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Ausgabe:

1925

Spalte:

507-509

Autor/Hrsg.:

Steuernagel, Carl

Titel/Untertitel:

Das Deuteronomium, übersetzt und erklärt. 2., völlig umgearb. Aufl 1925

Rezensent:

Duensing, Hugo

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Worte dem beutigen Leser greifbar würden. Dasselbe
gilt auch für die. übrigen Bestandteile des Buches. Die
Übersetzung selbst ist schön, namentlich die Stellen mit
tieferer Empfindung sind wohl gelungen. In einem sehr
kurzen Anhang sind Erläuterungen beigegeben. Ich
fürchte, daß sie dem wissenschaftlichen Leser zu wenig
bieten, und daß sie der Gemeinde in ihrer Kürze vielfach
nicht verständlich sind. Über manches Wesentliche
würde man gern Auskunft bekommen, wie über den
Immanuel Jes. 7, 14 oder den Menschen von Dan. 7, 13.
In literarkritischer Hinsicht bleibt ein Halbdunkel; man
erfährt z. B. nichts über das Verhältnis von Jes. 24—27
oder von Jes. 40—66 zu Jesaja, oder über die Zeit, aus
der die Danielapokalypse stammt. Die von der kirchlichen
Überlieferung messianisch gefaßten Psalmen werden
auch hier als messianisch bezeichnet (auch Ps. 8.
16. 22. 45. 68. 78. 97. 109). Daneben verrät sich aber
auch nicht selten die für den Vf. charakteristische selbständige
und eigenartige wissenschaftliche Überzeugung.
So nimmt er an, daß die Psalmenüberschriften meist
Unterschriften zum vorhergehenden Psalm seien; Jes.lS,
1 bezieht er auf Südarabien, 10,2 auf Assyrien, was nicht
recht verständlich ist; Berseba in Am. 5,5 soll der Jakobsbrunnen
bei Sichern sein; das Weib Hoseas war
das Weib eines fremden Mannes, das seinem Mann entlaufen
war und das der Prophet zu sich nehmen muß;
das 4. Reich bei Daniel wird auf das römische Reich
bezogen, oder wenn die vier gleichzeitig sind, auf Um-
man Manda (also wohl das skythische Reich). Im
Ebed der deuterojesajanischen Ebedlieder sieht Vf. den
Messias als Verkörperung des geläuterten Volkes oder
auch als Prophet. Das „Haus Jahwes" Ps. 23,6 ist
nach Ansicht des Vf. der Tempel, aber zugleich sichtbares
Sinnbild der unsichtbaren Gottesgnade und Gottesnähe
. Ich habe vor kurzem darzulegen versucht, daß
wir auch diesen Ausdruck wie alle Ausdrücke des 23.
Psalmes rein bildlich (also nicht auf den Tempel) zu deuten
haben, und daß das „Bleiben im Hause Gottes" eben
die dauernde Gottesgemeinschaft ausdrücke. — In Übersetzung
und Anmerkungen steckt eine riesige Arbeit,
und man erkennt auf Schritt und Tritt die Vertrautheit
mit dem Alten Testament, die der sehr gelehrte Verfasser
in langer Forschung sich erworben hat.

Tübingen. P. Volz.

Steuernagel, Prof. D. Dr. Carl: Das Deuteronomium, übersetzt
und erklärt. 2., völlig umgearb. Aufl. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1923. (IV, 183 S.) gr. 8". = Götlinger Hand-
kommentar zum Alten Testament, hrsg. v. W. Nowack. I. Abt., 3.
Bd., 1. Teil.

Diese Neuauflage, die erst gegen Ende März, dieses
Jahres in die Hände des Unterzeichneten überging, ist
in der Tat eine völlig umgearbeitete. Neu ist nicht nur
vielfach die innere Einrichtung und die Typenauswahl,
sondern auch die Ansichten und demgemäß die Darstellung
des Verfassers weisen die in seinem Lehrbuch
der Einleitung z. A. T. aufgetretene Wandlung auf. Er
ist nicht mehr der Meinung Kuenens, daß das Josiagesetz
nicht nur in K. 12—26, sondern in K. 4, 44—30, 20
stecke, sondern hat sich nun der Auffassung Wellhausens
angeschlossen, wonach das gegenwärtige Buch
aus einer Kombination mehrerer Parallelausgaben des Ur-
gesetzes hervorgegangen ist. Von dem Urdeuteronomium
(D1) entstanden drei sekundäre Ausgaben mit Umrahmungen
(D2a, D2b, D2c), D2a mit 1—4,8, D2b mit der
von St. früher nach der pluralischen Anrede als PI bezeichneten
Einleitung 5; 9, 7a—10,11; 10,12—11,32 und
D2c mit der früher als Sg bezeichneten Umrahmung
(6, 4—9, 7a, Teile von 10, 12ff und von 28), wobei zu
bemerken ist, daß dem Numeruswechsel auch jetzt noch
als Kriterium eine erhebliche, meist entscheidende Bedeutung
beigemessen wird trotz gelegentlich (S. 88) zum
Ausdruck kommender Einsicht in die Unsicherheit der
textlichen Grundlage. Die jetzige Abgrenzung der 3 sekundären
Editionen ist auf S. 9 zu finden; sie zeigt, daß

die dritte D'c am umfangreichsten ist, also auch
wohl ziemlich vollständig mitgeteilt ist, während von
den Ausgaben D2a und b nur das sich erhalten hat, was
ihnen eigentümlich war. Eine weitere Veränderung betrifft
die Auffassung der Verwertung von J E im Dt.
Kannte der Verf. in der 1. Auflage jahwistische und
elohistische Bestandteile, so sind die ersteren seinen
Blicken jetzt ganz entschwunden, ist er doch schon in
seinem Lehrbuch der Einleitung der Meinung, daß von
der Mitte des Buches Numeri an J nicht mehr als
Quelle benutzt sei. Wo Wendungen an J erinnern
(z. B. 31, 14) werden sie als Zusatz des R je ausgeschieden
. Wenn andere z. B. in K. 34 oder 31, 14 f. J
(Smend dort J2) finden, so würde der Verf. hier E entdecken
, wenn er nicht — und das ist eine Veränderung
gegenüber seiner früheren Darstellung — jetzt der Meinung
geworden wäre, daß wir es nicht mit von R d überarbeiteten
E-stücken, sondern mit einer Reproduktion
des E-berichtes durch D2a zu tun haben. So entscheidet
sich St. z. B. an der zuletzt angeführten Stelle für D2a,
während er E 10, 6f; 27, 5—7; 31, 14f., 23 und
wohl den Segen Mosis zuschreibt. Ergeben sich so
Änderungen der Quellenscheidung von veränderter
Grundauffassung aus, so hat die Weiterarbeit manchmal
auch im Einzelnen das Bild verändert. Sah St. beispielsweise
in 6, 6—9 früher Redaktorenmachwerk, so
weist er die Verse jetzt D2c zu. Änderungen z. B. auch
in Kap. 2 (V. 17, 24a)) 9 und 10, 17, 20, 1, 28, 1. —
Der Kommentar liegt noch vor den neuesten Diskussionen
über Auffassung und geschichtliche Stellung des
Dt. — Der neuesten Thesis, wonach Dt. eine Zentralisation
des Kultus überhaupt nicht fordern soll (Oestreicher,
Staerk), könnte man aus dem vorliegenden Kommentar
den Satz gegenüberstellen: „Daß es (das Dt.) mit der
,Stätte, die Jahwe erwählt, um seinen Namen daselbst
wohnen zu lassen', Jerusalem meint, kann keinem Zweifel
unterliegen" S. 95, eine Behauptung, die sich doch
auch wohl in der Zukunft als stichhaltig erweisen
dürfte. Was anders aufgefaßt werden könnte, hat der
Autor zu 16, 21f. selbst gesehen und bemerkt, ohne sich
irre machen zu lassen, und die Verwendung von 23, 17
als Kampfmittel läßt sich leicht als unberechtigt erweisen
. Gegenüber der Versetzung des ganzen Dt. aus
der mit dem Jahre 586 zu Ende gehenden älteren Periode
der jüdischen Geschichte in wesentlich jüngere Zeit wird
die Unbefangenheit ihres Eindrucks nicht verfehlen, mit
der der Autor als sicher exilisc'h bzw. nachexilisch erkennbare
Stücke als solche gelten läßt. Auch hier dürfte
sich schließlich die im vorliegenden Kommentar vertretene
ältere Anschauung, wonach das deuteronomische
Grundgesetz einen Angelpunkt in der Geschichte und
für die Kritik bedeutet, als die richtigere erweisen. Ein
Punkt, wo eine gewisse Antiquierung der sachlichen Erläuterungen
bereits eingetreten ist, ist die hier — abgesehen
vom Codex Hammurabi — nicht vollzogene Einbeziehung
des biblischen Gesetzesmaterials in das der
übrigen orientalischen Völker, wie sie durch die hethi-
tischen und altassyrischen Gesetze gefordert wird, von
denen namentlich die ersteren die überraschendsten Parallelen
gerade zum Dt. enthalten und uns damit vor
neue geschichtliche Probleme stellen. Es fehlt uns eine
Verarbeitung des gesamten bisher erschlossenen Mate-
riales unter Benutzung juristischer Terminologie und
Eruierung der zugehörigen Kulturstufen mit der Ab-
zweckung, das original Israelitische, bzw. Jüdische an
den alttestamentlichen Gesetzen herauszustellen. Im Übrigen
ist in der vorliegenden Neuauflage für das Sprachliche
neueres assyriologisches Material herbeigezogen
und für das Historische auch die gerade für gewisse
Stellen des Dt. wichtigen Elephantinepapyri. Die Sach-
erklärung ist knapp gehalten; doch enthält sie immerhin
so viel, daß stellenweise über den vorliegenden Bestand
hinaus ein Ursinn erschlossen wird. Das wird
freilich abgelehnt bei der Erklärung von 20, 5 ff., wo die
übrigens auch von Greßmann vertretene Auffassung von