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Ausgabe:

1925

Spalte:

464

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Kunst des Alten Orients 1925

Rezensent:

Ranke, Hermann

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 20.

464

behauptet er z. B. (I, CXLIX), Albert habe „zu den
zwischen der Philosophie und der Theologie strittigen
Fragen, weil er kein Systematiker war, noch keine
bestimmte Stellung zu nehmen vermoch t"
und im Anschluß daran, Thomas v. Aquin sei es vorbehalten
geblieben, den „Führer" „seinem System einzufügen
". Ein andermal (I, CLI) erklärt er von Dnns
Scotus, daß er „im Gegensatze zu Thomas von
Aquin die theologische Forschung höherstellte als die
philosophische".

Besondere Beachtung verdient die Abhängigkeit
Spinozas von Maimonides, auf die in letzter Zeit
Leon Roth in seinem Buch „Descartes, Spinoza and
Maimonides", Oxford 1924, aufmerksam gemacht hat. —
Spinoza verhehlt nicht, daß er schon seit seiner Jugend
Maimonides kennt (tract. theol. pol. 15); er führt ihn
mehrfach namentlich an, setzt sich mit ihm auseinander,
polemisiert äußerst scharf gegen ihn und bezeichnet
seine Ansicht einmal als „schädlich, unnütz und widersinnig
" (tr. theol. pol. 7). Trotzdem bilden die Gedanken
Maimunis eine wichtige Grundlage für die Philosophie
Spinozas.

L. Roth zeigt (p. 135 ff.), welche Bedeutung die
Lehre Maimonides, daß das sinnliche Vorstellungsvermögen
der imaginatio das Haupthindernis wahrer Erkenntnis
bilde und die Wahrheit nur durch Abkehr von
ihr zu erreichen sei, für das Denken Spinozas gewann.
Ebenso wie Maimonides, so erblickt auch Spinoza in der
imaginatio die Quelle des Irrtums. Weil sich der
Mensch von ihr leiten ließ, kam er zu den falschen
Ideen der Gattungsbegriffe (Eth. II, 40), des Zwecks
(Eth. I, App.) und der Willensfreiheit (Eth. II, 48).
Schon Maimonides erblickte in der Meinung, daß alles
um des Menschen willen gemacht sei, einen fundamentalen
Irrtum der Menschheit (Führer III, c. 13).

Ebenso wie M. leugnet auch Sp. die absolute Gültigkeit
der moralischen Werte (Eth. IV, praef. und 64),
sucht ein höchstes Gut und findet es in der Erkenntnis
Gottes. Und wenn Sp. die Unsterblichkeit von dieser
Erkenntnis Gottes und diese wiederum von der Befreiung
aus den Fesseln der imaginatio abhängig macht, so
folgt er auch hierin durchweg Maimonides.

Selbst zu der geometrischen Methode Spinozas
finde ich in derjenigen Maimunis in dem Abschnitt über
die Gottesbeweise am Anfang des IL Buchs eine gewisse
Parallele.

Trotzdem beobachten wir nirgends eine sklavische
Abhängigkeit des Späteren von dem Früheren. Daß
beide teilweise zu denselben Resultaten kommen, erklärt
sich aus der Gleichheit ihrer Prämissen. Im übrigen
aber erscheint Spinoza stets als der, der in kühner und
freier Weise auf der Grundlage seines Vorgängers
weiterbaut. L. Roth zeigt dies (p. 116 ff.) z. B. an der
Attributenlehre: M. hatte dargelegt, daß kein Attribut
sich vom Menschen auf Gott übertragen lasse. Sp.
sucht nach einem göttlichen Attribut, das nicht nach
Analogie der menschlichen gebildet ist, und findet es in
dem Attribut der unteilbaren Ausdehnung, auf das der
Einwand von Maimonides (II, Introd. prop. 7) nicht
zutrifft.

Was die nicht zu unterschätzende Verschiedenheit
beider Systeme betrifft, so weise ich nur auf die
verschiedene Stellung beider Denker zum Problem der
Transzendenz bezw. Immanenz Gottes und zu dem der
Willensfreiheit des Menschen hin.

Eine „fast wörtliche" Abhängigkeit Sp.'s von M.
findet A. Weiss (I, CLIII, Anm. 1) in den parallelen
Ausführungen zum Begriff H-H (Maim. I, c. 40 u.
Spin., tr. theol. pol. 1) und in denjenigen über die göttliche
Anrede Samuels (Maim. II, c. 44 u. Spin., tr. theol.
pol. 1). Wer jedoch die betr. Stellen miteinander vergleicht
, der findet, daß sie sich ganz wesentlich von
einander unterscheiden!

Wenn ein andermal Spinoza (Eth. I, App.) eine
Stelle wörtlich von Maimonides übernimmt (vgl. Roth,

p. 136), so ist mit den betr. Worten („Deum omnia
propter hominem fecisse, hominem autem ut ipsum
coleret") lediglich eine Erfahrung ausgedrückt, die Spinoza
ebensogut wie Maimonides täglich machen konnte.
Gerade in diesem selben Abschnitt wendet sich Sp.
andererseits gegen die auch von M. angewandte Methode
(II, 133 ff.), in der kausalen Erklärung eines
Phänomens auf den Willen Gottes zu rekurrieren. Nach
Spinoza bedeutet dies: zum „asylum ignorantiae" seine
Zuflucht nehmen. —

Mag man sich im Einzelnen über den Einfluß, der
von Maimunis „Führer" auf die Nachwelt ausging,
streiten, jedenfalls gehört er zu den bedeutendsten Werken
der philosophischen Literatur des Mittelalters.
Rinderfeld bei Mcrgcntheim (Württ.). Walter Betzendörfer.

Schäfer, Heinrich, und Walter A n d r a e : Die Kunst des Alten

Orients. Berlin: Propyläen-Verlag 1025. (6S6 S. m. Abb., 35
z. T. färb. Taf. u, 3 eingedr. Ktn.) 4". =i Die Propyläen-Kunst
geschichte, Bd. 2. Rm 40—; Hlw. 47—; Hldr. 50—.

Es ist schwer, von diesem Buche nicht in Superlativen
zu sprechen. Auf mehr als 400, zum Teil farbig
i getönten, Autographieblättern und 35, meist buntfarbi-
j gen, Tafeln zieht in erlesenen Musterbeispielen die
Kunst von 4 Jahrtausenden an uns vorüber, viele der
j einzelnen Bilder ein ganzes Blatt, eine ganze Tafel
füllend. Zunächst 30Ö Blätter und Tafeln mit den
| Werken ägyptischer Kunst, von vorgeschichtlichen An-
j fangen bis zum Beginn unserer Zeitrechnung und von
den ungeheuren Pyramiden und Tempel-Säulenhallen
bis zu dem zierlichsten Gerät und Schmuckstück. Das
letzte Viertel bringt dann Werke der vorderasiatischen
j Kunst: Babyloniens, Assyriens und Elams, der Hethiter
und der Ararnäer. Eine Quelle des Genusses für das
j Schönheit suchende Auge, die nur immer reicher strömt,
| je länger und tiefer man aus ihr schöpft.

Schäfer gibt auf 120 Seiten eine Einleitung, die
zugleich als die erste allen heutigen Ansprüchen genügende
ägyptische Kunstgeschichte gelten darf — das
reife Werk eines Meisters, der wie kein Anderer berufen
! ist, hier als Führer zu dienen. Eine kurz gefaßte Geschichte
der Kunst Vorderasiens von W. Andrae schließt
sich an, auch sie vorzüglich geschrieben und über' alles
Wesentliche zuverlässig unterrichtend. Aber es nützt
nichts, über dieses Buch zu sprechen. Man muß es
in die Hand nehmen, muß selbst in Bild und Wort sich
vertiefen. Die Ausstattung ist über alles Lob erhaben,
der Preis bei der Schönheit und Fülle des Gebotenen
eher niedrig zu nennen. Wer ein Herz für altorientalische
Kunst hat, tut gut, wenn er schon jetzt mit dem
Zurücklegen heginnt — ein schöneres Weihnachts-
. geschenk läßt sich für ihn nicht denken.

Heidelberg. h. Ranke

Dal man, Prof. D. Dr. Gustaf: Orte und Wege Jesu. Mit

52 Abb. u. Plänen. 3., erw. u. verb. Aufl. Gütersloh: C. Bertelsmann
1024. (VIII, 427 S.) gr. 8°. = Beiträge z. Förderung christl.
Theologie. 2. Reihe, 1. Bd. Schriften d. Deutschen Palästina-
Instituts, 1. Bd. Rm. 12.50; geb. 15—.

Die ersten beiden Auflagen des Buches sind von
j Guthe in dieser Zeitung 1922, 317 ff. besprochen worden
. Der Charakter des wertvollen Werkes ist der
i gleiche geblieben; so muß auch diese Anzeige mit dem
Ausdruck der Freude beginnen über den Reichtum an
Material, der dem Leser geboten wird. Freilich liegt
der Wert des Ganzen im Stoff und nicht in neuen Resultaten
für die Geschichte Jesu. Denn die bekannten
landes- oder sprachknndlichen Probleme des Lebens
Jesu finden keine Erledigung, wenigstens keine solche,
die die Schwierigkeiten aus der Welt schaffte. Weder
das (sprachliche) Nazareth-Problem noch die Frage
nach der Lage von Golgotha oder die andere nach dem
Alter der Synagoge von Kapernaum finden eine endgültige
Lösung. Aber sie werden besonnen diskutiert,
und es wird die Richtung eventueller neuer Forschungen
aufgezeigt; z.B. wird für Kapernaum, wo es sich jetzt
nicht mehr allein um die bekannte Synagoge, sondern