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Ausgabe: | 1925 Nr. 20 |
Spalte: | 472-474 |
Autor/Hrsg.: | Lilienthal, A. |
Titel/Untertitel: | Die Staatsaufsicht über die Religionsgesellschaften nach Artikel 137 der Reichsverfassung 1925 |
Rezensent: | Schmidt, Kurt Dietrich |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 20.
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und den glänzenden Siegen von 1319 und 1500 spielt
Wöhrden die Hauptrolle. In seiner Nähe, allerdings
nicht ganz an der richtigen Stelle, ist 1900 das Siegesdenkmal
errichtet; in Wöhrden versammelten sich im
Schicksalsjahr 1559 auch die „Achtundvierziger" und
boten Unterwerfung an.
Wie überall in Dithmarschen war auch das Kirchspiel
Wöhrden ein kleiner Freistaat. Neben der Unterwerfung
1559, der Einführung der Reformation, beginnend
mit der grausamen Ermordung Heinrichs von
Zütphen 1524 im benachbarten Meldorf, war einschneidend
die Teilung des Kirchspiels 1580 bei der Teilung
Dithmarschens. Der blühende Wohlstand wurde schwer
getroffen im dreißigjährigen, besonders auch im nordischen
Kriege, ebenfalls in der Franzosenzeit, schwerer fast
noch in den furchtbaren Sturmfluten 1634 und 1717,
mit bitterem Hohne „Manntränken" genannt.
H. hat sich dann der mühevollen Arbeit unterzogen,
der Tätigkeit der einzelnen Kirchspielsvögte, Kirchspielsschreiber
, Deichgrafen usw. in den letzten vier Jahrhunderten
nachzugehen. Wir bekommen einen klaren Einblick
in die eigentümliche Verwaltung durch diese Beamten
, die bis zur Einverleibung des Landes in Preußen
1867 nur Dithmarscher sein durften. Auch unter
Preußen blieb diese eigenartige Verfassung vorläufig bestehen
, nur daß jene die richterliche Tätigkeit nicht
mehr ausübten. Seit 1888 hat man ja hier dann die
Amtsvorsteher.
Kirchenwesen, Armenwesen, Schulwesen, bis 1781
sogar eine halbe Lateinschule, finden eingehende Darstellung
. Es schließt sich daran eine Untersuchung
über die schwierige Frage der Entstehung der Wöhrdener
Familiennamen, wird auch allerlei aus der Kulturgeschichte
beigebracht, obwohl man gerade hier noch
gern mehr über die oft recht derben Sitten bei Taufen,
Beerdigungen, Hochzeiten und besonders Verlöbnissen
mit ihren Gelagen „usque ad stellam matutinam" gehört
hätte. Neu werden den meisten Lesern die fast widerlich
üppigen Beerdigungsfeierlichkeiten beim Ableben der
Pastoren sein. Unter den Geistlichen in Wöhrden waren
mehrere recht bedeutend, zwei auch als Geschichtsschreiber
tätig: Dietrich Carstens (f 1761), dessen noch
reichlich mit Fabeln gewürzte Chronik nicht gedruckt
ist, und Joh. Adr. Bülten, Verfasser der 1781/84 in
Flensburg und Leipzig erschienenen noch jetzt brauchbaren
Dithmarsischen Geschichte.
Am Schluß dienen noch Anhänge betr. den Grundbesitz
nach dem Landregister von 1560, Kätnergeld
1563, Grundbesitzveränderung, Verzeichnis der Pastoren,
Landesherren, Bevölkerungsbewegung zur Vervollständigung
dieses anziehenden Werks, daß in jeder Kirchspielsfamilie
zu finden sein sollte, aber auch in der
Nachbarschaft und in Dithmarschen überhaupt. Es ist
ein rechtes, deutsches Heimatbuch.
Kleinfreden. Paul Graff.
Voskamp, D. C. J.: Chinesische Gegensätze. Mit e. Vorbemerkung
u. Randbemerkungen v. Fritz Wert heimer. Berlin:
Buehh. d. Berliner ev. Missions-Gesellsch. 1924. (71 S.) 8°.
Rm. 2—.
Von Luthers Wesen hat einen Eindruck, wer auch
nur den bekannten Brief an seinen Sohn Hänsigen liest.
D. Voskamp bietet in Übersetzung 10 Briefe eines Vaters
an seinen Sohn dar. Auch sie genügen, so kurz sie
sind, eine Vorstellung zu geben von dem Charakter des
Briefschreibers. Indem man aber diesen Tseng-Guo-Fan
(gest. 1872) kennen lernt, den Generalissimus der chinesischen
Armee gegen die Taiping-Rebellen, lernt man
den Konfuzianer von echtem Schrot und Korn achten,
ja bewundern und liebgewinnen, wie er seit den Tagen
des großen chinesischen Meisters in seiner Schule und
an seinem Vorbild in strenger Selbstzucht, ein Segen
für sein Volk, sich immer neu gebildet hat. Es gibt
andere in China, die nur den Schein eines konfuzianischen
Wesens haben, aber seine Kraft verleugnen,
und es gibt Gesellen dort, die des Geistes des Meisters
auch nicht einen Hauch verspürt, bei Hoch und Nieder.
In Übersetzung bietet D. Voskamp auch das Lebensbild
eines solchen, eines Mannes, der durch vier Jahrzehnte
bei der Kaiserin-Witwe auch bei uns noch nicht erloschenen
Angedenkens (Tzu-hsi) in allerhöchster Gunst
gestanden, des Obereunuchen Li-Lien-Ying, der, vom
Schuhflickergesellen zum allmächtigen Höfling aufgestiegen
, skrupellos nur auf Selbstbereicherung bedacht,
eine Vielen unheilvolle Rolle spielte, — auch er ein Typ,
nur ganz, ganz anderer Art als der vornehme edle General
, der einmal schreibt: „Sorget, ihr meine Söhne, daß
ihr ein reines Herz habet; mein inniger Wunsch geht
dahin, daß unter meinen Nachkommen, in jedem Gliedc,
der strenge, antike Geist der Selbsterziehung herrschen
möge, der einzig unser Volk zu den alten Höhen führen
kann, von denen wir durch eigene Schuld so tief, so tief
gesunken sind." Licht und Schatten also, Licht von
oben und Dunkel des Abgrunds. Das sind die „Gegensätze
" des Titels, den der Herausgeber seiner Doppelpublikation
gewählt hat. Daß die sehr lesenswerten
beiden Verdeutschungen der auch in China geschätzten
Originale — die Briefe an die Söhne wurden bis vor
nicht langer Zeit in den Schulen ihres bewunderten
klassischen Ausdrucks wegen studiert — da und dort
noch der stilistischen Feilung bedürftig sind, hat so viel
nicht auf sich. Aufgefallen sind mir Mängel der Transskription
, aufgefallen darum, weil der Übersetzer, mit
dem ich selbst vor Jahrzehnten einmal nach dem Fernen
Osten gefahren, in langer missionarischer Praxis doch
so etwas wie ein Sinologe geworden ist. Wer über dem
Lesen des Buches etwa wie ich nicht umhin kann, die
Interpungierung zu berichtigen, entstellt sich — experto
credat — sein Exemplar.
Leipzig. H. Haas.
Lilienthal, Dr. A.: Die Staatsaufsicht über die Religionsgesellschaften
nach Artikel 137 der Reichsverfassung.
Berlin: C. Heymann 1925. (IV, 94 S.) gr. 8°. Rm. 4—.
Wer grundsätzlich über die Frage „Staat und
Kirche" arbeitet, oder wer praktisch mit Fragen
des Staatskirchenrechts zu tun hat, darf an dieser
sorgfältigen Untersuchung L.s nicht vorbeigehen. Er
behandelt zunächst ganz kurz das Verhältnis von
Staat und Kirche vor der neuen Reichsverfassung
und wendet sich dann der Aufgabe zu, die Grundsätze
klarzulegen, nach denen das Staatskirchenrecht der
j RV aufgestellt ist. Dieser Teil der Arbeit hat ein wichtiges
Ergebnis gezeitigt. Gegenüber den Behauptungen,
j daß der § 137 der RV Durchbrechungen des Systems
der Staatskirchenhoheit enthalte zu Gunsten einer Trennung
von Staat und Kirche, weist L. glaubhaft nach, daß
die RV vielmehr die Durchführung der Staatskirchenhoheit
in ihrer vollen Konsequenz darstellt. Er betont
also die Einheitlichkeit der getroffenen Regelung. — Die
| Wichtigkeit des Gedankens hätte eine etwas breitere
Ausführung gerechtfertigt.
Die Erkenntnis von der Einheitlichkeit der RV bildet
für L. dann die Grundlage für die Einzeluntersuchung
des Problems der Staatsaufsicht über die Religionsgesellschaften
. Behandelt werden: Der Begriff der Staatsaufsicht
, „das für alle geltende Recht", die „eigenen Angelegenheiten
" der Religionsgesellschaften und Sonderfälle
. Die freilich in gedrängter Kürze durchgeführte,
aber sehr inhaltsreiche Untersuchung bringt eine Fülle
von praktischen Ergebnissen, die hier unmöglich aufgezählt
werden können. Ich erwähne nur als besonders
beachtenswert, daß L. an 11 Stellen auf Unstimmigkeiten
zwischen der neuen preußischen Regelung und der RV
hinweist (S. 33 A. 140; S. 37 A. 165; S. 42; ebd. A. 190;
S. 47 A. 206; S. 57 A. 244; S. 78 A. 295; S. 80 A. 304.
305; S. 85 A. 319; S. 88 A. 337).
Eine Kleinigkeit: S. 75 muß die Übersicht des (5 15 lauten
,,§ 15. Einzelfragen" (wie das Inhaltsverzeichnis richtig angibt).
Der Druck ist sonst gut. S. 13 A. 41 lies Saegmüller statt Saege-
müller. — An nicht berücksichtigter Literatur führe ich an: A. Sperling
, Die Rechtsstellung der Religionsgescllschaften nach der neuen