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Ausgabe:

1925

Spalte:

474-476

Autor/Hrsg.:

Shebbeare, Charles M.

Titel/Untertitel:

The Challenge of the universe 1925

Rezensent:

Mulert, Hermann

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47a

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 20.

474

H.V. Diss. Königsberg '21; H. Wagner, Das Verhältnis von Staat
und Kirche. Diss. Münster'22; R. Hell, Die Staatsaufsicht über die
Religionsgescllschaftcn nach geltendem Recht. Diss. Heidelberg '22:
Fr. H ä r t i g , Die Rechtspersönlichkeit der Religionsgescllschaftcn
nach der R.V. Diss. Leipzig *Z2; W. Roth, Die Religionsgemeinschaften
als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne der neuen V. des
deutschen Reiches. Diss. Marburg "22; C. Mirbt, Die Grundformen
des Verhältnisses von Staat und Kirche, Rektoratsrede Göttingen '21.
— Die Ausstattung des Buches läßt zu wünschen übrig.

Wir protestantischen Theologen pflegen die Bearbeitung
des Kirchenrechts, insbesondere des Staatskirchenrechts
, den Juristen zu überlassen. Dafür bietet
die vorliegende Schrift ein charakteristisches Zeugnis.
In dem ausführlichen Literaturverzeichnis ist ein einziger
protestantischer Theologe, und zwar mit einer Schrift
aus dem Jahre 1907!, angeführt (v. d. Goltz). Nicht
einmal die Veränderungen der Nachkriegszeit auf diesem
Gebiet haben also nennenswerte Beiträge protestantischer
Theologen hervorzurufen vermocht, abgesehen
von Mirbts Rektoratsrede. Wir hätten aber, meine ich,
alle Veranlassung, mit dieser aus vergangenen Zeiten
stammenden Gewohnheit zu brechen und das Kirchenrecht
nicht den Juristen allein als Domäne zu überlassen.
Es handelt sich um unsere höchsteigene Angelegenheit.
Die Juristen pflegen sachgemäß mehr das geltende
Recht und seine praktischen Fragen als die grundsätzlichen
Probleme zu erörtern. Aber damit ist es nicht
getan. Gerade auf die Herausarbeitung der Grundsätze
kommt es für uns an. Die Kirchen kämpfen z. B. heute
einen verzweifelten Kampf um die Erhaltung der konfessionellen
Schule. Ein einfacher Blick in die RV.
zeigt uns aber, daß dieser Kampf um grundsätzlich
schon verlorenes Gelände geht: die Schule ist laut
§ 144 der RV. Sache des Staates. Nur soweit die staatlichen
Schulgrundsätze gestatten, ist die Religion Lehrfach
in den Schulen, § 149. Auch der Religionsunterricht
ist also Sache des Staates, nicht Angelegenheit der
Kirchen. § 149 gibt freilich den Kirchen die Möglichkeit
, sich praktisch für konfessionellen Religionsunterricht
einzusetzen, grundsätzlich bleibt es aber so,
daß der Kampf schon verloren ist.

Die Anführung soll an einein praktisch wichtig gewordenen
Einzelfall den Grundsatz zeigen, von dem die
RV. überall ausgeht, daß nämlich allein der Staat entscheidet
, was zu seiner Kompetenz gehört, oder was für
die Kirche übrig bleibt. Vgl. Lilienthal S. 24: Was Angelegenheiten
der Religionsgesellschaften sind, kann im
Zweifelsfalle nur der Staat bestimmen, ev. hat, S. 25,
das Reichsgericht die Entscheidung zu fällen. Die Religion
umfängt aber ihrem Wesen nach das ganze
menschliche Leben, sie bedingt durch ihre Gewissensbindung
das gesamte menschliche Handeln. Andererseits
normiert auch der moderne Staat durch seine Gesetze
und seine kulturellen Bestrebungen das Leben
weithin. Konflikte zwischen beiden Größen sind deshalb
, so weit ich sehe, unvermeidlich (gegen L. S. 24
A. 102). Daß in jedem solchen Falle der Staat als die
übergeordnete Behörde bestimmt, was in seinen Machtbereich
gehört, ist für religiöses Denken unmöglich.
Diese Feststellung bedeutet, daß die Grundlage unseres
heutigen Staatskirchenrechts, die Staatskirchenhoheit
, meines Erachtens von kirchlicher Seite aus
abgelehnt werden muß. Andererseits ist aber nach
protestantischer Auffassung auch der Staat eine
Gottesordnung. Nicht der Kampf zwischen beiden,
sondern der Friede muß daher als das Gegebene betrachtet
werden. Praktische Konflikte werden deshalb
am leichtesten vielleicht in der Form freier Vereinr
barungen gelöst werden können. Demnach würde ich
also etwas Ähnliches wie die „Koordinationstheorie"
auch von protestantischem Boden aus für die anzustrebende
Regelung halten. Aber diese Bemerkung will
die endgültige Lösung nicht vorweg nehmen. Meine
Worte sollen nur eine dringende Mahnung sein, daß
auch wir protestantischen Theologen uns ernsthaft an
der Lösung der staatskirchenrechtlichen Fragen, vor

allem ihren prinzipiellen Grundlagen, beteiligen. Nos-
tra res a g i t u r !
Göttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

The Challenge of the universe. A populär restatement of the
argument front design by Charles M. Shcbbeare. London:
S. P.C.K. 1918. (XXII, 24Q S) 8°. 7 sh. 6 d.

Die Forderung des Universums ist Gott. D. h. weil
wir in der Welt Sinn und Ordnung wahrnehmen, müssen
wir an eine sinngebende, ordnende Macht glauben. Die
Vernünftigkeit der Welt nötigt uns, eine Weltvernunft
anzunehmen, einen Logos, einen göttlichen Geist zu
ehren. Der Untertitel des Buchs: ein populärer Neubau
des teleologischen (Gottes-) „Beweises" ist insofern
richtig, als der Verf. (Oxforder Universitätsprediger)
in der Tat die dogmatisch-philosophische Schulsprache
vermeidet. Er schreibt auch mit dem guten Humor, der
viele seiner Landsleute auszeichnet, und hat die bei gebildeten
Engländern uns sympathisch berührende Kenntnis
griechisch-römischen Altertums. Es ist etwas vom
Geiste Shaftesburys in dem Buche, der mit seinem ästhetischen
Optimismus stärker in der englischen Ethik
nachgewirkt hat als Schiller in der deutschen. Die zwei
vorletzten Kapitel: „Besondere Schwierigkeiten" (namentlich
für den christlichen Unsterblichkeitsglauben)
und „Gott" (der ethische Charakter des christlichen
Gottesglaubens) heben sich deutlich von den früheren
ab, sind theologischer und verfallen gelegentlich in
Fehler der überlieferten Apologetik, so, wenn S. 165
Mitte gesagt wird, der Gedanke einer ewigen Bewegung
und einer unendlichen Substanz schließe nicht weniger
Schwierigkeiten in sich als der Gottesglaube.

Den Hauptinhalt des Buchs bildet die Darlegung,
daß Ordnung, Leben und Schönheit in der Natur nicht
einfach mechanistisch erklärt werden können, wie denn
auch unser sittliches Empfinden eine sittliche Weltordnung
, Beschaffenheit der Welt voraussetze, die der
naturalistischen Denkweise nicht entspricht. Ausdrückliche
Auseinandersetzung mit materialistischer oder
agnostischer zeitgenössischer Literatur, wie mit Bertrand
Russeis the free mans worship, nimmt keinen großen
Raum ein. Zuletzt wird ausdrücklich der philosophische
Konzeptualismus abgelehnt; Sh. bekennt sich zu der
Überzeugung, daß Sonne und Mond in ihrem Verhältnis
zu einander stehen würden, auch wenn kein Geist da
wäre, der sie und ihr Verhältnis zu einander wahrnähme.

Was wir aus solchen Büchern lernen können, ist
vornehmlich dies: weil die allermeisten Menschen wenig
geschichtlichen Sinn haben, nur in der Gegenwart leben,
darum wird die Behauptung, unser Glaube gründe'
sich ausschließlich oder doch vor allem auf geschichtliche
Offenbarung, günstigsten Falls als eine Einseitigkeit
von Theologen erscheinen. Zwar mag, wer den
Glauben auf geschichtliche Tatsachen gründen will,
weil alle Gottesbeweise aus Gesetzen der äußeren oder
der moralischen Welt nach seiner Überzeugung ver-
| sagen, in Wirklichkeit schärfer sehen, als der gemeine
j Mann, der auf solche Gottesbeweise vertraut. Aber
, der psychologischen Einsicht sollen wir uns nicht verschließen
, daß die Mehrzahl derer, die Gottesglauben
haben, oder doch derer, die" allerlei neuzeitlichen Zweifeln
gegenüber am Gottesglauben festhalten, zu solchem
Glauben vielmehr von den Ordnungen der Natur oder
denen des sittlichen Lebens her kommen. Je stärker
also naturwissenschaftlich-technisches Interesse unter den
! Menschen unserer Zeit ist, um so mehr hat der Theologe
die Pflicht, all das klar zu überlegen und ernst zu
sagen, was auf die Frage zu erwidern ist: führt uns die
Natur zur Erkenntnis Gottes?

Und vieles von dem, was Sh. anführt, ist zwar nicht neu aber
geschickt; so das Beispiel von einem Planetarium, dessen Besitzer
einem Atheisten auf die Frage nach dem Hersteller erklärte, es gebe
keinen; dies Kunstwerk sei zufällig entstanden. Als der Atheist das
wie zu erwarten war, für undenkbar erklärte, erfolgte natürlich dir'
Gegenfrage, ob denn die Entstehung der Welt ohne göttlichen Urheber
leichter denkbar sei. Minder zutreffend ist ein anderes Beispiel. Sh