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Ausgabe:

1925 Nr. 25

Spalte:

585-588

Autor/Hrsg.:

Walter, Johannes von

Titel/Untertitel:

Der religiöse Entwicklungsgang des jungen Luther 1925

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 25.

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für ein Volks buch geradezu verheerenden Knappheit.
Vor allem ist zu beanstanden, daß die Vorbemerkungen
zu den Bildern fast keine direkten Hinweise auf
sie enthalten; viele werden nur durch die Unterschrift
„erklärt". Nicht einmal ein Verzeichnis der gebotenen
Bilder findet sich! Auch die Anordnung der
Bilder läßt zu wünschen übrig. So steht z. B. Johannes
VII. vor Victor I.; Bonifaz VIII. vor Soter, oder
Bilder Bonifaz. VIII. finden sich auf verschiedenen Seiten
(13 u. 18). Hier haben stilkritische Rücksichten die
historischen Erfordernisse zu sehr in den Hintergrund
gedrängt. Auch auf die Auswahl der Bilder haben sie zu
stark eingewirkt, wenn z. B. ein solcher Papst wie
Gregor VII. garnicht, Paul III. dagegen mehrere Male
vertreten ist. Auch die Bilder der Papstresidenzen sind
meiner Ansicht nach mangelhaft geordnet. — Ein ganz
bedauerlicher Mangel ist ferner das Fehlen der Quellenangaben
. Es genügt wirklich auch in einem Volksbuch
nicht, wenn ein Bild nur die Unterschrift trägt: Julius II.
Gelegentlich finden sich Angaben über den Künstler,
gelegentlich auch solche über den Fundort des Bildes.
Warum ist beides nicht immer angegeben oder vermerkt,
wenn es unbekannt ist? Das hätte die Herstellung nicht
wesentlich verteuert. Fast nie finden sich Angaben über
die Herkunft der Reproduktion, aus welchem Buch oder
von welchem Photographen. Auch das kostet nur eine
Petitzeile und hätte jedem doch eine kritische Nachprüfung
ermöglicht. — Diese Mängel bedürfen in einer
2. Auflage dringend der Abhilfe.

Ein mit derselben Zuverlässigkeit gearbeitetes
Gegenstück zu Mirbts Quellen auf archäologischem und
ikonographischem Boden ist ein dringendes Bedürfnis.
Bis es vorliegt, werden wir das vorliegende Papstbuch
an seiner Stelle benutzen müssen. Mit dieser Einschränkung
ist es eine dankenswerte Veröffentlichung.

Güttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

Walter, Prof. D. Johannes von: (Der religiöse Entwicklungsgang
des jungen Luther. Schwerin: 1-'. itahn 1925. (30 S.)
gO. Rm. —60.

„Die nähere Begründung der in diesem Vortrage
dargelegten Auffassung findet der Leser in meinen
Aufsätzen: Neue kirchliche Zeitschrift, Jahrg. XXIV,
S. 55ff. und: Zeitschrift für systematische Theologie,
Jahrg. I, S. 412ff.", so heißt es in einer Anmerkung
am Schlüsse dieses Heftchens. Der erste Aufsatz in der
NkZ. XXV (nicht: XXIV, wie irrig auch am Schlüsse
des zweiten, S. 426, gesagt wird) ist gleichfalls ein
Vortrag, und zwar vom 18. 9. 1913; der zweite vom
Jahre 1923, der nur 15 Seiten umfaßt, gilt lediglich dem
Nachweise, daß das „Turmerlebnis" von 1513 nicht
der die Entstehung der Rechtfertigungslehrc Luthers
aufweisende Anfang seiner neuen Erkenntnis gewesen
sei, sondern vielmehr der die Entstehung der Rechtfertigungslehrc
bereits voraussetzende „Abschluß der
Entwicklung des jungen Luther". — Der zweite Vortrag
, das hier zu besprechende Heftchen, führt zwar
viele Äußerungen Luthers an, aber (mit einer Ausnahme
auf S. 20) ohne Stellennachweise. Daß die beiden
älteren Veröffentlichungen nicht für alle in der dritten
verwerteten Quellen-Aussagen den Herkunftsnachweis
geben, ist ein erster Mangel des neuen Vortrags. Und
dieser Mangel hat dem Verf. selbst geschadet. Gleich
am Anfang will v. W. nachweisen, daß Luther „ursprünglich
wirklich innere Ruhe im Kloster hatte" (S. 7).
Das ist eine nicht neue und durchaus nicht unwahrscheinliche
Annahme. Aber man darf dem „ursprünglich"
keine zu lange Dauer geben und die Annahme nicht mit
unzulänglichen Gründen stützen. Beides tut v. W., weil
er die Stellen, auf die er verweist, nicht auf ihre Herkunft
untersucht hat. Er beruft sich erstens darauf, daß
Luther, „wie er selbst berichtet", gegenüber seinem zu seiner
Primiz nach Erfurt gekommenen Vater das Monchs-
leben als „ein fein geruhsam und göttlich Wesen" bezeichnet
habe. So „berichtet" unter Mitteilung eines

Stückes aus einer Predigt Luthers vom 2. p. Epiph. 1544
der Naumburger Ratsherr Valentin Bavarus in seiner
Rhapsodia (Scheel, Dokumente usw., 1911, Nr. 12.
S. 20, 10 f.). Aber die inzwischen bekannt gewordenen
Nachschriften eben dieser Predigt (WA. 49, 1913, S.
318ff.) bieten diese Worte nicht (S. 322, 15). Auch
j die parallelen Tischreden (Nr. 623 u. 4514, WA., Tischreden
I, 294 u. IV, 384) haben sie nicht. Sie können
nicht zu dem gerechnet werden, was Luther „selbst berichtet
". Eine zweite Beweisstelle v. W.'s: „Ich habe es
an mir und vielen anderen erfahren, wie ruhig und still
der Satan im ersten Jahre des Priestertums (das würde
also bis ins Jahr 1508 führen!) und Mönchtums zu sein
pflegt", stammt aus der Schrift de votis monasticis
(WA. VIII, 660, 31 ff.), stellt also ipsissima verba
Lutheri dar; aber der Zusammenhang zeigt, daß es sich
hier nur um Versuchungen der sexuellen libido handelt,
von der Luther nicht nur für die erste Zeit seines Mönchtums
, sondern ganz allgemein sagt: monachus ego non
sensi multam libidinem (WA. Tischreden I, 47, Nr. 121;
vgl. Scheel, Luther II, 120). — Empfindlicher ist ein
zweiter Mangel des zweiten Vortrags und seiner beiden
Vorläufer. Der mit vielen Quellcnnachweisen ausgestattete
Druck des ersten Vortrags, vom 18. 9. 1913,
konnte auf wichtige neuere Arbeiten noch keine Rücksicht
nehmen; der zweite Aufsalz, von 1923, zitiert A.V
Müller, Luthers Werdegang 1920; Holl's Lutherbuch
1921; Seeberg's, Dogmengeschichte IV, 1917;
mein Programm zum 31. 10. 1917 (ThStK. 1917, S.
323 ff.), Hirsch's Indium theologiae Lutheri (in der
Festgabe für Kaftan, 1920), Scheel, Luther Bd. I,
1917 (nur Band I!) und Bd. I—IV der Tischreden der
WA. (nicht V, 1919, obwohl die S. 419, Anm. 3 = 422,
Aum. 4, und S. 419, Anm. 4 nach Krokers Ausgabe
der Mathesischen Sammking angeführten Tischreden sich
unter Nr. 5247 u. 5518 in WA., Tischr. V, 26 u. 210
finden), aber zu wirklicher Auseinandersetzung kommt es
höchstens mit E. Hirsch; die dritte Veröffentlichung
zeigt in Einzelheiten stärkeren Einfluß Holl's, aber
v. W.'s Gesamtanschauung ist dadurch nicht beeinflußt
worden. Wenn mir dies als ein Mangel erscheint, so
meine ich natürlich nicht, daß v. W. nicht das Recht
hätte, seinen eignen Weg zu gehen. Noch weniger beklage
ich es, daß dieser Weg nicht durch die Leichen
kurz abgetaner andrer Forscher gekennzeichnet ist. Aber
wenn bei unserm Forschen ein Zusammenarbeiten
herauskommen soll, so muß jeder Mitarbeitende wenigstens
mit dem, was beachtenswerte andre Forscher als
das ihnen Wichtigste ausgeben, sich auseinandersetzen.
Ich sage das nicht mit Rücksicht auf mein Jubiläums-
programm. Denn in den Sätzen: „Bekanntlich unterscheidet
Loofs zwei Stufen in der Entwicklung von
Luthers Rechtfertigungslehre: vordem Luther die Ansicht
vertreten habe, daß die Rechtfertigung des Sünders
eine Gnadentat Gottes ohne jede eigne Betätigung des
Sünders selbst sei, habe er gelehrt, daß der Sünder von
sich aus Gott in seinem Urteil über ihn recht zu
geben, ihn zu .rechtfertigen' habe. Auf Grund dieses
Glaubensurteils könne nunmehr Gott seinerseits den
Sünder rechtfertigen, d. h. ihn als gerecht ansehen. Dies
sei der Sinn der justitia dei passiva" (ZsystTh.
I, 420), vermag ich eine auch nur einigermaßen richtige
Wiedergabe meiner Gedanken so wenig zu finden, daß
ich mich nur darüber freuen kann, daß diese mir nachgesagte
unsinnige These nicht weiter zur Erörterung
kommt. Wo in aller Welt habe ich von solchen zwei
Stufen geredet? Hat nicht Luther das stets festgehalten
, daß wir Gott Recht geben müssen in dem Urteil
über uns, das Rom. 3, 23 ausgesprochen ist? Eben das
Luther-Zitat, das v. W. in der dritten Veröffentlichung
allein mit Stellenangabe einführt („E. 11, 120" gemeint
ist die erste Auflage; = E. A. 11», 125), - es entstammt
einer Predigt der Kirchenpostille über das kanaanäische
Weib (Math. 15, 21ff.) — gibt den Gedanken Luthers vom
„jusüficare deum" meisterhaften Ausdruck: „Es (das