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Ausgabe:

1925 Nr. 19

Spalte:

443-444

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf von

Titel/Untertitel:

Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. 4., neu durchgearb. Aufl 1925

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 19.

444

vollkommen vertraut ist; denn nur als unwillkürliche
Reminiszenzen aus häufiger Lektüre lassen sich diese
Worte innerhalb der Rede einigermaßen verstehen.
Berlin. A. V. Harnack.

Harnack, Adolf von: Die Mission und Ausbreitung des
Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. 4., neu

dutchgearb. Aufl. Mit II Karten. 0. U. 10. Tausend. I. Bd.: Die
Mission in Wort und Tat. II. Bd.: Die Verbreitung. Leipzig:
J. C. Hinrichs 1924. (XI, 1000 S.) gr. 8°. Rm. 24.00; geb. 28.20.

Als ich vor neun Jahren die dritte Auflage dieses
Werkes in dieser Zeitschrift anzeigte, wünschte ich dem
verehrten Verf. daß er noch manches Jahr an dem
Lebenswerk der Erforschung der ersten christlichen
Jahrhunderte teilnehmen könne. Dieser Wunsch hat sich
erfüllt, und wir finden in dieser Neuauflage die Nacharbeit
eines weiteren Jahrzehnts. Es ist kein Wunder,
daß die Forschung in den letzten 10 Jahren entfernt
nicht so viel Neues gebracht hat als in dem vorigen
Jahrzehnt. Trotzdem ist der Umfang des Werks um
neue 8 Bogen gewachsen, vor allem durch die Aufnahme
von Exkursen zur Frage der Gemeindebildung und
Verfassung in Rom, die inzwischen in den Sitzungsberichten
der Preußischen Akademie erschienen waren.
Auch der Abschnitt über die Verbreitung des
Christentums im fernsten Osten ist neu gearbeitet. Im
Ganzen aber hat das Buch seinen Charakter nicht geändert
. Zahlreiche Einzelveränderungen und Zusätze besonders
in den Anmerkungen berichten über neuere
Literatur oder setzen sich in aller Kürze mit neu hervorgetretenen
Anschauungen auseinander. Verf. nimmt es
auch trotz der Fülle des Einzelmaterials mit Recht für
sich in Anspruch, daß er die großen Hauptzüge der
Geschichte im Auge behält, um das Interesse für die
Kirche zu stärken, anstatt sich im Kleinkram zu verlieren.
Dagegen wird man den im Vorwort erhobenen Anspruch
, daß das Werk so gut wie keine Hypothesen
enthalte, sondern Tatsachen zusammenstelle, wesentlich
auf den zweiten Teil, die Verbreitungsgeschichte anwenden
. In den ersten Büchern gibt es, wie schon die
Kapitelüberschriften andeuten, umstrittenes Gebiet genug
, und die Art der Darstellung auch des Tatsächlichen
hat etwas von subjektiver Eigenart. Sein Urteil hat
der Verf. in den Hauptfragen nicht geändert, auch nicht
in dem vielumstrittenen Abschnitt „Jesus Christus, die
Aussendung der Jünger und die Weltmission". — Hier
könnte meine Berichterstattung abbrechen. Ich glaube
aber denen, welche die dritte Auflage besitzen, wenigstens
die Hauptstellen notieren zu sollen, an denen sich
jetzt Neues findet. Auf kleine Zusätze, Literaturvermerke
und Ergänzungen in den Anmerkungen, die sich in allen
Abschnitten finden, verzichte ich dabei. Nur inhaltlich
Bedeutsames sei notiert. Die Zählung der Seiten (jetzt
1000 gegen früher 483 + 387) läuft jetzt weiter durch
das ganze Werk. Auch die Register sind gemeinsam.
Das Papier ist wesentlich schlechter, der Druck der
fremdsprachigen Zitate in den Anmerkungen besser und
deutlicher.

Die wesentlichen Änderungen und Zusätze sind
folgende (bezeichnet nach der neuen Seitenzahl):

Zum ersten Buch: S. 1. Einleitungsgedanken geändert:
„welche Religion ist fähig, die Religion der Bürger des Weltstaats,
der selbst in einer Transformation begriffen war, zu werden". S. 91
Anm. 1. Marcion begründet die Kanonizität von Evangelienbüchern.
— S. 106. Größere Anmerkung betr. Spannung zwischen Hebräern
und Hellenisten in Rücksicht auf die Arbeiten von Schütz, Bultmann,
Bousset und Holl („Kirchenbegriff" des Paulus). — S. 107 ein neues
siebentes Kapitel: „Die Anfänge der Mission sie gen de"
mit einem Exkurs über Eusebius h. c. III, 1. (nach Harnacks Abhandlung
in T.U. Bd. 42, Heft 3.)

Zweites Buch: S. 111—112. In die Einleitung sind eingefügt
die Sätze und Gegensätze zur Charakteristik der christl. Religion im
2. Jahrhundert aus Harnacks Marcion 1921 S. 95 f. — S. 117 Anm.
gegen die Übertreibung der Betonung des „Christuskultus". Erinnerung
an den Glaubenssatz: &eos narijQ navxoy.QUTcio, der freilich
sehr oft mit Christus selbst identifiziert vurde. — S. 124 Anm. betr.
„Abendmahl" als ein der Doktrin fernliegendes Stück. — S. 162

Anm. Dämonen damals — Bakterien heute. — S. 238 „Demut und
Sanftmut" nach H.'s Beitrag in der Festschrift für Kaftan. — S. 249.
Eine sehr beachtenswerte Anmerkung betr. die neuere Mysterienforschung
(Rcitzenstein, Wetter u. A.) Sie unterschätzen das
G e i s t i g - Symbolische, vernachlässigen das Spätjudentum, verwandeln
vorschnell Parallelen in Kausalverhältnisse, erklären sehr altes durch
sehr viel spätere Zeugnisse. H. stellt die ältesten übernommenen ter-
mini der Mysteriensprache zusammen. — S. 251 Anm. betr. Namenzauber
. — S. 300 ein längeres Zitat aus der ägyptischen Kirchenordnung
. Diese wird durchweg, bzw. als K. O. Hippolyts von
Harnack zitiert. Darnach hat H. den Nachweis von Connolly, den
dieser in näherer Ausführung meiner Untersuchung in den Sitzungsberichten
der Akademie und der von Ed. Schwartz für Hippolyt'« Autorschaft
führte, anerkannt. Eine baldige sachliche Untersuchung des wichtigen
Dokuments steht seitens einer meiner Schüler in Aussicht. —
S. 330/331. Über sittliche Verwahrlosung auch bei Christen im Ende
des 3. Jahrhunderts. Seecks Darstellung der Geschichte des alten
Christentums wird als „unter aller Kritik" bezeichnet.

Drittes Buch: S. 346 Anm. Robinsons Versuch, die Didache
voll in das dritte Jahrhundert zu verweisen, wird zurückgewiesen.

— S. 396 Anm. über sohlechten Kirchenbesuch nach Origenes. —
S. 485 Anm. am Schluß des Abschnittes über Gemeindebildung und
Bistum in der Zeit von Pius bis Konstantin weist H. Karl Müllers
Untersuchung der Duchesneschen Auffassung mit wenigen Worten
zurück. — S. 489—500 ein neuer Exkurs IV ius ccclesiasticum,
eine Untersuchung über die Entstehung des Begriffs

— eine neue Bearbeitung der Abhandlung in den Sitzungsberichten der
Akademie von 1903 — sie wird auch den Juristen sehr wertvoll sein.
Die nur sehr allmähliche Vorbereitung und Entwicklung dieses später
so wichtigen Begriffs "ist ausgezeichnet dargestellt.

Zweiter Band.

Viertes Buch. S. 529. Nordens Bedenken gegen das Josephus-
zeugnis (Antiqu. XVIII, 3, 3) stark gewertet, haben aber H. von der
Unechtheit nicht überzeugt. — S. 552 ff. zur Tabelle der Hauptdaten
der Missionsgeschichte kann H. Ed. Meyers, Ursprung und Anfänge
des Christentums 3. Bd. nur noch erwähnen, hat aber gegen Meyers
Chronologie starke Bedenken. — S. 596 Anm. 3. Über die Wittwen,
neue Stellen aus Apost. K. O. c. 21 und Hippolyt, K. O. c. 7. —
S. 683—689 genaue Inhaltsangabc der von Sachau
herausgegebenen Chronik von A r b e 11a als wichtigste
Urkunde für die älteste orientalische Mission
s ge s c h L c h t e. — S. 689—698 ist der ganze Abschnitt über
das linke Tigrisufer, Mesopotamien, Lusiana, Parthien und die Persis
neu bearbeitet. — S. 732 ff. im Abschnitt über Klcinasicn ist die
neuere Literatur nachgetragen — es fehlt aber das bedeutsame Buch
von V. Schultze, Altchristl. Städte und Landschaften. Gütersloh 1922,
dessen II. Band jetzt erscheinen wird. — Dem Abschnitt über Rom
und Italien sind mehrere sehr inhaltreiche Exkurse beigefügt: S.
817—832 Exc. I über die Herkunft der 48 ersten Päpste,
nach Sitzungsbericht der Ak. 1904.— S. 832—836 Exc. II die
Presbyter- und Diakonenorganisationen der römischen Bischöfe nach
dem Liber pontificalis und die Zahl der Presbyter In Rom (vgl.
Sitzungsbericht von 1897). — S. 836—866 Exc. III Zur Geschichte
der Anfänge der inneren Organisation der stadtrömischen
Kirche (revidierter Abdruck nach dem Sitzungsbericht
von 1918). — S. 866—868. Exc. IV. Die bischöflichen Ordinationen
per diversa loca der römischen Bischöfe nach dem Papstbuch
und die Zahl der bischöflichen Diözesen in Italien. — Besonders
Exeu rs III sei den Fachgelehrten zur Kenntnisnahme
empfohlen; er gewährt einen sehr guten Einblick in die Entwicklung
der vier Christengemeinden in der Stadt Rom und bestätigt die
alte Harnack-Thcse von der bischöflich-diakonalen und der pres-
byterialen Organisation. — S. 942 Anm. gegen Reitzenstcins Überschätzung
der ägyptischen und der persischen Religion. Die Zusammenfassung
der Ergebnisse ist unverändert geblieben. — Unter den
„Nachträgen" ist hervorzuheben, daß H. den Umstand erklärt, warum
es an Elementar- und Mittelschulen gefehlt habe.

Möge auch der neuen Auflage des hervorragenden

Werks derselbe Erfolg beschieden sein, wie den drei
ersten.

Grcifswald. Ed. von der Goltz.

Müller, Prof. D. Karl: Kirchengeschichte. (In 2 Bdn.) I. Bd.
2., völlig neubearb. Aufl. 8—10. Tausend. 1. Lfg. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1924. (XII, 316 S.) gr. 8°. = Grundriß d. Theolog.
Wissenschaften, 2. Abt. Rm. 7—.

Karl Müllers Kirchengeschichte tritt uns nach 32
Jahren und nach 4 unveränderten Neudrucken in einer
umfassenden und neugestaltenden Bearbeitung entgegen.
Es sind in der Tat „kaum ein paar kleine Sätze oder
Satzteile stehen geblieben". Welche ungeheure Arbeitsfülle
das auch für einen beschränkten Zeitraum — die