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Ausgabe: | 1925 Nr. 24 |
Spalte: | 559-560 |
Titel/Untertitel: | Das Martyrium des Einsiedlers von Mainz. Ein verlorenes Gemälde Grünewalds 1925 |
Rezensent: | Günther, Rudolf |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 24.
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Verschwinden dieser Tradition zugunsten anderer Überlieferungen
, vor allem der vom leeren Grab, die Existenz
einer geformten Erzählung dieses Inhalts bezweifeln
läßt, so scheint dem Verf. glaublich, daß die
Petruserscheinung zunächst überhaupt nur in Form des
Kerygmas erzählt worden sei. Das ist sicher eine sehr
erwägenswerte Meinung; um sie schlagend beweisen
oder widerlegen zu können, müßte man freilich den Bericht
des Petrusevangeliums kennen.
Den „formgeschichtlichen" (im Unterschied vom
literarkritischen) Gesichtspunkt, von dem aus B. die
Quellen analysiert, möchte ich durchaus unterschreiben
: „daß die literarkritischen Quellen hier wie
überall nicht als die eigentlichen Triebkräfte der Entwicklung
, sondern als Niederschlag und Förderer der in
Mission und Gemeindeleben wurzelnden mündlich-
schriftlichen Überlieferung aufzufassen sind" (S. 88).
Allein ich frage mich doch, ob B„ der bezeichnender
Weise auch lieber „traditionsgeschichtlich" als „formgeschichtlich
" sagen möchte, der Gestalt, in der die
Ueberiieferung verbreitet wurde, immer ganz gerecht
geworden ist. Zwischen der Kerygma-Überlieferung von
der Petrus-Erscheinung und der Geschichte von Emmaus
mit dem an alte Vorbilder erinnernden Epiphanie-Motiv
besteht doch ein gewaltiger Unterschied, den man nicht
einfach mit der Konstatierung des Schemas von der
Einzelerscheinung wegbringen kann. Und wenn man in
dieser Beziehung einmal mißtrauisch gegenüber dem
Schema geworden ist, dann sieht man auch, daß die angebliche
sachliche Verwandtschaft der Nachrichten, geinessen
etwa an der synoptischen Verwandtschaft der
Leben-Jesu-Berichte, gar nicht so groß ist. Mir scheint,
daß sich in dieser Differenzierung ein Doppeltes geltend
macht. Erstlich wirkt sich die Transzendenz des
Stoffes aus; der Osterglaube kann nur in Form des
Kerygmas oder der Legende Gestalt gewinnen. Zweitens
— leider hat B. das nur flüchtig auf S. 82 am
gerührt — hat der Osterglaube sich seines ursprünglichen
eschatologischen Gehalts — die Auferstehung ist
der Auftakt zur neuen Welt — entäußert und einen
neuen Sinn gewonnen: die Auferstehung ist die göttliche
Bestätigung des Lebens und Leidens Jesu sowie
der Existenz seiner Gemeinde. So mußte der Osterglaube
sich in verschiedenen Formen äußern, und ich
leugne nicht, daß dabei ein Schematismus, der sein
geschichtliches Recht dem relativ einfachen Hergang
der Dinge entnahm, eine Rolle gespielt hat.
Ich möchte überhaupt mit solcher Kritik das Verdienst
der klaren und gedankenreichen Analyse des
Verf. nicht schmälern. Wir kommen, so will mir
scheinen, nur auf dem von ihm begangenen Wege
weiter, wenn auch vielleicht bei solchem Weiterkommen
die Ziele anders erscheinen, als er sie sieht. Aber den
Weg beschritten zu haben, ist auch Verdienst.
Heidelberg. Martin Di bei ins.
Günther, Rudolf: Das Martyrium des Einsiedlers von Mainz.
Ein verlorenes Gemälde Grünewalds. Mit Erläuterungen des
Gegenständlichen in Grünewalds Kunst. 1. u. 2. Tausend. Mainz:
Matthias-Grünewald-Verlag 1925. (IV, 79 S. m. 4 [1 Dopp.-] Taf.)
gr. 8°: = Das Neue Münster. Baurisse zu einer dtschn. Kultur.
geb. Rm. 3.60.
Auf besondere Bitte der Schriftleitung berichte ich
selbst über diesen Beitrag zur Grünewaldforschung. Zu
den wichtigsten unter den verlorenen Gemälden Grünewalds
gehört die Ermordung eines blinden Einsiedlers,
der auf der Eisdecke eines Flusses von Räubern erschlagen
wird.
Das Gemälde soll um 1632 von den Schweden aus dem Mainzer
Dom geraubt worden sein. Wir erfahren davon durch Sandrart, der
in seiner Teutschen Akademie (1675) auch mitteilt, daß die Szene
sich auf dem Rhein abspiele. Was das Bild selbst angeht, so wird
Sandrarts Nachricht durch Sulpiz Boisseree bestätigt. Er kennt eine
Kopie desselben von Grünewalds Enkelschüler Ph. Ulfenbach; diese,
signiert vom Kopisten, nebst der Jahreszahl 1520, und vom Urheber
G. in M., ist heute verschollen.
Was ist der Gegenstand dieses Bildes? Die bisherigen
Deutungen auf die Heiligen Magnus, Lambert,
Petrus Martyr sind unhaltbar. Es handelt sich um ein
Einsiedlermartyrium; von den bekannten läßt
sich keines in dem beschriebenen Bilde wiedererkennen.
Eine Untersuchung der Mainzer Ortslegenden führt zunächst
auf die Tatsache, daß der Mainzer Ortsheilige
Albanus — sein Festtag, übrigens schon nach dem
I Martyrologium des Rhabanus Maurus, ist der 21. Juni —
i unter Benützung der Gozwinschen Vita in der Diözese
j Torcello für die kleine venetianische Insel Burano in
j Anspruch genommen worden ist. So konnte es geschehen
, daß Pietro de Natali in seinem 1493 erschiene-
| nen und in rascher Folge wiederholt aufgelegten Cata-
! logus Sanctorum (I, 16) den Mainzer Presbyter Albanus
j des 4.—5. Jahrh. mit dem erdichteten Albanus des
j 12. Jahrh., einem christlichen Ödipus, in eins gesetzt
; hat. Dessen handschriftlich verbreitete und um 1470 in
j Köln und Nürnberg gedruckte Legende ist dem roman-
| tisch novellistischen Trieb des hohen Mittelalters ent-
! Sprüngen, dem St. Brandan, Gregorius auf dem Stein,
| der deutsche Christoph ihre Volkstümlichkeit verdanken.
Eine Nachblüte ist die Legende der Pfalzgräfin Genoveva
. Als Stifter der verlorenen Gemälde Grünewalds
j im Mainzer Dom ist Kardinal Albrecht von Mainz zu
i vermuten, durch ihn dürfte der neue Typus des h. Albanus
— der alte gehört zu den Kephalophoren — über
den Altar gebracht worden sein. Dieser Albanus erleidet
nach wechselvollem Leben als Einsiedler den Märtyrertod
von Räuberhand, Pietro verlegt den Vorgang nach
Mainz und macht die Räuber zu Heiden. Die äußere
Situation ist bei Grünewald gegenüber der Legende verändert
, allein diese wird schon vom Legendenmaler des
späteren Mittelalters mit wachsender Freiheit behandelt.
Grünewald, den die Darstellung einer rohen Mordtat
nicht reizen konnte, trägt die Blindheit des Einsiedlers
ein, den ein „Leitbube" über das Eis führt, und gewinnt
so den Kontrast des sterbenden Alten und des in seiner
Todesangst schreienden Jungen, auf den der Märtyrer
niedergesunken ist. Prüft man das Gesamtwerk Grünewalds
, besonders die noch bestehenden Dunkelheiten
unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Freiheit, so
ergibt sich z. B„ daß die berühmte Unterredung der
Heiligen Erasmus und Mauritius weder auf der Legende
beruht, noch, wie man bisher annahm, eine sacra conver-
sazione, sondern freie Erfindung des Meisters ist. Bei
dieser Prüfung lassen sich auch noch Züge in den
Dunkelheiten gewisser anderer Grünewaldwerke aufhellen
. Und dabei wird der Einblick in des Meisters
künstlerisches Wesen vertieft.
Der Schrift sind 4 Tafeln, darunter eine farbige, beigegeben,
ebenso eine Übersetzung der späteren Albanuslegende (nach dem vorzüglichen
deutschen Prosaiker Albrecht von Eyb) und des 16. Kapitels
aus Pietros Catalogus, Lib. I.
Marburg (Lahn). Rudolf Günther.
Urkunden und Akten des Württembergischen Staatsarchivs.
1. Abt.: Württ. Regesten v. 1301—1500. Hrsg. v. d. Württ.
Staatsarchiv in Stuttgart. I.: Altwürttemberg, 2. Teil, 2. Lfg
Stuttgart: W. Kohlhammer 1925. (S. 271—302) 33X24,5 cm.
Nachdem das Staatsarchiv in Stuttgart die Urkunden
bis 1300 in 11 Bänden veröffentlicht hat, begann es,
die Urkunden und Akten 1301 —1500 in ganz kurzen
Regesten zunächst für Altwürttemberg und später für
Neuwürttemberg herauszugeben. Fertig sind die Urkunden
und Akten des Hausarchivs und die für das
ausgedehnte Kanzleiwesen. Jetzt kommen die Urkunden
und Akten der Ämter in alphabetischer Ordnung in den
archivalischen Teilen „Weltlich" und „Geistliche Verwaltung
" dran, die beiden ersten Lieferungen geben die
Urkunden und Akten der Ämter von Altensteig bis zum
Anfang von Dornhan. Diese Veröffentlichungen verdienen
Beobachtung durch die Kirchenhistoriker. Denn
sie zeigen den ungemeinen Eifer des frommen Sinnes
für Stiftungen von Altären, Kapellen, Pfründen für
Frühmesse und Altarkaplaneien. Dabei ist sehr zu be-