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Ausgabe:

1925 Nr. 22

Spalte:

520-522

Autor/Hrsg.:

Heim, Karl

Titel/Untertitel:

Das Wesen des evangelischen Christentums 1925

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 22.

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verstandene Menschheitsliebe ein. — Man sieht: Pazifismus
im charakteristischen Gewand katholischer Theologie
. Christlich-kirchlich (katholisch) fundiert, aber genau
wie der übliche Pazifismus sich wesentlich an der
Aufstellung des Ideals genügen lassend. Mit den Tatsachen
, die die pazifistischen Bestrebungen der Gegenwart
so stark als antideutsch kennzeichnen, und ebenso
mit der Unmöglichkeit ihrer sinngemäßen Verwirklichung
befaßt St. sich kaum. Wo er den falschen Nationalismus
schildert, nimmt er die Farben von deutschen
Autoren her; Frankreich wird nicht ganz übergangen,
aber sehr glimpflich behandelt; das Wesen des Genfer
Völkerbundes ist völlig verkannt.

Schlunds Heft bietet eine Parallele zu Stratmanns Kap. über
Vaterlands- und Menschheitsliebe. Er arbeitet stärker als Str. mit
Autoritäten; er sieht die Vaterlandsliebe noch mehr von allen Seiten
aus an, von denen her die kath. Moral ihre ethischen Objekte zu beleuchten
pflegt. Praktisch kommt er gegenüber einem Zuviel (Nationalismus
) und Zuwenig (Internationalismus und Kosmopolitismus) auf
einen Mittelweg hinaus. Man spürt dabei eine praktischere Haltung
heraus als hei Str.; Schi, hält es für unser Recht, uns zu rüsten, um
die verlorenen deutschen Gebiete wiederzugewinnen (S. 68). Doch lehnt
auch er die Weltfriedensbewegung nicht ab, nur daß er „die harte
kantige Welt der Realitäten" stärker beachtet. Ein Anhang registriert
die „internationalen Kräfte". Pflichten gegen 'die eigene und gegen
die fremden Nationen sollen ehrlich anerkannt und erfüllt werden „im
Sinne der übernationalen kathol. Kirche".

Heinrich zeichnet in knappen Strichen, nicht ohne Geltendmachung
eigener Meinung, den deutschen Nachkriegskatholizismus.
Auch hier spielen die Gedanken über Krieg und Frieden eine erhebliche
Rolle; daneben klingen die soziale Frage, die Jugendbewegung
, der Antisemitismus, auch die Verfassungsfrage an. Da es sich
meist um Andeutungen handelt, kann nicht näher darauf eingegangen
werden. Der treukirchliche Laie verlangt als Voraussetzung für
den politischen Frieden, den ein neues Völkerrecht schaffen will, einen
neuen Frieden in der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung.

Breslau. M. Schi an.

Macfarland, Gen.-Sekr. D. Charles S : Die internationalen
christlichen Bewegungen. Amerikan. gesehen. Übers, u. m.
e. Geleitwort v. Adolf Keller. Berlin: Furche-Verl. 1925.
(235 S.) gr. 8°. Rm. 3.40; geb. 4.80.

Söderblom, Frzbischof Nathan: Einigung der Christenheit.
Tatgemeinschaft der Kirchen aus dem Geist werktätiger Liebe.
Obers, u. eingeleitet von Peter Katz. Mit Titelbild [des Verf.'s]
und Facsimile. Halle a. S.: C. Ed. Müller. (220 S.)

Macfarland bezeichnet sein Buch als eine Ergänzung
zu der Arbeit von Wallau über die Einigung
der Kirche (Theol. Lit.-Ztg. 8. VIII. 1925). In der Tat:
bei Wallau überwiegt das Grundsätzliche, M. gibt nur
Tatsächliches. Leuzteres fehlt freilich auch bei Wallau
nicht; insofern entsteht doch eine gewisse Konkurrenz.
Aber Wallau gibt nur die „großen Linien" der bisherigen
Entwicklung, M. aber, so bescheiden er es ablehnt, eine
erschöpfende Darstellung geben zu wollen, sucht alle
christlichen und kirchlichen Organisationen, die entweder
international sind oder aber zur Förderung internationaler
Freundschaft oder Hilfsleistung führen, zusammenzustellen
und ihre Art wie Arbeit zu beschreiben.
Eine Übersicht mit Angabe der Adressen steht am
Schluß. Es ist eine überraschende Fülle von Organisationen
, die da zusammenkommen. Der Titel betont
das „amerikanisch gesehen". Das tritt zu Tage in dem
selbstverständlichen, die ungeheuren Probleme ganz zurückstellenden
Optimismus, der die Darstellung beherrscht
, in der starken auch räumlich breiten Betonung
der Arbeit Amerikas auf diesem Gebiet (allein der
Kommission des Federal Council für Gerechtigkeit und
Freundschaft zwischen den Völkern sind fast 40 S. gewidmet
) und in der Art, wie der Gesichtspunkt des
Internationalismus alle anderen überragt. So wird z. B.
der Internationalismus der Heilsarmee als „ein großes
Gut für die Menschheit" bezeichnet. In der Gliederung
der Übersicht ergeben sich Schwierigkeiten. Warum „der"
Christi. Verein junger Männer und „der" Christi. Verein
junger Mädchen unter die „nationalen Organisationen
zur Förderung internationaler Freundschaft" eingereiht
sind, leuchtet nicht ein. Die Übersetzung Kellers

ist gut, obwohl der englische Stil deutlich erkennbar
bleibt und einzelne Anstöße (Japanesen) begegnen.

P. Katz legt eine Übersetzung des 1923 englisch
erschienenen Buches „Christian Fellowship" Söderbio
m s vor. Dort waren mehrere Reden S.s zusammengefaßt
: eine 1921 in mehreren Sprachen, auch deutsch
(in Stuttgart) gehaltene Predigt: „Die Einheit der
Christenheit, Pflicht oder Problem?", ein in Wittenberg
1522 gehaltener Vortrag über die Wege zur kirchlichen
Einigung, Münchener Vorträge über Erasmus, Luther
und Ignatius und die Haupttypen abendländischer Frömmigkeit
. S. sieht und bespricht die Probleme, wie
Kirche und Nationalismus, Volks- und Freikirchenideale
u. a. m.; er überblickt den Gang der Geschichte mit
allen kirchlichen Scheidungen und leuchtet gründlich in
die Mannigfaltigkeit der Motive hinein; er gibt dem
religiösen Drang nach Einheit tief innerlichen, ergreifenden
Ausdruck. Das alles macht das Buch wertvoll,
seine Lesung förderlich, ja oft beweglich. Ein ungemeiner
Gedankenreichtum fesselt; eigenartige Urteile
fordern Zustimmung oder auch Widerspruch (z. B. mit
der Zeichnung der Stellung Luthers in Kirchenfragen
vermag ich mich keineswegs durchweg einverstanden
zu erklären. Daß in der römischen Christenheit die
verschiedenen Mönchsorden, bes. der Unterschied zwischen
Pfarrgeistlichkeit und Mönchen, z. T. wenigstens
der Trennung der evangelischen Christenheit in Bekenntnisse
, Teilkirchen und Sekten entsprechen (S. 29),
würde ich niemals zu sagen wagen. In der Stellung zur
Einigungsfrage selbst stimme ich S. zu, wenn er die
Methode der Liebe als „den köstlicheren Weg" bezeichnet
; im übrigen verweise ich auf das, was ich zu R.
Wallaus Buch hier ausgeführt habe. S. gibt auch einen
Überblick über die bisherigen Bemühungen und „Ziele
für die nächste Zukunft"; natürlich sind diese Stücke
durch Stockholm überholt; wertlos sind sie darum nicht
geworden.

Sehr bemerkenswert ist S.s Urteil über die ev. und kath. Bemühungen
um den Frieden während des Weltkriegs und nachher.
„Rom gelang es nicht, weder während noch nach dem Krieg, einen
Beweis seiner Treue gegen den Grundsatz der christlichen Solidarität
zu erbringen." (S. 170). „Die mächtigste, die absoluteste kirchliche
Verfassung, die es gibt, ist nicht imstande gewesen, das zu erreichen,
was die ev. Christenheit, bekannt und verrufen für ihre Zersplitterung,
...lange zuvor bereits geleistet hat." (S. 174).

Breslau. M. Schi an.

Heim, Prof. Dr. Karl: Das Wesen des evangelischen Christentums
. Leipzig: Quelle & Meyer 1925. (IV, 115 S.) kl. 8°. =
Wissenschaft u. Bildung 209. geb. Rm. 1.60.

Inhalt. I. Der Zauber der katholischen Kirche. — II. Die Ursache
der Kirchenspaltung. — III. Du bist Petrus und auf diesen
Felsen will ich hauen meine Gemeinde. — IV. Katholisches und evangelisches
Christusverständnis. — V. Die beiden entgegengesetzten
Wege zu Gott. — VI. Die Anbetung Gottes im Geist und in der
Wahrheit. — VII. Die Gewissensreligion. — VIII. Das Ende des
Priestertums. — IX. Die evangelische Sittlichkeit. — X. Die evangelische
Kirche.

Schon oft hab ich verlegen da gestanden, wenn
ich nach einem kurzen, leicht verständlichen und in
die Tiefe der religiösen Entscheidung eindringenden
Büchlein gefragt wurde, welches das Wesen evangelischen
Christentums gegenüber dem Ansturm der katholischen
Propaganda darlegt. Unsre Konfessionskunden
und Polemiken dienen andern Zwecken; vieles Populäre
ist geistig gar zu anspruchslos, vieles an sich Brauchbare
nicht auf den religiösen Gegensatz eingestellt.
Karl Heim versucht es, die hier bestehende Lücke auszufüllen
, indem er ein akademisches Publikum in den
Druck gibt.

Er macht sich von dem Schema der Unterscheidungslehren
ganz frei und geht seine eigenen Wege.
Aus' dem vorangestellten Inhaltsverzeichnis läßt sich
der zugleich einfache und eigenartige Lauf der Gedanken
ablesen. Das erste Kapitel, eine gewandte Darstellung
der Vorzüge der katholischen Kirche bei einer
der Zeitstimmung entsprechenden Beleuchtung, schließt