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Ausgabe:

1925 Nr. 16

Spalte:

369-370

Autor/Hrsg.:

Ungnad, Arthur

Titel/Untertitel:

Das Wesen des Ursemitischen. Eine sprachgeschichtlich-psychologische Untersuchung 1925

Rezensent:

Horst, Friedrich

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Seite 1

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369

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 16.

370 ■

griechisches Erbe aus ur-idg. Zeit sein und braucht vielleicht nicht
„aus dem Ursprungslande der Orphik" entlehnt zu sein.

Den Schluß jedes der inhaltreichen Bände bilden
„Bücherschau" und „Weltschau". Die 1. Hälfte des
VI. Bandes ist L. Scherman, dem Direktor des Münchener
Völkerkunde-Museums, als Festgabe zu seinem
60. Geburtstage gewidmet. Demzufolge wurde der Inhalt
so mannigfaltig und entfernte sich z. T. so stark
von den Interessen der Leser der Th. Ltzg., daß nicht
viel daraus hier angeführt werden konnte.

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke.

Bauer, Prof. Hans: Zur Frage der Sprachmischung im
Hebräischen. Eine Erw iderung. Halle a. S.: M. Niemeyer 1924.
(34 S.) gr. 8°. Rm. 1.80.

Ungnad, Arthur: Das Wesen des Ursemitischen. Eine sprach-
gcschichtlich-psychologische Untersuchung. Mit c. Anhang: Zur Entstehung
u. Geschichte der Zahlbegriffe. .Leipzig: E. Pfeiffer 1923.
(30 S.) 8°. Rm. 1.60.

I. Die von Bauer-Leander vorgetragene Theorie
vom" Mischsprachencharakter des Hebr. (Hist.
Gramm, d. hebr. Spr. d. A. T. I 15 ff.) war von G.
Bergsträsser in s. Art. „Mitteilungen zur hebr.
Gramm." in der Orient. Lit.Ztg. (XXVI, 1923, Sp.
253—260, 477—481) einer eingehenden Nachprüfung
unterzogen worden, auf Grund deren der Aufstellung
B.-L.'s die Berechtigung bestritten wurde. Die vorliegende
Schrift ist die Erwiderung B.'s darauf.

Der Rez. möchte in die geführte Auseinandersetzung
seinerseits nicht etwa eingreifen, wenn er sich
gestattet, einige Bedenken hier zu äußern. 1.) Es wird
gesagt (S. 5 u. w.) die Verdopplung in den Verben
yy und in gew. Nom. sei „von vornherein da". Aber
doch nicht die Verdoppelung ist ursprünglich, sondern
der kurze Vokal. Die Verdoppelung ist eine Folge der
Vokalkürze; sie soll in Fällen, die von Tondehnung frei
sind, den kurzen Vokal besser zum Ausdruck bringen
und ihn vor allem vor Vortondehnung schützen. Daher

auch Fälle wie E^EJ das doch keineswegs auf ur-

sprüngl. gamall zurückgeht. Beachtenswert ist auch, daß
die älteste Form der G. für die in Frage kommenden
Fälle Beispiele aufweist wie Oteiov, rdCp, Efta&, Fofioga.
2.) Die akkad. Formen iksud-ikasad entsprechen nach
B. hebräischem iaqtul - qatal, d. h. ikasad = qatal, während
Bergstr. die Form aus iksud durch Infigierung des
1. a entstanden sein läßt. Beides dürfte gleich wenig
zutreffend sein. Was die These B.'s betrifft, so wird
der Übergang von akkad. Präformativbildung zu hebr.
Affortnativbildung durch die Ausführungen auf S. 12
nicht im geringsten wahrscheinlich. Statt eigener Erörterungen
kann ich hierfür auf die weiter unten angezeigte
Schrift Ungnads verweisen. 3.) Ungnads
Aufstellungen sind auch für die Erklärung der hebr.
tempora consec. überaus beachtenswert. Sind sie zutreffend
, so fällt für B. ein wichtiges> Moment für den
von ihm behaupteten MischsprachencKarakter des Hebr.
hin. Eine andere hierher gehörige Frage ist die, warum

Formen wie Ej? usw. a haben, während das Nip.

DlpJ o aufweist (und ebenso das Nomen ElpD).

Nach B. soll die erstere Form einer jüngeren Schicht
angehört haben, die zweite der älteren, zumal da wohl
das ganz n-Reflexiv der jüngeren Einwandererschicht
unbekannt gewesen sei. Hier frage ich, ob sich dieser
Tatbestand nicht auch anders erklären läßt. Das Nip.
wird doch gebildet dadurch, daß na- vor den Stamm
qatil gesetzt wird: Impf, ia-na-qatil, Perf. na-qatil eigtl.,

das mit der Übertragung der Funktion eines Passivs
zum Qal an letzter Stelle a erhielt: naqatal (wie ja auch
inkorrekterweise a in n^T-EpH). Bei zweirad. Verben
mit kurzem Vokal konnte es nun schwankend sein, ob

man den a- oder i-Vokal in qatil bevorzugte, also ob
man na-sab oder na-sib zu bilden habe. Es findet sich
ja in der Tat auch 7>pj neben 2pj, T122Z neben

PIPE3 usw. Der a-Vokal überwiegt infolge der pass.

T •• T

Funktion des Nip. Anders nun ist es bei den Verben
Ep. Wie man ganz den akkad. Beispielen entsprechend
(S. 9) mauit > met werden ließ, so konnte hier auch
eine regelrechte Nip.-Bildung ia-na-qauim " ianqaum "
Elp1 entstehen und analog na-qauim > E"!pj. Die ältere

Sprachschicht würde sich dann in der Nip.-Bildung als
solcher auswirken. Diese Möglichkeit scheint mir leichter
zu sein als ein doch immer zu wenig motiviert

bleibendes Nebeneinander der a- oder o-Aussprache
in den beiden Verbalstämmen. Das Nebeneinander bei
den Nom. kann m. E. nicht entgegengehalten werden.

II. Die zu zweit angezeigte Schrift Ungnads
darf in diesen Zusammenhang deshalb einbezogen werden
, weil sie ihrerseits in der Hauptsache die Frage
behandelt, der der 2. Abschn. bei Bauer gewidmet
ist, die „Vorgeschichte des hebr. Tempussystems". Der
Untertitel soll zum Ausdruck bringen, daß der Verf. die
Sprachbildungen des Ursemit. rein aus den Denkformen
dieser Periode zu erheben sucht. Das verdient unbestreitbar
Anerkennung. (Es müßte übrigens m. E. auch
für die atl. Forschung ein Anliegen sein, die rel. Ausdrucksformen
ihrer Periode von der zu Grunde liegenden
begrifflichen Struktur aus zu verstehen. Dabei werden
sich manche wertvollen Einblicke ergeben, wie auch
gewisse Behauptungen dadurch verschwinden müßten).
Die vorliegende Abhandlung ist durchweg anregend geschrieben
. Ein Eingehen auf Einzelnes ist hier nicht
möglich. Ergebnis ist die Erkenntnis, „daß das Ursemit
. in der ältesten uns erreichbaren Gestalt noch im
wesentlichen eine isolierende Sprache war" (S. 17).
Eine Zusammenstellung des ältesten Verbalschemas S.
18, woraus S. 20 die Erklärung der hebr. „Tempus"-
Formen (bes. des doppelsinnigen Impf.) ersichtlich gemacht
wird. Als zweites soll die Untersuchung den
hohen Wert des Akkadischen dartun, und sie tiit das
auch. Damit steht im Zusammenhang die Frage nach
der Stellung des Akkad. zu den anderen semit. Sprachen
und überhaupt die Verwandtschaft dieser Sprachen mit
einander: Schema S. 23. Freilich die von U. als allgemein
herrschend vorausgesetzte gegnerische Anschauung
existiert — zum mindesten — schon längst nicht
mehr so unbeschränkt. Andererseits ist etwa die Stellung
des Hebr. doch nicht so einfach wie der Verf. sie angibt;
eine Berücksichtigung der von Bauer-Leander vertretenen
Aufstellung (s. o.) wäre hier wohl am Platze
gewesen. Überhaupt hätte man auch für manches andere
eine weitere Ausführung gewünscht. Es fehlt eine Bemerkung
z. B. über die Gleichheit von Gen.-Akk.-Endung
im Plur., über das Fem. zur Bezeichnung des einzelnen
Exemplars einer Gattung, der Unterschied zwischen
fem. ä und I, usw. Der sog. Inf. abs. als Imp. des Unr
fertigseins im Hebr. stimmt zwar in dem S. 18 angezogenen
Beispiel, in den meisten anderen Fällen aber
trifft das nicht zu, z. B. Jer. 32, 14. Die in Frage
kommende Erscheinung hat im Hebr. andere und viel
später liegende Gründe. — Auf den Anhang über die
Entstehung und die Geschichte der Zahlbegriffe sei
nur kurz verwiesen. Nur zu S. 28 sei bemerkt, daß die
meisten Reduplikationsbildungen doch wohl aus einem
(auch beim Kinde zu beobachtenden) reinen Wieder-
holungstrieb entstanden sind. Anmerkungen wie die
S. 26 Nr. 2 (Schluß) kann man entbehren; so wie sie
dastehn, wirken sie geradezu banal.

Bonn a. Rh. F. Horst.