachten, das
den Zusammenschluß der Städte auf dem 3. Nürnberger
Reichstag 1524 betreibt; von Osiander eine Schrift „Wie
ein weltlich Regiment aus Vermög heiliger göttlicher
Schrift gestalt sein soll"; schließlich die Aufzeichnung
eines Barfüßers für die große Disputation vom März
1525. Mit dem Klosterkrieg des Jahres 1525, der als
eindrucksvolles Sinnbild des großen Geisteskampfes geschildert
wird, und einer raschen Skizze der Stellung-
Nürnbergs unter den evangelischen Ständen bricht die
Darstellung ab. Das alles erweckt das lebhafte Verlangen
nach reicherer Belehrung. Daß uns ein größeres
Werk über Spengler und die Nürnb. Reformation verheißen
wird, ist darum das Schönste an dieser feinen
kleinen Arbeit, in der selbst etwas von Spenglerscher
Wärme und Bekenntniskraft, Umsicht und Vornehmheit
lebt.

Tübingen. Heinrich Bornkamm.

Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte, hrsg. v. F. Blandein
eister u. Heinrich B och in er. 34./35. Heft (Jahresheft f.
1924 u. 1925). Dresden: C. L. Ungelenk 1925. (II, 115 S.)
gr. 8°. Km. 4—.

Dieses Doppelheft enthält zwei Arbeiten: Q. Buchwald exzerpiert
die Predigten des Abts Ludcger von Altzelle (t 1234) in
mehreren Handschriftenbänden der Leipziger Universitätsbibliothek.
Sie enthalten viel Gekünsteltes und Spielerisches, besonders Ausdeutungen
der Weihe und Kleidung des Priesters, des Kirchengebäudes
und der Ausstattung desselben und der Festzeiten. Carl Niedner
veröffentlicht mit vortrefflicher Einleitung und Kommentar 14 Briefe
von Wilhelm Niedner an Georg Benedikt Winer, hauptsächlich aus
den Jahren 1823—1831, wozu noch je ein Brief von 1845 und 1855
kommt (Niedner in Leipzig, seit 1850 in Wittenberg, Winer seit 1823
in Erlangen, seit 1832 wieder in Leipzig). Niedner war ein Licb-
lingsschüler Winers, der aber doch seine eigenen Wege ging und den
Rationalismus ablehnte, von dem Winer nicht loskam.

Zwickau i. S. O. C 1 e m c n.

RAckert, Lic. Hanns: Die Rechtfertigungslehre auf dem
tridentinischen Konzil. Bonn: A. Marcus & E. Weber 1925.
(VIII, 281 S.) gr. 8°. = Arbeiten z. Kirchengcschichte 3. Km. 15—.

Es ist sehr erfreulich, daß die nun vollendete große
Publikation der Akten von Trient durch die Görresgesell-
schaft einen anregenderen Eindruck auf die protestantische
Theologie hervorzubringen scheint als es seiner Zeit
Theiners Acta genuina beschieden war, die doch trotz
aller Lücken und Unvollkommenheiten etwas ganz
Neues erschlossen gegenüber den bis dahin auch in
dogmenhistorischen Fragen maßgebenden Werken von
Pallavicini und Sarpi. Ich bin wohl der einzige protestantische
Theologe gewesen, der — es sind jetzt 37
Jahre her — Theiners Publikation für die Dogmengeschichte
allseitig auszubeuten versuchte. Die neue
große Edition hat'mich genötigt, für die neue Ausgabe
meiner Dogmengeschichte die bisherigen Resultate zu
prüfen, vielfach zu ergänzen und zu verbessern. Zu
meiner Freude scheint die Beteiligung an diesen Studien

diesmal eine regere zu werden. Nachdem der Göttinger
K. D. S c h m i d t in seinem Buche „Studien zur Geschichte
des Konzils von Trient" eingehend die Geschicke
der mittelalterlichen Reformideen auf dem Konzil für
dessen Anschauungen von Schrift und Tradition behandelt
hat, legt uns nun der Berliner H. Rückert eine
umfassende dogmcngeschichtliche Erörterung der Rechtfertigungslehre
des Konzils vor.

Es ist nicht ganz leicht, den überaus reichen Stoff
so zu ordnen, daß das, was wirklich geschehen ist, dem
Leser als ein Ganzes zu Bewußtsein gebracht wird. Zu
dem Zweck wären an sich drei Wege denkbar. Man
könnte etwa die Ereignisse in der Reihenfolge, in der
sie sich zugetragen haben, wiedererzählen und dabei die
politischen Hemmungen und Förderungen der Lage zusammenziehen
mit den Besprechungen der Theologen
und der Konzilsväter. Aber einerseits würde man so
häufigen Wiederholungen derselben Dinge kaum aus dein
Wege gehen können, andrerseits würde die große Linie
der Entwicklung sich nur sehr schwer veranschaulichen
lassen, man sähe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und
das wäre, zumal wenn man eine dogmengeschichtliche
Absicht verfolgt, überaus lästig. Man könnte dann, gerade
vom doginengeschichtlichen Standpunkt her, auf
den Gedanken kommen, die ganze Untersuchung als
einen historischen Kommentar zu dem Dekret und den
Canones anzulegen. Aber auch wider dies Verfahren
erheben sich schwere Bedenken. Zwar wäre es für den
Interpreten der tridentinischen Lehre sehr bequem, die
Formeln der verschiedenen Entwürfe samt den Einwendungen
, die wider sie erhoben sind, und den Motiven
, die zu deren Abänderung geführt haben, bei einander
zu haben. Aber hierbei hielte es schwer, die großen
einheitlichen Strömungen, welche die Einzelverhandlungen
beherrschen, in ihrer ganzen Wucht dem Leser
zu Bewußtsein zu bringen und der Gefahr häufiger
Wiederholungen derselben Geschichtsquclle wäre kaum
zu entgehen, ohne daß diese doch zu voller Wirkung
kämen. Sieht man aus diesem Grunde von dieser Methode
ab, so bleibt nur der Weg übrig, den ich selbst
in meiner Dogmengeschichte und den früheren Abhandlungen
eingeschlagen habe und den auch Rückert in
seiner sorgfältigen Darstellung befolgt. Man wählt
dann die Gesichtspunkte und Gegensätze heraus, in
denen das geschichtliche Leben des Konzils am kräftigsten
pulsiert und bemächtigt sich von ihnen aus der
einzelnen Probleme und ihrer Lösungsversuche bis zu
der definitiven Feststellung. Dies Verfahren hat den
großen Vorteil, daß alle Einzelheiten sofort unter dem
maßgebenden Gesichtspunkt gesehen werden, und daß
man die entscheidenden Motive und Tendenzen der
Entwicklung stets im Auge behält.

Rückerts Arbeit zerfällt in zwei Teile, lu dem
ersten (S. 6—84) wird in klarer und übersichtlicher
Darstellung gezeigt, welche Einflüsse die kaiserliche
und die päpstliche Politik auf den Gang der Verhand-
! hingen in Trient ausgeübt haben. Es war bekannt, wie
groß diese Einflüsse gewesen sind, aber es ist ein
Verdienst Rückerts — wie auch K. D. Schmidts — gezeigt
zu haben, in welchem Umfang auch die Gestaltung
der Lehrerörterung unter dem Einfluß der Konzilspräsidenten
durch das politische Hin und Her bedingt
gewesen ist. — Der zweite Teil (S. 85—256) ist überschrieben
„Die Auseinandersetzung mit Luther und der
Scholastik". Der Verf. führt hierbei aus, wie die ganze
Diskussion von Anfang bis zu Ende unter dem Gesichts-
j punkt steht, die neue Rechtfertigungslehrc, welche zu-
I meist in der Formulierung Melanchthons wiedergegeben
ist, zu entgründen und zu verwerfen. Sodann aber legt er
| mit Recht besonders Gewicht auf den Nachweis der
j dogmatischen Gegensätze, welche auf dem Konzil selbst
j wider einander prallten und die mit bewunderungswerter
diplomatischer Kunst ausgeglichen worden sind Diese
! Gegensätze ergeben sich aus den einander vielfach
widersprechenden Theorien des Thomas von Aquino und