Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1925 Nr. 15 |
Spalte: | 351-352 |
Autor/Hrsg.: | Menzer, Paul |
Titel/Untertitel: | Eine Vorlesung Kants über Ethik 1925 |
Rezensent: | Hirsch, Emanuel |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
351 . Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 15. 352
Technik seiner eigentümlichen „Geistlichen Lieder", die Köster
(134 f.) treffend kritisiert. Sie konnten der Gemeinde nichts geben,
weil sie aus einem ganz individuellen Erlebnis heraus geboren waren;
volkstümlich jedenfalls waren sie nimmermehr, diese „ideale Liturgie
mit ihrem scheinbar improvisierten VX'cchselgesang zwischen einem
kunstmäßig geschulten, durch die Instrumentalbegleitung gczügelten
Kirchenchor und der Gemeinde". — Was Köster über Lessings
Stellung zur Religion gibt, ist inzwischen durch die Arbeiten von
Oehlke und vor allem von Fittbogen (vgl. unsre Besprechung in
dieser Zeitschrift 1916) überholt worden, ebenso wie seine Darstellung
Lavaters, die vor allem dessen eigentümliche Christologie
und „Magie" nicht in ihrer Bedeutung für die zeitgenössische
Dichtung erfaßt, durch das vortreffliche Buch von Chr. Janentzky (Lavaters
Sturm und Drang im Zusammenhang seines religiösen Bewußtseins
, Halle 1916) in den Schatten gestellt wird. Aber von
allen solchen Spezialstudien, für die das eigentlich Literarische nur
in zweiter Linie in Betracht kommt, führt uns Köster immer wieder
mit sicherer Hand in die Geschichte der Dichtung hinüber und zieht
zum guten Teil neue Grundlinien, auf die auch die künftige religionsgeschichtliche
Forschung über das 18. Jahrhundert immer wieder
wird bezug nehmen müssen.
Hamburg. Robert P e ts c h.
Meitzer, Paul: Eine Vorlesung Kants über Ethik. Im Auftrage
der Kantgesellschaft herausgegeben. Berlin: Pan Verlag Rolf
Heise 1924. (IX, 335 S.) gr. 8°. Rm. 9.50.
Kuenburg, Dr. Max, S. J.: Ethische Grundfragen in der
jüngst veröffentlichten Ethikvorlesung Kants. Innsbruck: F.
Rauch 1925. (VIII, IIIS.) 8°. = Studien z. Geschichte d. Moralphilosophie
. Rm. 3.50.
Da die Akademieausgabe die erhaltenen Kollegnachschriften
wegen der Unzuverlässigkeit des Textes
nicht bringen wird, hat die Kantgesellschaft sich zu dieser
Einzelausgabe entschlossen. Der Text ist aus drei
Meitzer zur Verfügung stehenden Heften (A. B. C.) aufgebaut
; eine weitere, in der Univ.-Bibl. Königsberg befindliche
Nachschrift (D.), aus Reicke's Nachlaß ist nur
nachträglich in „ganz flüchtigen Stichproben" herangezogen
. Die Einleitung Menzer's ist nicht übermäßig
unterrichtend und muß aus den sehr gründlichen und belehrenden
Mitteilungen Kuenburgs (S. 7 ff.) ergänzt werden
, der der von Menzer gehegten Illusion, es handle .
sich um einen neuen Fund, ein Ende macht. Sämtliche I scheint wohl kaum zulassig, jedenfalls unfruchtbar
Initia zugänglich gemacht haben wird. Gleichwohl kann
die solide Arbeit Kuenburg's als Hilfsmittel dienen, in die
angesichts des Zustands des Textes und des schwierigen
Hin und Her mit dem Handbuch nicht angenehme noch
leichte Arbeit der Interpretation hineinzukommen. Der
scholastische Standpunkt des Verf.s macht sich störend
kaum geltend; man kann leicht von dem, was aus ihm
sich erklärt, abstrahieren. Das Bemerkenswerteste ist die
These, daß in der Bestimmung des Moralprinzips zwei
Schichten zu unterscheiden seien, die dem gleichen Semester
nicht angehören könnten. Ich erkläre mich hier
für von Kuenburg nicht überzeugt, mag ihm aber im
Rahmen einer Besprechung nicht ins Wort fallen.
Göttingen. E. Hirse Ii.
Hartman n, Nicolai: Die Philosophie des deutschen Ideallsmus.
I. Teil: Fichte, Schelling und die Romantik. Berlin: W. de Gruyter
& Co. 1923. (VIII, 282 S.) gr. 8°. = Geschichte der Philosophie
Band 8.
Das vorliegende Buch ist durch zweierlei bewußtermaßen
von anderen Darstellungen unterschieden. „Es
betrachtet die Bedeutung der großen idealistischen
Systeme nicht als erschöpfbar in ihrer Systematik."
Es rückt also den Schwerpunkt auf die Analyse der
Problemgehalte, deren idealistische Formung als Besonderheit
zurückzutreten hat. Sodann versucht der
Verfasser die Gedanken der Denker selber zu Geltung
zu bringen, statt Gedanken über sie zu äußern. Im allgemeinen
will er seine Darstellung als eine in die Probleme
einführende gewertet wissen und verweist für
weiter Forschende auf die „erstmalige dialektisch vollwertige
Problem an alyse des frühen Fichte und Schelling
" durch Kroner. Man wird von vornherein diese
eigentümliche und z.T. begrenzte Aufgabe, die sich das
Buch stellt, ins Auge fassen müssen, wenn man ihm
gerecht werden will. Mit dem Verfasser über seine Absichten
zu rechten, zumal da das Werk in eine Reihe
von Darstellungen verschiedener Verfasser des ganzen
Gebietes der Geschichte der Philosophie gehört, erHefte
sind Vervielfältigungen einer und derselben
Kollegnachschrift. Menzer hat den Nachweis geliefert,
daß sie ein Kolleg zwischen 1775 und 1780 wiedergibt,
und Kuenburg daran (obwohl er auch hier Miene macht,
Menzer zu korrigieren, indem er ihm etwas unterlegt,
was er nicht gesagt) nichts zu bessern gefunden.
Die Textgestaltung erregt, schon wegen der Nichtverwcn-
dung von D. (die nach den „Stichproben" besonders gut zu sein
scheint), aber auch, weil im wesentlichen Geschmacksrücksichten die
Auswahl bestimmt haben, Bedenken. Die in solchem Falle geltenden
Methoden sind dem nichtphilologischen Editor unbekannt. Eine
Nachprüfung ist, mangels eines brauchbaren Variantenapparats, nicht
möglich. So müssen wir uns mit der Versicherung Menzer's begnügen
, daß der Text „außer einigen Verbesserungen nichts, was nicht
mindestens in einem der drei Hefte (A. B. C.) steht", enthält.
Die Vorlesung Kant's ist, wie alle seine Vorlesungen
, im Anschluß an ein Kompendium gehalten.
Menzer hat die nötigen Nachweise gegeben. Zugrunde
gelegen haben Kant im ersten Teil die Initia philosophiae
practicae primae (Halle 1760) des Alexander Gottlieb
Baumgarten, im zweiten Teil die Ethica philosophica
(Halle 1740. 1751. 1763) des gleichen Verfassers.
Leider hinter den Text gestellte Anmerkungen Menzer's
geben, nicht ganz vollständig und nicht ganz fehlerfrei,
aber im wesentlichen brauchbar, Hinweise auf die Paragraphenziffern
Baumgartens. Aber die ganze Nachschrift
Aber auch wenn man die besondere Aufgabe festhält,
kann man Bedenken im einzelnen und im allgemeinen
nicht unterdrücken. Ist wirklich der deutsche Idealismus
die Reaktion des Systematismus gegen den Kritizismus?
Die Bedeutung Reinholds scheint über-, die Bardiiis unterschätzt
; die Untersuchung der geistesgeschichtlichen
Bedeutung Jakobis ist unnötig auf Erörterungen des
„Realitätsproblems" eingeengt. Die Darstellung Fichtes
kommt im allgemeinen über eine Analyse der Schriften
nicht hinaus, sie verfehlt den Ausgangspunkt der Problemstellung
(siehe Kroner!) und reißt das Ganze der
Gedankenbewegung in einzelne z. T. durch andere
Ideenentwicklungen getrennte Stücke auseinander. Am
wenigsten befriedigen die Abschnitte über Schelling und
die Romantiker; nur die Darstellung der Lehre von
Hemsterhuis gibt ein geschlossenes farbenreiches Bild.
Es ist aber nicht so sehr, daß man Deutungen oder
Wiedergaben der Lehren für nicht zutreffend erklären
möchte, wenn schon z. B. Hölderlin mir ziemlich verzeichnet
zu sein scheint, als daß man — grade im
Rahmen der gestellten Aufgabe — ein tieferes Eindringen
(über bloße Referate hinaus) in die geistesgeschichtlichen
Probleme vermißt. Ohne Zweifel sind
die Referate als solche sehr anschaulich und geschmackvoll
wegen ihrer Sachlichkeit und Einfachheit; aber man
würde doch gern auf Einzelheiten verzichten, wenn
kann überhaupt nur mit Baumgartens Büchern zusammen statt dessen öfter eine wirkliche Analyse des Problemgelesen
werden
Z.B. fehlt zu S. 26 Z.6 die Bemerkung Pr. §21, und zu S. 31
Z. 1 muß statt Pr. § 40 vielmehr Pr. § 14 zitiert werden.
Die wissenschaftliche Bearbeitung, die für die Entwicklungsgeschichte
von Kants Ethik ertragreich zu
werden verspricht, sollte, wie Kuenburg weiß, eigentlich
aufgeschoben werden, bis Bd. XIX der Akademieausgabe
die Eintragungen in Kants Handexemplar der
gehaltes (die gewiß nicht ganz fehlt) gegeben wäre; zugleich
eine Entwicklung der Problemzusammenhänge
und ihrer Einbettung in die geistesgeschichtliche Gesamtlage
. Es ist nicht anzunehmen, daß der Verfasser
selbst seine Aufgabe so eng gefaßt haben sollte. Er
wollte offenbar mit Hilfe von referierender Darstellung
eine Analyse der Problemgehalte geben; in Wirklichkeit
scheint ihm das Referat oft schon in nuce diese Ana-