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Ausgabe:

1925 Nr. 24

Spalte:

568-570

Autor/Hrsg.:

Pribilla, Max

Titel/Untertitel:

Kulturwende und Katholizismus 1925

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 24.

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gegenüber, äußere Anpassung bei innerer Ablehnung
oder Oleichgiltigkeit — das alles entspricht stoischen
Gedanken. Im 16. Jahrhundert (3. Abschnitt) stehen
Aristotcliker (mit dem Widerstreit der beiden Richtungen
, von denen die eine Alexander von Aphrodisias,
die andere Averroes zum Vorbild nimmt) neben Naturalisten
und Piatonikern. Ein Kabinettstück in seiner
vielsagenden Kürze bildet der 4. Abschnitt: Bruno,
Campanella, Galilei. Bei Bruno ist ,Kopernikus und
sein Heliozentrismus in einer weiter umspannenden kosmischen
Intuition übertroffen' (S. 69); seine Auffassung
der Substanz bedeutet, eine Vorwegnahme des
Spinozismus, ohne die rationalistische Klarheit dieses
reicher ausgedachten Lehrsystems, aber zugleich mit
einem lebendigen Kraftbewußtsein, das die nachkantische
Romantik vorahnen läßt' (S. 70). Bei Campanella
bleiben die beiden Sinne (sensus abditus und sensus
additus) linausgeglichen: ,um einen Ausgleich zu finden
müssen wir auf Kant warten' (S. 74). Den Übergang
,vom Naturalismus zum Historismus' verkörpert Vico,
dessen Philosophie .anfänglich in ihrem tiefsten Grundmotiv
gar nicht verstanden wurde' (5. Abschnitt). Die
Philosophie des 19. Jahrhunderts (6. Abschnitt) steht
in der Zeit des Risorgimento unter Kants Einfluß
(Gallupi, Rosmini, Giobertij und wendet sich nach
1850 Hegel zu. Spaventa wurde der Begründer des
italienischen Neuhegelianismus, der aber keineswegs dem
deutschen Meister blind nachbetete, sondern ,seine Wurzeln
in einer rein nationalen Tradition hat' (S. 104) und
in seinen gegenwärtigen Vertretern ,eine eigene Physiognomie
angenommen, seine eigene Reifezeit erreicht hat'
(S. 116). Diese Vertreter sind Benedetto Croce und
Giovanni Gcntile und, wie man hinzufügen muß, de
Ruggiero selber. So kurz seine Ausführungen in diesem
Bändchen, dem ihm gebotenen Rahmen entsprechend,
sind, so heben sie doch die Grundgedanken der einzelnen
Richtungen und Persönlichkeiten, die Verbindungslinien
nach rückwärts und nach vorwärts und den Zusammenhang
mit der allgemeinen Kulturgrundlage eines
Zeitalters deutlich hervor. Bemerkenswert ist auch die
von völkischem Hochgefühl getragene Verbindung der
Kritik mit Dankbarkeit und Ehrfurcht vor den
Leistungen der Vergangenheit. Ein Volk, das etwas auf
sich hält, wird in seiner Geschichte an keinem Punkte
nur ausgetretene Geleise' erblicken, wie bei uns im
Rausche des Umsturzes gelallt wurde, es wird überall
lebensvolle Wegweiser für die Zukunft entdecken. Das
gilt in Italien auch für das Verhältnis zur Kirche, und
was de R. über das Risorgimento schreibt, daß nämlich
in dem Augenblick, wo das Gefühl für die eigene
Nationalität eben erwachte ,es in der katholischen Kirche
die reinste nationale Institution sah, das einzige Stück
seines Wirkens in den verstrichenen Jahrhunderten, das
unversehrt dastand (S. 94), das ist mehr oder weniger
heute noch für die Führer der Nation maßgebend,
mögen sie sich innerlich zu den Dogmen wie immer
stellen. Hingewiesen sei noch auf die zum Schluß aufgeführten
Quellen- und Literaturwerke, sowie auf die
beigegebenen Bildnisse der bedeutendsten italienischen
Philosophen.

München. Hugo Koch.

Zubersky, Dr. A.: Salomon Maimon und der kritische
Idealismus. Leipzig: F. Meiner 1925. (100 S.) 8,J. Rm. 4-.
Das Verhältnis Kants iu Maimon wird so aufgefaßt, wie man es
bei einem unbedingten Anhänger Hermann Cohens erwartet (vgl. den
folgenden Schlußsatz der Arbeit: „Und wenn auch Maimon das ,Wort',
welches er immer in sich lebendig fühlte, nicht auszusprechen vermochte
, . . so lag dies nicht an der Sache, denn dieses .Wort' ist in
der .Logik des Ursprungs' von Hermann Cohen bereits zur historischen
Tat geworden".). Die Anerkennung der Sinnlichkeit als eines selbständigen
Erkenntnisfaktors ist der Grundfehler der kritischen Philosophie
. Damit ist die Korrelation von Denken und Gegenstand aufgehoben
, der Gegenstand dem Denken äußerlich und das Denken selbst
formal geworden. Maimon stellt die Korrelation wieder her, indem
er das der Sinnlichkeit Entsprechende in das Denken hineinn'mmt und

das Denken dadurch zum reellen Denken sich aktualisieren läßt. Dieser
Begriff des in dem Aktuell-Unendlichen wurzelnden reellen Denkens ist
das Hauptproblem der Arbeit. Dabei wird aber in keiner Weise ein
Fortschritt in der Diskussion des Problems Kant-Maimon erreicht.
Der Verfasser bringt es fertig, Kants Ideenlehre wegen ihrer Realitäts-
losigkeit zu tadeln und dagegen bei Maimon auf „die erhabene Idee
eines unendlichen Verstandes" zu verweisen(77), ohne es nötig zu
finden, auch nur mit einem Wort auf die Kantische Lehre vom Ideal
einzugehen, die bekanntlich von Sendling als der tiefste Ansatz für
seine Bestimmung des Aktuell-Unendlichen hervorgehoben wurde. Der
Verfasser zeigt sich im wesentlichen als ein gläubiger Referent Mai-
mons, und bleibt bei der Behandlung der Frage nach dem Prinzip
der Philosophie wie Maimon ganz in dem Problemkreis der theoretischen
Philosophie, von dem sich diese Frage nicht entscheiden läßt.
Auch sonst verrät die von Druckfehlern wimmelnde und in nicht einmal
fehlerfreiem Deutsch geschriebene Arbeit nur gelegentlich ein
freieres Urteil.

Bremen. Flinrich Knittermeyer.

Pribilla, Max: Kulturwende und Katholizismus. München:
Dr. F. A. Pfeiffer St Co. 1925. (117 S.) 8°. = Zur. religiösen
Lage d. Gegenwart, Heft 6. Rm. 3—.

Pribilla hat in den „Stimmen der Zeit" 54. Jahrg.
107. Bd. (1924) Heft 10 S. 259ff. einen Aufsatz von
20 Seiten über das Thema „Ktilturwende und Katholizismus
" veröffentlicht, der die Katholiken von übertriebenem
Optimismus weg und zur Selbstbesinnung und
zum inneren Aufbau rief. Dieser Aufsatz liegt nun zu
einer Broschüre von 117 Seiten erweitert vor. Der Franziskanerpater
Schlund veranlaßle die Erweiterung, um
sie in seine Schriftenreihe „Zur religiösen Lage der
Gegenwart" als 6. Heft aufzunehmen. Demnach teilt
auch der Franziskaner die Einstellung des Jesuiten. Das
ist bedeutsam; denn in der Broschüre sind die Haltrufe
des Aufsatzes nicht getilgt oder abgeschwächt, sondern
verstärkt. Damit treten Pribilla und Schlund an die Seite
von Philipp Funk, der im „Hochland" von Zeit zu
Zeit den Katholiken klarmacht, wie wenig das Siegesgeschrei
und der Triumphlärm zur tatsächlichen Lage
des Katholizismus passen. Man hat in katholischen
Kreisen das, was man etwa den Untergang des Abendlandes
nennt, zu rascli mit dem Platzmachen für die
katholische Kirche gleichgesetzt. Selbstverständlich
bleibt Pribilla Katholik und Jesuit genug, um in der
katholischen Kirche die einzig wahre Kirche Christi zu
sehen, die objektiv in der Tat alles Heil für die gegenwärtige
Kuiturwende einschließe — aber ebenso deutlich
spricht er die Ansicht aus: die gegenwärtigen Katho-
I liken sind subjektiv nicht so, daß man an ihnen jene ob-
j jektive Überlegenheit des Katholizismus ad oculos demonstrieren
könnte; und die Protestanten sind nicht so,
daß sie subjektiv schlechthin im Unrecht wären; und die
modernen Schwärmer für Katholisches sind zumeist
keine zukünftigen Katholiken; und die Skepsis einer
alternden Welt ist nicht ausgestorben; „nach menschlicher
Voraussicht ist in absehbarer Zeit für Deutschland
keine wesentliche Änderung in dem äußeren Bestand
der Konfessionen und Weltanschauungen zu erwarten".
So statuiert Pribilla als gegenwärtige Aufgabe des
Katholizismus die Arbeit im eigenen Hause und die
Mitarbeit an der Gewinnung eines Standpunktes im
konfessionellen Kampf, von dem aus die Konfessionen
sich gerecht beurteilen und nach ihren Vorzügen schätzen
lernen. In beiden Angelegenheiten redet Pribilla besonders
die katholische Wissenschaft an. Die katholische
Philosophie soll aufhören mit der Behauptung, „dieses
oder jenes philosophische System" — gemeint ist
offensichtlich Kant — sei heute überwunden. „Keines
der großen philosophischen Systeme, das diesen Namen
wirklich verdient, ist im Laufe der menschlichen Geschichte
dauernd überwunden worden". Darum ist eingehende
Befassung mit den Werken der Nichtkatholiken
Pflicht. „Wenn Thomas (v. Aquin) heute lebte, er
wäre nicht blind gegen die Irrgänge der kritischen
Philosophie, aber er würde den bedeutenden Fortschritt
in der Stellung und Fassung der Probleme gesehen
i haben, den wir der modernen Philosophie verdanken,