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Ausgabe:

1925 Nr. 18

Spalte:

429-430

Autor/Hrsg.:

Mahling, Friedrich

Titel/Untertitel:

Soziale Gesichtspunkte im Religionsunterricht und in der religiösen Unterweisung, zugl. e. Einf. in d. soziale Gedankenwelt d. Neuen u. Alten Testaments. 2. Aufl 1925

Rezensent:

Schian, Martin

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429

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 18.

430

faktoren, Erziehungsformen und -mittel, sowie der
Unterricht werden mit viel Zitaten und Literaturangaben
abgehandelt. Nur leise tritt der katholische Charakter
dabei zu Tage.

Ein treffliches Mittelding zwischen diesen beiden
Werken bildet das Buch von' Kesseler. Die Pädagogik
hat es als eine Kulturwissenschaft nicht mit Gesetzen,
sondern mit Ideen zu tun; ihr wissenschaftlicher Charakter
besteht darin, daß sie die Wissenschaft von der
Verwirklichung der Ideen im Leben ist, also ein Drittes
zwischen Wert- und Seinswissenschaft darstellt. Von
der Philosophie läßt sie sich die Werte als Ziele der
Bildung darreichen, von der Wissenschaft der Wirklichkeit
entnimmt sie den Rahmen für ihre Arbeit: dazu
gehört die geschichtlich gewordene Kultur, die für uns
Deutsche in dem Idealismus gegeben ist, und die
Psychologie, besonders die des Jugendalters. Auf diesem
Grund baut K. sein System auf. Er beginnt mit den
Prinzipien teleologischer Art; Bildung ist die Übermittlung
einer neuen, rein geistigen Welt, die eine rein
menschliche Kultur anzubahnen hat; ihr schließt sich
erst an, was von andern Zielen ins Auge gefaßt werden
muß: das nationale, das intellektuelle, das sittliche, das
künstlerische und das religiöse. Ein Abschnitt über
methodische Prinzipien sammelt alles, was an Bildungsmitteln
zur Verfügung steht, wie Freiheit der Persönlichkeit
, Gemeinschaft, Anschauung, Übung. Dann' wird
die Organisation des Bildungswesens besprochen, von
dem Haus, der Grundschule an bis zur Universität;
immer schlägt wieder der Grundgedanke der Werterkenntnis
durch. Eingehend wird von der Studieu-
anstalt, der sog. höheren Schule, gesprochen. In diesem
Zusammenhang fällt das Wort von der religionslosen
Schule als einer Kulturbarbarei. Mit großem Ernst
wird auch von der akademischen Bildung gehandelt,
deren Wesen die zweckfreie Forschung bleiben muß.
Nach sehr interessanten Ausführungen über Lebens-
erziehung, Volkshochschule, Jugendbewegung und Kirche
als Volkserzieherin, in denen sich immer umfassende
Gesichtspunkte meist philosophischer Art mit praktischen
Gedanken verbinden, steigt die Darstellung zu
dem Gipfel der ganzen Erziehungsarbeit auf, der in
einer umfassenden Neuordnung des ganzen Bildungs-
wesens als einer Funktion der Volksgemeinschaft unter
der Aufsicht des Staates erhofft wird.

Marburg a. L. F. Nicbcrgall.

Mahling, Prof. D. Friedrich: Soziale Gesichtspunkte im
Religionsunterricht und in der religiösen Unterweisung,

zugl. e. Einf. in d. soziale Gedankenwelt d. Neuen U. Alten Testaments
. 2. Aufl. TManuldr. 1923]. Langensalza: Ff. Beyer & Söhne
1925. (232 S.) 8°. = Abhdlgn. z. Pflege evang. Erziehung*- U.
Unterrichtsichre, H.4. = Friedrich Mann's päd. Magazin, 11.933.

Rm. 3.60.

Rehm, Albert: Zum Kampf um das Reichsschulgesetz. Ebd.
1925. (20 S.) 8°. = Abhdlgn. z. Pflege evang. Erziehungs- U.
Unterrichtsichre, H. 17 = Friedrich Mann's päd. Magazin, FI.1031.

Rm. —45

Mahling stellt zuerst Gerechtigkeit, Ehrfurcht und
Liebe als drei soziale Grundfaktoren im R. U. heraus.
Nachher geht er den gesamten biblischen Stoff sowie den
Kleinen Katechismus Luthers mit der Frage durch, wie
daraus soziale Gedanken grundlegender Art für eine
richtige Grundeinstellung der Kinder zu den sozialen
Fragen und Aufgaben gewonnen werden können.
Er beginnt mit Jesus, geht weiter zum übrigen N. T.
und bespricht zuletzt den Katechismus. Den weitaus
größten Teil beansprucht die Besprechung der einzelnen
biblischen Abschnitte, die manchmal recht ausführlich
ist und dem Lehrer für die besondere Unterrichtsstunde
manchen ausgezeichneten Wink gibt. Bei Behandlung
der Lehre Jesu gruppiert M. nicht nach textlichen
, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten; § 11
bespricht „die Rechtsordnung der Gesellschaft und die
Kulturordnung des Staates", § 12 „die Durchdringung
des geistigen Lebens der Menschheit mit den Gedanken
und Kräften Jesu". Dem Katechismus sind nur 15,

allerding sehr inhaltreiche Seiten gewidmet. Auf 3 S.
folgt zum Schluß eine Zusammenfassung in Thesenform
. M.s Standpunkt zu Problemen wie Christentum
und soziale Frage, Christentum und Kultur usw.
kommt zwar nirgends systematisch zum Ausdruck, wird
aber doch deutlich. These 19: „Jesus hat es als eine
selbstverständliche Pflicht seiner Jünger angesehen, daß
sie auch dein Kulturleben ihre Mitarbeit schenken und
sich mit ihren Mitteln und Kräften so an demselben beteiligen
, daß es bestehen kann." Natürlich kann in
diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit anderen
Anschauungen nicht stattfinden.

Rellin bietet einen bereits 1922 gehaltenen, aber (da das
; Reichsschulgesetz immer noch der Zukunft angehört) auch jetzt aktuellen
Vortrag, der in klaren Darlegungen die Bekenntnisschule fordert
und den Reichsschulgesetzentwurf kurz kritisiert.

Breslau. M. S c Ii i a n.

Bernstein, Paul: Lateinische Kirchenlieder aus dem Schatze
vieler Völker und Zeiten. Verdeutscht mit teilweiser Benutzung
der Karl Simrockschen Übertragung (Lauda Sion). Dem deutschen
Volke und seinen Theologen gewidmet zum 400jährigen Jubelfeste
des deutsch-evatlgelischen Oesangbuches im Sinne der Einen
christlichen Kirche. Halle a. S.: Buchh. d. Waisenhauses 1924. (40
S ) gr. 8°. Rm. 1-.

Das Buch enthält, nach dem Kirchenjahr geordnet, 20 lateinische
christliche Lieder in deutschen Reimen, dazu einen Anhang mit
weiteren 4, aus der Todesstimmung heraus entstandenen lateinischen
Dichtungen, gleichfalls deutsch und gereimt. Die Verfasser der
Lieder reichen von St. Hilarius von Poitiers f 366 bis zu Maria
Stuart f 1587. Ein „Nachwort" unterrichtet über Anlaß und Sinn
der Sammlung. Sie ist eine Gabe an die gesamte deutsche Christenheit
, vornehmlich die evangelische, dieser als Jubiläumsgabe zugedacht
zur Vierhundertjahrfeier des evangelischen Gesangbuches. Ihre Absieht
ist, „die köstlichsten Gaben der altchristliclien und der katholischen
Kirche aufs neue und im erweiterten Maße in unsre Muttersprache
zu übertragen, wie dies mit unbefangener, heiliger Freude
die Evangelischen zu allen Zeiten getan haben, diese Lieder aus dem
Gewahrsam des Gelehrtenverständnisses dem deutschen christlichen
Volke überhaupt zu schenken, nicht peinlich wörtlich, sondern sinngemäß
und biblisch, in möglichst gleicher mitfühlender freudiger
oder trauernder Empfindung, durch den heiligen Gegenstand scllisl
erhoben. Dem einfachen Christen wie dem Theologen sollte dadurch
Genüge getan werden, in den Spuren des größten Übersetzers, der
unsre neuhochdeutsche Sprache geschaffen" (36).

Paul Bernstein erweist sich in dieser Sammlung von ihm
„mit teilweiser Benutzung der Karl Simrockschen Übertragung" übersetzter
Lieder nicht bloß selbst als sprachgewaltiger kongenialer
Übersetzer, sondern auch — in den gelegentlich beigefügten Versen —
als eigener Dichter von packender schöpferischer Kraft. So verdient
das kleine überzeitliche und überkonfessionelle Gesangbuch volle
Anerkennung und weiteste Verbreitung.

Der Wucht des Inhalts und dem hohen feierlichen Stil seiner
dichterischen Form entspricht in der Buchgestaltung jedoch nur der
kräftige Drucksatz., dagegen keineswegs der einigermaßen flaue Einband
. Es ist zu wünschen, daß die Sammlung recht bald die ihr gebührende
neue und erweiterte Ausgabe erfährt und daß dann diese
auch im Äußeren nachholt, was der ersten Ausgabe, die ohnehin
wohl mehr als Versuch und Probe gedacht ist, noch fehlt.

Berlin. Georg S t u Ii 1 f a u t Ii.

Oßwald, Cajetan : Matthäus Schiestl. 3., vermehrte Aufl. München:
Gesellschaft für christliche Kunst 1924. (12S S. mit 119 Bildern.)
gr. 8°. Rm. 10-.

Ein wundervolles Buch! Eins der köstlichsten, die ich kenne!
Dieses Lob steht ihm zu um seiner seihst willen; es gebührt ihm aber
vor allem um des schlicht-genialen Künstlers willen, den es darstellt
und dessen Leben und malerisches Schaffen — sein Leben ist sein
Schaffen — es selbstlos dienend uns vermittelt.

Kunst läßt sich umschreiben; beschreiben, so daß sie greifbar
lebendig würde, läßt sie sich nicht. Nur das Schauen gilt gegenüber
der Kunst. Wer aber Matthäus Schiestl's Kunst in dem mit der
Fülle seiner Bilder, darunter 13 prächtigen farbigen Reproduktionen
geschmückten Buche Oßwalds schaut, dem ist, als träte ein Paradies
voll holdseligstem, glücklichstem Entzücken vor sein Auge.
Farbenzauber und Märchensinn, kindliche Frömmigkeit und keusche
Naturinnigkeit, erhabenste Intuition und ursprünglichste Lyrik sind die
Grundelementc und die tragenden Kräfte, Natur und Legende die vorzüglichsten
Stoffgebiete in Schiestl's einzigartigem Schaffen. Weihnachtlich
, sagt Oßwald (88), ist Schiestl's ganze Kunst. Aber auch
der ernste Ton des Todes ist ihr nicht fremd. Und der Gemütstiefe,
die aus allen seinen Werken spricht, kommt die Liebe gleich, mit der