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Ausgabe:

1925

Spalte:

465-466

Autor/Hrsg.:

Meyer, Eduard

Titel/Untertitel:

Blüte und Niedergang des Hellenismus in Asien 1925

Rezensent:

Lohmeyer, Ernst

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Seite 1

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465

auch um das von Orfali 1921 aufgedeckte Oktogon
handelt, eine Untersuchung des Baugrundes und der
Niveauhöhe in Jesu Zeit empfohlen — dann werde man
Näheres über das Alter der Baureste sagen können. So
wird durch die Diskussion der strittigen Fragen an der
Hand reichen Materials der Sache gedient und der Leser
in jedem Fall belehrt.

Das letztere gilt auch dort, wo mancher Leser gegen
die stark traditionsfreundliche Haltung des Buches
Widerspruch erheben möchte. Dalman steht sowohl
der Lokalüberlieferung als auch den evangelischen Berichten
in ihren Einzelheiten mit großem Vertrauen gegenüber
. Alles Einzelne mag dabei diskutabel sein;
wenn D. aber aus dem Grundsatz, daß Wundergeschichten
der Ortsangaben zu ihrer Stütze bedürfen (S. 14),
eine Rechtfertigung evangelischer und rabbinischer Lokalangaben
ableitet, so macht er sich die Sache zu leicht;
denn eben jene Einsicht würde auch zu dem Verdacht
führen können, daß solche Geschichten erst nachträglich
lokalisiert seien.

Die neue Auflage ist durchgehend ergänzt und verbessert
; neue Grabungen und neue literarische Arbeiten
sind berücksichtigt, auch neue Abbildungen sind eingefügt
. Von diesen sind am wertvollsten unstreitig die
deutschen Fliegeraufnahmen von Bethlehem, Nazareth,
dem Jordan und Jerusalem — ein geradezu ideales Hilfsmittel
der Orientierung und Veranschaulichung! Von den
Ergänzungen im Text seien folgende erwähnt: eine Zusammenstellung
talmudischer Nachrichten über galiläi-
sche Besonderheiten, die Kritik jüdischer Angaben über
Christen in Kapernaum, wichtige Bemerkungen zur vierten
Bitte (D. rückübersetzt lahman dejoma „Brot des
Tages"), zur Teilung von Unter- und Obergaliläa, über
die Reiseausrüstung und die Stadtteile von Jerusalem;
außerdem sind natürlich neuere Grabungsergebnisse verarbeitet
(jenes schon erwähnte Oktogon von Kapernaum
und die 1920 gefundene älteste Gethsemane-
Kirche). Der Nachtrag „Johannes der Täufer kein Essener
" ist freilich knapp geraten; wenn schon die Frage,
wie Josephus zu seiner Auffassung des Täufers kommt,
angeschnitten wird, so muß mehr gesagt werden.

Diese Ausstellungen mindern nicht den Dank für
das reiche in dem Buch verarbeitete Material. Als Stoffdarbietung
ist das Buch gedacht; in solchem Sinn soll
es benutzt und hoffentlich fleißig benutzt werden!
Heidelberg. Martin Di bei ins.

Meyer, Eduard: Blüte und Niedergang des Hellenismus in
Asien, Berlin: K. Glirtius 1025. (82 S.) 8°. = Kunst u. Altertum,
Bd. 5. Rm. 3.20.

Es ist dankbar zu begrüßen, daß der Vortrag über
Blüte und Niedergang des Hellenismus in Asien, den
Ed. Meyer zuletzt auf dem Deutschen Historikertag in
Frankfurt am 1. Oktober 1924 hielt, nunmehr erweitert
und erläutert im Druck erschienen ist. Der dem Verfasser
eigene und bekannte, sozusagen synchronistische
Blick hebt eine Fülle unbekannter oder wenig gekannter
Daten über die Ausbreitung des Hellenismus, vor allem
in den östlichen Euphratländern heraus; man ist das von
Ed. Meyer gewohnt und findet es dennoch in froher
Überraschung auch hier wieder bestätigt. Doch der
Wert der Arbeit liegt nicht nur in der Menge des beigebrachten
Materiales, von der eine angemessene Vorstellung
hier nicht gegehen werden kann, sondern ebenso
in der besonderen Art der geschichtlichen Verarbeitung
. Sie macht diesen Vortrag zu einer Skizze der
kolonialen Ausbreitung des Hellenentumes in Vorder-
und Mittelasien, und legt den Nachdruck auf den Anteil,
den die Dynastie der Seleukiden an der kolonisatorischen
Tätigkeit hat. „Es ist die größte . . . planmäßig entworfene
und verwirklichte Kolonisation, die die Weltgeschichte
kennt", wie es einmal wohl überspitzt heißt.
Daß dann bei dieser Darstellung auf der politischen
Geschichte der hellenistischen Kolonien der Akzent liegt,
■st bei Eduard Meyer verständlich; und hier bietet sich
eine Fülle des Belehrenden und Aufschlußreichen.

Aber mit dieser deutlichen Zielsetzung und Abgrenzung
ist nun doch etwas anderes gegeben als ein
Uberblick über die Blüte und den Niedergang des Hellenismus
in Asien. Diesem ungleich größeren, in der
Weite seiner kulturgeschichtlichen Beziehungen kaum
übersehbaren Thema dienen wohl — das ist nicht zu verkennen
— manche feinen Bemerkungen; aber viele von
ihnen, die die Probleme von Hellenisierung und Orien-
talisierung, wenn man es einmal so kurz formulieren
darf, klären sollen, sind zu allgemein, wie etwa die über
die „Passivität des Orients" und die dann dennoch erfolgende
„Reaktion" gegenüber allen Kolonisierungs-
versuchen des Hellenentumes, oder zu vereinzelt. Aber
wenn man vielleicht von einem Vortrag nicht erwarten
darf, daß es dieses vielleicht größte Problem der antiken
Geschichte in der Fülle seiner Verwickelungen umreiße
oder in den Linien seiner Entwicklung, bei streng festgehaltener
geographischer Abgrenzung, kennzeichne, so
bleiben doch auch auf dem wichtigen Teilgebiete der
politischen Geschichte der hellenistischen Kolonien
manche Wünsche offen. So führt wohl kaum von
Alexander zu den Seleukiden ein lückenloser Zusammenhang
gleich gerichteter politisch-kolonisatorischer
Ideen, wie es hei Ed. Meyer erscheint. Denn die Politik
der Diadochen, befremdet von dem großen Versuche
Alexanders, Griechen und Perser als gleichberechtigte
Glieder in einem und demselben Staatswesen zu verbinden
, wie ihn etwa die Hochzeitsfeier zu Susa im
Jahre 324 in einer großen Gebärde darstellt, kehrt deutlich
zu der nüchterneren und engeren Haltung Philipps
zurück, für welche der Grieche allein als der glückliche
Eroberer auch der selbstverständliche und zwar durch
Kolonistenstädte sich befestigende Herrscher ist. Hier
ist ein Bruch in der Politik, und er führt an seinem Teile
zu dem Konflikt zwischen Hellenismus und Orient, den
Alexander wie ähnlich später Caesar in politischem
Weitblick zu vermeiden gesucht hatte, und aus dem in
der Tat der .Niedergang des Hellenismus in Asien"
herauswächst.

Ist man hier und an anderen Stellen gezwungen,
die geschichtlichen Linien anders zu ziehen, als Eduard
Meyer sie gezogen hat, so ist doch solch ein Anders-
Sehen angeregt durch die reiche Fülle des Stoffes und
die besondere Art seiner freilich kaum immer ganz begründeten
Durchdringung, wie sie jede Seite dieser Arbeit
zeigt. So bleiben, wenn auch in einem etwas gewandelten
Sinne, Pflicht und Maß der Dankbarkeit die
gleichen.

Breslau. Ernst L o h ni e y e r.

Kirsch, Prof. Dr. Joh. Peter: Der stadtrömische christliche
Festkalender im Altertum. Textkritische Untersuchungen zu
den römischen „Deposifiones" und dem Martyrologium Hieronv-
mianum. Münster i. W.: Aschendorff 1924. (XII, 256 S.) gr. 8°.
Liturgicgcschichtliche Quellen, Heft 7/8. Rm. 8.50.

Seit der wissenschaftlichen Herausgabe des Marty-
rologium Hieronymianum durch de Rossi und Duchesne
war die Aussonderung des römischen Kalenders aus dem
großen Sammelwerk, dessen Hauptbestandteil er bildet,
die nächstliegende und lohnendste Aufgabe. Im Unterschied
von Urbain, der 1901 als erster die Arbeit in
Angriff nahm (Texte und Untersuchungen, N. F. VI,
3; 1901), stellt Kirsch die Textkritik in den Mittelpunkt
seiner Untersuchung. Er geht dabei aus von dem gallischen
Archetypus des Hier., der nach Duchesne und
Krusch unsern sämtlichen Handschriften zugrunde liegt
und kurz vor oder etwas nach 600 entstanden ist. Der
Archetyp führt weiter zurück auf eine Vorlage aus Oberitalien
, wo die erste Zusammenstellung des Hier, um die
Mitte des 5. Jahrhunderts erfolgt war. Gelingt es, die
römischen Notizen des Hier, in der Gestalt wiederherzustellen
, die sie in der oberitalischen Urform des
großen Martyrologs besaßen, so wäre damit der römische
Kalender des beginnenden 5. Jahrhunderts
wiedergewonnen. Unter dem ältesten hagiographischen
Material Roms, das zur Beurteilung des Hier, heran-