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Ausgabe:

1925 Nr. 17

Spalte:

395-396

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

Predigten, auf Grund von Nachschriften Georg Rörers und Anton Lauterbachs bearb. Georg Buchwald. Bd. 1: Vom 11. Oktober 1528 bis zum 3. April 1530 1925

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Seite 1

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395 Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 17. 396

behaupten, anderen Sinnes geworden ist; denn ich vermag
aus seiner Arbeit nicbt zu ersehen, welche Entdeckung
ihn umgestimmt hat. Ich kann nur vermuten,
daß 1. Tim. 6, 11 ff. ihn auf die falsche Bahn gelockt
hat, auf der er, Quellenstelle für Quellenstelle, Besonnenheit
und Methode immer mehr eingebüßt hat.

Berlin. A. v. Harnack.

Knoll, Alexander: Handwerksgesellen und Lehrlinge im

Mittelalter. Berlin: Verlaßsges. d. Allgem. Dtschn. Gewerkschaftsblindes
1924. (144 S.) 8°. = Oewerkschaftl. Jugendbücherei,
1. Bd. Rm. 1—.

Die Darstellung des Verfassers ist gut und im allgemeinen
, von wenigen Verstiegenheiten im Ausdruck
abgesehen, kulturgeschichtlich richtig gesehen. Mit
großem Verständnis sind wertvolle Beispiele aus den
Quellen in die verschiedenen Abschnitte des Büchleins
eingefügt. Bedenklich ist die Einführung, die Peter
Grass mann, der 2. Vorsitzende des ADO., der „gewerkschaftlichen
Jugendbücherei" gibt. Auch diese
Jugendbücherei soll ein Erziehungsmittel zum
Kampfe sein! Auch scheint Gr. wie so viele mit
ihm in blindem Idealismus anzunehmen, daß die Bildungsnot
tatsächlich so groß und verbreitet ist. Viel
größer als der Bildungsbetrieb ist das Unterhaltungsbedürfnis
breitester Massen aller Volkskreise, auch der
Gewerkschaftsangehörigen. Dies Unterhaltungsbedürfnis
sollte man in erster Linie entwicklungsmäßig pflegen.
Weimar. Otto Lerche.

Luther, Martin: Predigten auf Grund von Nachschriften
Georg Rörers und Anton Lautersbachs, bearb. v. Georg
Btichwald. Bd. I: Vom 11. Okt. 1528 bis zum 3. April 1530.
Gütersloh: C. Bertelsmann 1025. (X, 671 S.) gr. 8°.

Rm. 10—; Lv. 12—.
Die Weimarer Ausgabe birgt in sich eine Fülle von
bis dahin ungekannten oder schlecht gekannten Predigten
Luthers. Dies Gut ist durch den Preis der W. A.
nur wenigen zugänglich, überdies in dem lateinischdeutschen
Mischtext der Nachschriften nur für einen
sehr energischen Durchdringungswillen wirklich zu genießen
. Buchwald bietet hier nun eine anscheinend auf
zwei Bände berechnete Bearbeitung ausgewählter Predigten
von 1528 ff. Er hat nur solche ausgewählt,
welche im alter Zeit nicht für den Druck bearbeitet sind,
welche also gar nicht, auch nicht in entstellter Gestalt,
bekannt sind; außerdem (mit einer Ausnahme in diesem
ersten Bande) nur solche, von denen mehrere Nachschriften
vorliegen.

Natürlich steht der von Buchwald gebotene Text
dem gesprochenen Worte Luthers ziemlich fern. Das
zeigt schon der Umfang. Es kommen auf die einzelne
Predigt durchschnittlich knapp sieben Seiten (manchmal
gar nur drei), — Luther hat viel mehr gesagt. Ferner
aber ist es, da die Rückübersetzung aus dem Lateinischen
Luthers ursprünglichen Ausdruck nicht treu treffen kann,
Deutsch unsrer Tage, in dem Buchwald ihn reden läßt.
Mit den von Luther selbst bearbeiteten Predigten hält
also das von Buchwald Gebotene den Vergleich nicht
aus. Vor den Bearbeitungen vieler Dritter des 16. Jahrhunderts
aber hat die seine einen großen Vorzug: es ist
nichts willkürlich zum Text der Nachschrift Hinzugefügtes
drin. Der Gedanke ist überall ganz Luthers,
und die gedrängtere Gestalt hat auch ihren Vorzug.
Jedenfalls ist der von Buchwald eingeschlagene Weg,
da wir die quellende Lebendigkeit der schöpferischen
Phantasie Luthers doch nicht aus Eigenem nachbilden
können, also jeder Versuch in dieser Richtung nur zur
populären Verbreiterung der in der Nachschrift ohnehin
enthaltenen Gedanken führte, der einzige methodisch
richtige.

Nicht immer bin ich mit Buchwalds Verdeutschung einverstanden.
In Predigt Nr. Ql («=W. A. XXXII 1 ff. Nr. 1) übersetzt er W. A.
XXXII 1, Zeile 9 significaret angedeutet, Zeile 14 liberaret befreite
Zeile 16 a puerili iuventute vom Kindesalter an. Das ist doch gar zu
papieren. — Nicht immer erweist sich die einseitige Vorliebe für

Rörers Nachschriften als glücklich; s> sind in der Predigt Nr. 91 in der
Nürnberger Nachschrift die schärfsten Stellen enthalten und durften
nicht übergangen werden. So ist es mir z. B. einfach unbegreiflich,
dal! Buchwald einen für diese Predigt, welche um der Undankbarkeit
der Wittenberger willen Einstellung der Predigttätigkeit ankündigt, so
charakteristischen Satz wie diesen „Ich wollte lieber den tollen
Hunden predigen [als eucji|" weggelassen hat. — Oft machen auch
Wortstellung und Satzverbindung den Eindruck großer Härte.

Doch wird gerade jemand, der wie ich schon an
ähnlichen Aufgaben im Stillen sich versucht hat, der Gebrechlichkeit
dessen, das man auch beim besten Willen
hier leisten kann, sich bewußt sein, und darum trotz
einzelner Bedenken Buchwald Dank wissen für seine
Arbeit, deren Mühe nur wenige in vollem Umfang zu
schätzen wissen werden. Es ist, besonders für Pfarrer,
ein neues Stück Luther erschlossen, und das ist die
Hauptsache.

Die Einleitung in den Band ist gut; die jeder Predigt
beigegebene Inhaltsangabe sehr bequem zur schnellen
Einsicht. Der Preis des Ganzen ist erstaunlich gering.
Göttiiigen. E. Hirsch

Bauer, Lic. Karl: Die Einstellung des reformierten Gottesdienstes
in der Reichsstadt Frankfurt a.M. im Jahre 1561. Ein

Beitrag zur Kirchen- und Doginengeschichtc des Protestantismus
im 16. Jahrhundert. Münster i. W.: E. Obertüschen 1925. (127 S.)
gr. 8°. Rm. 2.80.

Diese bereits 1919 vorgelegte Münsterschc Inauguraldissertation
ist nunmehr im Druck erschienen, leider
ohne Verwertung der vom Verfasser im Laufe dieser
6 Jahre gemachten Studien. Sie findet ihre Ergänzung
in der 1921 vom Verfasser veröffentlichten Schrift
über „die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M." (vgl.
meine Besprechung in der Theol. Litztg. vom 24. Sept.
1921), deren Haupttendenz hier freilich in keiner Weise
auch nur angedeutet ist, und in des Verfassers Aufsatz
über den „Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt
a. M. im Zeitalter der Reformation" im Archiv f. Ref.-
Gesch. XX. Außerdem stellt der Verf. das Erscheinen
einer Biographie des Valerien Poullain in Aussicht.

Die vorliegende Schrift ist eine fleißige, gründliche
und gelehrte Arbeit, mit mehr als 400 Anmerkungen
versehen. Sie behandelt die tragische Entwicklung des
Geschicks der wallonischen Flüchtlingsgemeinde in
Frankfurt a. M., und zwar 1. ihre Fürsprecher (S.
10—29), 2. ihre Gegner (30—44), 3. die Wortführer
der Fremden (45—61), 4. die Haltung des Rates (62
bis 76), 5. den letzten Kampf um die Entscheidung
(77—89), 6. die Bemühungen um Aufhebung des Verbots
(91—99). In dieser Ordnung wird zweckmäßig,
wenn auch nicht ganz ohne Wiederholung, der zugängliche
Stoff vollständig dargelegt, wobei eine Reihe von
Tatsachen und Urkunden neu verwertet werden. Die
ganze Angelegenheit zeigt in charakteristischer, aber
nicht erfreulicher Weise die mannigfachen Schwierigkeiten
, Unfertigkeiten und Verwicklungen um die Mitte
des 16. Jahrhunderts. Das Ergebnis dieser Forschung
läßt sich dahin zusammenfassen, daß nicht sowohl
einzelne Persönlichkeiten und Ereignisse als vielmehr die
gesamten Verhältnisse, wie sie sich um die Zeit des
Augsburger Religionsfriedens entwickelt hatten, für die
unsichere Lage und schließliche Ablehnung der Wallonen
entscheidend gewesen sind: nicht bloß die Streitigkeiten
in den Flüchtlingsgemeinden, das allmähliche Zurücktreten
ihrer Freunde und Gesinnungsgenossen in Rat
und Geistlichkeit, die Engherzigkeit der lutherischen
Prädikanten, sondern auch die Stellung der Zünfte, die
Vorsicht des Rats, die wachsende Zahl und der zunehmende
Einfluß der Fremden, die Verhandlungen und
Beschlüsse der Reichsstände und anderes mehr, vor
allem aber die Tatsache, daß in dem Augsburger Religionsfrieden
neben den katholischen nur die Augsburger
Konfessionsverwandten staatsrechtlich anerkannt wurden
, eine Tatsache, deren weittragende praktische Bedeutung
wir uns heutzutage kaum vorzustellen vermögen.
Jn dieser Hinsicht vermisse ich in der Schlußbetrachtung
den Hinweis auf die Bedeutung des Jahres 1648. Und