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Ausgabe: | 1925 |
Spalte: | 296 |
Autor/Hrsg.: | Hergenröther, Joseph |
Titel/Untertitel: | Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte. 1. - 4. Bd. 6. Aufl. Neu bearb. v. Johann Peter Kirsch 1925 |
Rezensent: | Krüger, Gerhard |
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schaffen macht; er sucht ihn aber auch keineswegs zu
vertuschen, sondern gibt ihn offen zu: „we openly
acknowledge the large difference in this matter between
our teaching and the more prevailing teaching contained
in these ancient books" (p. 560). Ohne Zweifel bildet
diese Offenheit des Verf., in der er, was nicht zu halten
ist, als unhaltbar preisgibt (vgl. z. B. p. 229. 571),
neben seiner Weitherzigkeit, in der er das Gute, wo
immer, auch außerhalb des Judentums, er es findet, anerkennt
und von ihm zu lernen bereit ist (vgl. besonders
p. 144. 238. 265. 268. 276. 280. 290 f.), die sympathische
Seite dieses Buches. Gelegentlich führt ihn das Bestreben
, dem religiös Wertvollen in jeder Hinsicht gerecht
zu werden, zu Transpositionen, durch die er an
sich Überholtes für die Gegenwart noch fruchtbar zu
machen versucht. So gerade inbezug auf Partikularismus
: „Can we not both use the idea about Israel, and
also universalise it" (p. 309; vgl. 73. 192. 304)?
Daß mit dieser Frage M. die Grenzen des rein Historischen
überschreitet, daß er überhaupt den Gefahren
einer Modernisierung nicht immer entgeht (vgl. z. B.
p. 176), soll ihm nicht zu schwer angerechnet werden,
weil er genau weiß, was er tut, und den Leser darüber
auch nicht im Zweifel läßt.
Es ist aber klar, daß bei einem derartigen Bestreben
, die für die heutigen Bedürfnisse religiös wertvollen
Elemente aus den Quellen herauszuholen, die
Auswahl schließlich eine einseitige werden muß. Natürlich
fällt in der Betrachtung des A. T. das Hauptgewicht
für M. auf die Prophetenreligion. „We are not concerned
with the old pre-prophetic view of Jahwe's relation to
Israel. So far as that relation implied partiality and
favouritism it has no value for us" (p. 60). Was die
Propheten betrifft, so gilt: „Liberal Judaism sets the
Prophets above the Law" (p. 558, vgl. 579. 583). Als
Pole prophetischer Lehre bezeichnet M. „first, the
exclusive worship and recognition of the One God; se-
condly, that the service and demands of this God con-
sisted, not in ceremonial or in sacrifices, but in justice,
righteousness, mercy, and loving-kindness" (p. 230);
vgl. 187). Man bemerkt, wie dabei das Eschatologische
der prophetischen Verkündigung gänzlich ins Hintertreffen
geraten ist. In der Charakteristik des atl. Gottes
wird der Begriff der Güte Jahwes mit einer Entschiedenheit
herausgearbeitet (vgl. p. 43 ff. 57. 316.
327), der gegenüber man nur etwa Volzens Darstellung:
„Das Dämonische in Jahwe" (1924) in Vergleich stellen
muß, um gleich das Korrektiv zur Hand zu haben. Bei
solcher Auffassung der atl. Religion ist es nicht verwunderlich
, daß der Unterschied zwischen A. T. und
N.T. seine Schärfe eingebüßt hat (vgl. p. 182f.), um
so mehr, als M. die charakteristische Note der jüdischen
Frömmigkeit zur Zeit Jesu im Glauben an einen väterlichen
Gott findet (p. 203. 205). Damit werden die
Grenzen fließende. „We do not want to make contrasts.
We want to show developments" (p. 183)... „And it
is true that there is much more filling out to be found
in the N. T. than actual and entire novelty" (p. 286, vgl.
284). Inbezug auf das Verhältnis von Glauben und
Werken bedarf nach M. das A. T. der Korrektur durch
das N. T. (p. 225), und wenn Jesus die Gottlosen ihrer
Verdammnis überläßt, so bemerkt M. dazu: „This rough
edge of the O. T. is only made rougher in the New"
(p. 288). Wiederum: „The whole doctrine of repentance
is more fully worked out, and more elaborately illustra-
ted, in the Rabbinical literature than in the N. T." (p.
227), und das rühmt M. als etwas vom feinsten im
ganzen rabbinischen System (p. 329). Indem er dieses
als ein Ganzes behandelt (vgl. p. 295), fällt es ihm
nicht schwer, aus der ungeheuren Fülle des Stoffes genug
Material zu heben, das in bonam partem zu verwenden
ist, findet sich im rabbinischen Schrifttum doch
z. B. auch die Regel, daß einen Nichtjuden zu bestehlen
eine schwerere Sünde sei, als einen Juden zu bestehlen
„because of the profanation of the name" (p. 380).
Dergleichen läßt sich M. nicht entgehen, und obschon
er die „rough edges" der Lehre der Rabbinen keineswegs
verkennt (vgl. z. B. p. 299 ff. 323. 328. 359.
361. 365 f. 452), — „it is the idea of God, the nearness
and reality of God, which prevent their details beco-
ming petty" (p. 464). — Endlich sei aus der Behandlung
Philos — auf ihn beschränken sich fast ausschließlich
die Ausführungen des 4. Kapitels — wenigstens
der Satz hervorgehoben: „The value for us, as it seems
to me, of Philo's teaching lies in having attained this
purity, in having reached this assurance that, however
difficult the facts of human existence may be to reconcile
with the divine goodness, that goodness must be stuck to
through thick and thin, and that nothing must be allo-
wed to diminish it, least of all our own human passions
and predilections" (p. 491).
Mit besonderm Nachdruck betont M. den Gedanken
der Entnationalisierung des Judentums (p. 589).
Antizionistisch eingestellt, sieht er das Ideal des liberalen
Judentums darin, daß es nicht ein Volk oder eine
Nation sei, sondern eine religiöse Gemeinschaft inmitten
von Nationen und Völkern (p. 553; vgl. 567) und als
solche seine rein religiösen Elemente emporzubringen
habe (p. 558). Es sind die Elemente einer Allerwelts-
religion: „God's unity and righteousness, the inseparable
union of religion and morality, the election of Israel for
a religious mission and Service, the joy of communion
with God" (p. 587 f.). Nichts liegt M. ferner, als damit
den Zusammenhang mit der eigenen Vergangenheit aufgeben
zu wollen — findet er ja doch gerade diese Elemente
alle schon im A. T. (1. c). Aber vielleicht wird
man trotzdem die Frage nicht ganz, los, ob ein derartig
erweichtes Judentum noch Judentum zu nennen sei. Ich
gestehe, daß mir der bedeutungsvolle Satz: „We do not
mind about the name" (p. 568) zu denken gibt. Ist,
wer sagen kann: We stand above the facts" (p. 582), im
Grunde nicht schon aus der historischen Kontinuität
herausgetreten?
Göttinnen. Alfred Bert holet.
Hergenröther, Kardmal Joseph: Handbuch der allgemeinen
Kirchengeschichte. Neu hearb. v. Johann Beter Kirsch. Sonderdruck
d. Nachträge zur 6. Aufl. d. 1.—IV. Bds. Freiburg i. Br.:
Herder & Co. 1925. (IV, 87 S.) gr. 8". Rm. 3—.
Die fünfte Auflage der Hergenröthersohen Kirchengeschichte,
deren vier Bände in unserer Zeitschrift jeweils gebührende Anerkennung
gefunden haben, war seit längerer Zeit vergriffen. Eine
Neubearbeitung erschien angesichts der wirtschaftlichen Lage als undurchführbar
. So hat sich der Verlag zur Ausgabe von „Nachträgen
und Ergänzungen" entschlossen, die einem als sechste Auflage er-
) scheinenden Neudruck des Werkes beigegeben worden sind und im
| Sonderdruck auch den Besitzern der fünften Auflage zugute kommen
I sollen. Sie bieten die wichtigste Literatur mit Ergänz.ungen und
Berichtigungen zum Text. Der neuesten Geschichte des Katholizismus
ist durch einen ausführlichen Nachtrag Rechnung getragen worden
j Die Angaben zur alten Kirchengeschichte habe ich auf Grund der
neuen Auflage meines Handbuchs nachgeprüft. Sie sind sorgfältig
! ausgewählt und einwandfrei wiedergegeben. In einer Reihe von
Fällen konnte ich von mir Übersehenes in meinen Text übernehmen.
Andererseits sind mir auch Lücken aufgefallen, z. B. bei den Aposto-
! lischen Vätern, wo Übersetzung und Kommentar im Lietzmannschen
Handbuch nicht fehlen durften, und bei der Notiz zum Taufbekenntnis,
wo die Abhandlungen von Harnack, Holl und Lietz.mann in den
Sitzungsberichten der Preußischen Akademie gebucht werden mußten.
Der Druck ist sauber. Loeschke statt Loeschcke (S. 3 Mitte)
Ausnahme.
Gießen. G. Krüger.
Kirch, Conradus, S. J.: Enchiridion fontium historiae eccle-
siasticae antiquae, quod in usum scholarum coli. Ed. 4.,
aueta et emend. Freiburg: Herder 8t Co. 1923. (XXXII, 644 S.) 8°.
Rm. 9—; geb. 10.50.
Die praktische Brauchbarkeit dieser reichhaltigen und bis ins
8. Jahrhundert reichenden Sammlung ist durch die rasche Aufeinanderfolge
neuer Auflagen erwiesen. Diese 4. Auflage ist nach der Angabe
des Herausgebers um c. 50 Nummern vermehrt.
Göttingen. Carl M i r b t.