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Ausgabe:

1925 Nr. 14

Spalte:

334-335

Autor/Hrsg.:

Girgensohn, Karl

Titel/Untertitel:

Grundriß der Dogmatik 1925

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

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333

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 14.

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Weltgeschehens führe, vielmehr nur ein Ersatz dieses
undurchführbaren „ordnungsmonistischen Ideals" sei,
weiter die Feststellung, daß Ganzheitskausalität (wie anstelle
der psychologisch und darum mißverständlich
formulierten causa finalis zu sagen vorgezogen wird)
eine ursprüngliche Kategorie sei, ohne welche das
Naturgeschehen unverständlich bleibe. Dazu tritt noch
der Satz hinzu, daß sich im Laufe des Werdens der
Mannigfaltigkeitsgrad des Werdesystems nicht von selbst
erhöhen kann. Unter diesen Voraussetzungen wird es
eine Notwendigkeit, wenn uns in der Natur (zumal in
•der embryologischen Entwicklung, aber auch sonst) eine
solche Bereicherung entgegentritt, die durch bloße
Summation von Massenteilchen bezw. Ausgleich ihrer
Eigenschaften nicht verständlich gemacht werden kann,
eine Ganzheitsursache als real vorhanden anzunehmen,
auch wenn sie von jenseits des Raumes in diesen hineinzuwirken
scheint. —

Driesch hat seiner Wirklichkeitslehre eine kleine,
gemeinverständlich gehaltene (wenigstens ist das beabsichtigt
) Metaphysik zur Seite gestellt, die keineswegs
nur einen Auszug des größeren Werkes bildet, sondern
in selbständiger Formung Ausführungen über Begriff
und Möglichkeit der Metaphysik bietet und das
Freihcitsproblem in neuer Weise behandelt; auch der
Gottesgedanke, das Todes- und Unsterblichkeitsproblem
u. a. finden eine Besprechung. D. faßt selbst den Inhalt
seiner Lehre in folgenden Worten zusammen: „Es gibt
ein Wirkliches, von dem Ich, der Wissende, selbst ein
Teil bin, und zwar ein Teil, der das Übrige, aber nur
bruchstückweise als Erscheinung bewußt erlebt. Dieses
Wirkliche trägt die Beziehungen Ganzheit und Wissen
in verschiedenen Formen unter seinen Urkennzeichen.
Es ist, als wolle sich Wissen in ihm in möglichst vielen
verschiedenen Formen realisieren, als wolle das Wirkliche
in möglichst vielen Formen zum Wissen von sich
selbst kommen. Daher die vielen Lebewesen der verschiedensten
Art. Aber das Wirkliche ist, wenigstens in
derjenigen Phase seines Seins, in welcher Ich als bewußt
Habender ihn angehöre, zufallsdurchtränkt, d. h.
seine Ganzheit, auch die das Wissen selbst betreffende,
ist mit Nichtganzheit durchsetzt, ist durch Nichtganzes
gestört, und zwar stellt sich das Nichtganze erschei-
nungshaft als Materie dar. Die wissenden Einzelwesen
leiden an der Zufallsdurchsetztheit. Es ist möglich, daß
es andere Phasen des Wirklichen gibt, bei denen dieser
Dualismus, entweder durch reinliche Scheidung der
Nichtganzheit von der Ganzheit oder durch Überwindung
der Nichtganzheit durch die Ganzheit, ausgeschaltet
wird. Vielleicht gehen die Einzelwesen nach
ihrem Tode in eine solche Wirklichkeitsphase über,
ja vielleicht stammen sie auch aus einer solchen Wirklichkeitsphase
(zeitlos) her. Das ist das Wesentliche des
Systems" (93). Mit D. stimme ich darin überein, daß
Metaphysik als Rückschluß von der Erscheinungswelt
auf ihren Wirklichkeitsgrund (und darum freilich nur
als Problematik) Berechtigung hat; ebenso darin, daß
der Wissende als solcher bereits in echter Wirklichkeit
wurzelt. Aber D.s Ausführung dieser Gedanken ist m. E.
v*el zu rational gehalten. Wie in seiner Naturphilosophie
, so überschätzt D. auch in der Metaphysik die
Tragweite der rationalen Argumente, bezw. seines Indizienbeweises
. Der Grundgedanke, daß die Wirklichkeit
nicht weniger Mannigfaltigkeitsgrade enthalten
müsse als die Erscheinung, klingt ganz plausibel
und führt in D.s Hand zum Aufbau eines
Idealismus, der dem naiven fast gleicht wie ein Ei
dem andern. Führt man indes die Idee einer Unendlichkeit
der Wirklichkeit ein, so zerfallen alle
Argumente; ebenso zerfällt der Schluß auf Dualismus,
denn ein Unendliches kann in seinem Ganzheitscharakter
Y°n uns nicht erfaßt werden, muß vielmehr uns den
Eindruck von Chaos neben Ganzheit erwecken; sehr
fraglich erscheint mir auch, ob die Idee der Ganzheit
das Schwergewicht tragen kann, das ihr bei D. zufällt.

Metaphysik als Problematik der möglichen Denktypen
der Wirklichkeit im Sinne Diltheys erscheint mir der
Sachlage angemessener, als D.s Metaphysik. Zugleich
erweist sie sich als fruchtbarer für das Verständnis von
Ethos und Religion, als D.s relative Anerkennung des
indeterministischen Freiheitsgedankens oder des Gottesbegriffs
als der Zusammenfassung des „logischen
Wesens aller das Wirkliche denkenden Begriffe" (88),
womit doch für die Erfassung der ethischen und religiösen
Wirklichkeit des Geistes noch wenig gewonnen
ist. Zweifellos darf in der Metaphysik und schon in der
Ordnungslehre der Ertrag von Ethik und Religionsphilosophie
ebensowenig unbeachtet bleiben als etwa
die Logik und Philosophie der Natur. Hoffen wir, daß
der zweifellos selbständige und in vieler Hinsicht verdiente
Denker die ihm nach seinen früheren Studien
ferner liegenden Geisteswissenschaften ernsthaft in den
Kreis seiner Arbeit einbeziehen wird. Denn für bloße
Naturphilosophie mag zur Not die Kenntnis der Naturwissenschaften
als Grundlage ausreichen, zu selbständigem
Denken über die Gesamtwirklichkeit d. h. die
Metaphysik können die Geisteswissenschaften nicht entbehrt
werden.

Berlin. A. T i t i us.

Girgensohn, Prof. D. Dr. Karl: Grundriß der Dogmatik.

Leipzig: A. Deichert 1924. (VII, 195 S.) gr. 8°. Rm. 5—; geb. Ö.50.

Es handelt sich hier um gedruckte Diktate, die
Girgensohn den Studierenden als Ergänzung bei seinen
dogmatischen Vorlesungen in die Hand gegeben, und in
denen er das Ergebnis seiner mündlichen Ausführungen
zusammengefaßt hat. Soll über Inhalt und Art des
knappen, aber vielgliedrigen Ganzen in Kürze ein
einigermaßen übersichtlicher Bericht erstattet werden, so
geht es kaum anders, als daß man, abgesehen von der
Einleitung, die eine Definiton der Dogmatik darbietet,
die Hauptteile des Buchs und deren verschiedene einzelne
Abschnitte aufzählt.

Also: I. Teil: Prinzipienlehre. A) Religionspsychologische
Grundlegung. Es werden unterschieden: die
analytische Religionspsychologie, die differentielle Religionspsychologie
und die Sozialpsychologie der Religion
. Vielleicht das wichtigste Ergebnis ist die von
der „analytischen" Religionspsychologie herausgearbeitete
These, daß sowohl „ein intuitiv-gedankliches Element
(nämlich die Entschränkung der sichtbaren und
wahrnehmbaren Naturwelt zur unsichtbaren Gotteswelt)"
als auch „Ichfunktionen (nämlich die Hingabe des
Ichs an diese Gotteswelt) unentbehrliche und dominierende
Strukturmomente des religiösen Erlebens" sind.
— B) Grundlegende „Erkenntnistheorie der Religion".
Hier werden unterschieden: das „sensualistisch-ratio-
nalistische Erkenntnissystem", das „noologische oder
geisteswissenschaftliche Erkenntnissystem und das „religiöse
oder pneumatische Erkenntnissystem". Letzteres
„hat vier axiomatische Grundvoraussetzungen". Sie besagen
1) „Die Gegenwart des Göttlichen als einer der
Welt an jedem Raum- und Zeitpunkte immanenten
Ganzen, das den sich stets gleich bleibenden zureichenden
äquivalenten Grund für die Erscheinungswelt
bildet, sowohl für die Außenwelt als auch für die Innenwelt
, sowohl für die Welt der Gegenstände als auch für
die Welt der Werte. 2) Die Gegenwart des Göttlichen
in der Welt als eines anderen, das durch Raum und
Zeit und irdische Werte nicht gebunden ist, sondern
schlechtweg transzendent bleibt. 3) Die Gegenwart des
Göttlichen als eines der Welt gegenüber überlegenen
höheren oder vielmehr höchsten Wertes. 4) Die Gegenwart
des Göttlichen als eines Schöpferischen und Freien,
das die Gesamtheit der Bedingungen unseres Daseins
setzt, aber sie frei auch anders setzen könnte." Wie der
Nachweis für die Geltung dieser Axiome zu gestalten
wäre, wird besprochen. Die Erörterung gipfelt aber in
der Frage, ob es eine übernatürliche Einwohnung des
heiligen Geistes Gottes gibt, wie sie das Christentum