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1925 Nr. 25

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582-583

Titel/Untertitel:

Stoicorum veterum fragmenta collegit Joannes ab Arnim. Vol. IV: Quo indices continentur conscripsit Maximilianus Adler 1925

Rezensent:

Schmitz, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 25.

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In seiner literarkritischen Stellung vertritt er jetzt mit
unwesentlichen Abweichungen einen Standpunkt, wie ihn
Marti, Hackmann, Beer, Fullerton und ich einnehmen;
gegen den abweichenden Standpunkt, z. B. von Greß-
mann, Sellin, H. Schmidt, wendet er m. E. mit vollem
Rechte ein, daß von ihnen aus kein psychologisch wahrscheinliches
und überzeugendes Bild weder des Propheten
noch des Menschen entstehe. „Er wird für sie in
allzugroßem Maße ein Mann, der ziemlich mechanisch
traditionelle eschatologische Vorstellungen widersprechendster
Art reproduziert und heute dies, morgen
jenes sagt, eine unzusammenhängende, zersplitterte
Seele statt des königlichen Geistes, der er war." In einzelnen
literarkritischen Fragen bin ich anderer Meinung
als M., z. B. über 14,29—32; 28,23—29; 32,9—14.
Auffällig ist mir besonders, daß er 14, 29—32 als jesaja-
nisch festhält, obwohl dies Stück sich in der Stimmung
schlecht verträgt mit den bitteren Drohungen, die M. in
dieselben Jahre 705—701 datiert. Unter den „Schwachen,
Armen, Demütigen" 14,30. 32 kann man auch schwerlich
den kleinen Kreis der Jesajajünger verstehen; übrigens
haben diese Selbstbezeichnungen des Frommen im alt-
testamentlichen Sprachgebrauch schwerlich von Haus
aus einen sozialen Sinn, sondern sind m. E. aus der
Kultsprache genommen, in der sich der klagende Beter
vor Gott als ein humilis, humillirnus bezeichnet. Dagegen
freue ich mich über die Konsequenz, mit der M.
die assyrerfeindlichen und rein messianisch-eschatolo-
gischen Abschnitte jetzt dem Jesaja abspricht. Eine
Frage bleibt freilich, ob sie den Jesajajüngern der vor-
exilischen Zeit zugesprochen werden dürfen, wie M.
zu meinen scheint. Er gedenkt ja, in einem demnächst
folgenden Buch die nachjesajanische Prophetie bis Je-
remia zu behandeln; da wäre doch eine recht sorgfältige
Prüfung gerade dieser Frage gewünscht. An sich ist ja
Erwägung" auch dieser Möglichkeit durchaus gerechtfertigt
, und wir haben sie uns gewiß auch schon manchmal
gestellt und doch wieder zurückgewiesen. — Beiläufig
mache ich auf ein kleines Mißverständnis von M.
S. 110 inbetreff meiner Ausführungen in der Gunkelfest-
schrift I 187 aufmerksam: Reg. II 18,17—19,37 ist
zwar in Reg. jüngerer Zuwachs, aber nicht aus dem
Jesajabuche interpoliert.

Die feinsten Anschnitte des Buches sind Kap. 4 u. 5.
In dem einen handelt M. von „dem Propheten", insbesondere
von seinem Gottesverhältnis. Jesaja kennt keinen
„Verkehr mit Gott" im Sinne einer individualistischen
Religion; wir hören bei ihm weder von einer Einwirkung
auf Gott durch Gebet noch merken wir etwas
von einer gefühlsmäßigen Reaktion gegenüber dem göttlichen
Wort. Sein Verhältnis zu Gott besteht in dem
reinen Empfang des Gotteswortes. Die „Religion Je-
sajas", von der das 5. Kap. handelt, ist keine individuelle
Religion in unserm Sinne. Der „Glaube", der allerdings
im Mittelpunkt der religiösen Gedanken Jesajas steht,
ist die reine Hingabe an den alles wirkenden Gott, also
etwas Anderes als bei Paulus oder Luther. Die Schranke
des jesajanischen Glaubensbegriffes ist nach M„ daß der
Glaube als etwas durchaus Passives gefaßt wird: er ist
nicht menschlich (seelisch-soteriologisch), sondern nur
von Gottes Ehranspruch aus motiviert; er ist überspannt,
in dem er, statt rein individualistisch verstanden zu werden
, zum politischen Faktor gemacht wird; er ist, wie
auch die ganze Weltanschauung Jesajas, rein mirakulös.
Das Verhältnis von Glaube und Gerechtigkeit bleibt unausgeglichen
.

Marburg (Lahn). G. Hölscher.

Orlens Christianus. Halbjahrsheftc f. d. Kunde d. christl. Orients,
im Auftr d. Qörresgesellschaft hrsg. von A. Baumstark. Neue
Serie, g. Bd. Leipzig: O. Harrassowitz ig20. (III, 187 S. m.
Faks.) Lex. S°. •

Nur um Entschuldigung kann ich bitten, daß ich
diesen wertvollen Jahrgang des Onens Chnstianus so
spät zur Anzeige bringe. Wertvoll nenne ich ihn, weil er

wiederum eine Fülle gelehrtester Arbeit zur Kenntnis darbietet
. Auf dem Gebiet der orientalischen Liturgie haben
Hans Lietzmann und der Herausgeber Aufsätze gebracht
. Ersterer veröffentlicht: „Sahidische Bruchstücke
der Gregorios- und Kyrillosliturgie. Elf Blätter einer
vatikanischen Handschrift aus dem 9. oder 10. Jahrhundert
; Text, deutsche Übersetzung und Wiederherstellung
des griechischen Textes. Das Ganze ist wohl
ein Stück des „großen Kirchengebets", der griechische
Urtext klingt zuweilen ganz deutlich an. Vom Herausgeber
lesen wir: „ein frühchristliches Theotokion in
mehrsprachiger Überlieferung" (S. 36—61). Ein Papy-
rosblatt des British Museum aus dem 5. Jahrhundert
trägt auf der Rückseite eine Strophe zum Preise der
Panhagia, die noch jetzt in äirbdtncvov ro /i/ya der
griechisch-orthodoxen Kirche sich findet. Es wird untersucht
, ob und wo das Stück noch weiter in den späteren
Liturgien eine Rolle spielt. Es ergibt sich, daß die
Strophe in mehreren orientalischen Liturgien angetroffen
wird, sogar in die mailändische geraten ist. So sehr
ich die ausgezeichnete Fachkenntnis des Herrn Verfassers
bewundere, so möchte ich mich dagegen erklären,
daß er die Nomenklatur der lateinischen Kirche so
oft zur Erklärung der griechisch-orthodoxen gebraucht.
Jede Kirche hat das Recht, ihre Einrichtungen mit ihren
Ausdrücken beschrieben zu sehen. Mit den liturgischen
Stücken mag genannt werden der Aufsatz über die
äthiopische Kirchenmusik von Wellesz in Wien (S. 74
bis 106). Da die exakte Forschung auf dem Gebiet der
Musikgeschichte noch in den Anfängen liegt, ist die
orientalische kaum in Angriff genommen. Auch bei der
äthiopischen, wie sonst vielfach im Orient, ist syrischer
Einfluß von großer Bedeutung: das zeigt schon die
Notenschrift, die Akzentneumen aufweist. Es gibt auch
dort „Tongcschlechter", wohl wie die „Kirchentöne" bei
uns. Die Notenschrift, die im Weiteren dargeboten wird,
ist äußerst kompliziert. Ist es nicht möglich, einen
Musikkuhdigcn der Abessinischcn Kirche heutiger Zeit
zur Hilfe heranzuziehen? Zwei historische Aufsätze
führen in näher gelegenes Gebiet. Felix Haase berichtet
über die Chronik des Josua Stylites, die eine vorzügliche
Geschichte der Jahre 495—507 enthält. Der
Text ist in der bibl. orientalis von Assemani gedruckt.
Es wird nachgewiesen, daß Josua wirklich der Verfasser
ist. Eine neue Quelle zur Geschichte der Florentiner
Synode ist in dem Brief des „Philosophen" Amirutzis
an Demetrius, den Herzog von Nauplia enthalten:
Amirutzis ist einer jener schwankenden Erscheinungen
der Zeit, die bald abendländisch, bald orthodox, bald
dem Islam anhängen. Übrigens bringt Amirutzis mehr
Persönliches, als Sachliches. Immerhin wird die Literatur
über jenes Konzil' vermehrt. Der Text ist vom
Verf., Dr. L. Möhler, bei einer Nachlese des Nachlasses
von Bessarion in der bibl. Vallicellana in Rom gefunden
. Bei den Literaturangaben vermisse ich K. Sathas
Neohellcniki Philologia, Athen 1868. Aus den „Mitteilungen
" hebe ich hervor die Bemerkungen des Herausgebers
über die Wandmalereien im Kloster Mar Sabba
und das Liturgiegeschichtliche Unternehmen der deutschen
Benediktiner.

Hannover. Ph. Meyer.

Stoicorum veterum fragmenta collegit Joannes ab Arnim. Vol.

IV: Quo inddecs continentur conscripsit Maximiiianus Adle r.

Leipzig: B. O. Teubner ig24. (VII, 221 S.) gr. S°. Rm. 8.40.
Durch die Ungunst der Zeiten reichlich verspätet,
ist der unentbehrliche Registerband zu dem bereits
1903 und 1905 erschienenen Sammelwerke von Arnims
nun doch herausgekommen, nach seinen Anweisungen
von Adler bearbeitet. Höchst zweckmäßig sind vier
verschiedene Indices zusammengestellt. Der erste, etwa
drei Viertel des Ganzen umfassende, bringt konkordanzartig
den spezifisch stoischen Sprachgebrauch und das
übrige für diese Philosophie kennzeichnende Wortmaterial
. Der zweite enthält die lateinische Wiedergabe der