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Ausgabe:

1925

Spalte:

281-282

Autor/Hrsg.:

Macchioro, V.

Titel/Untertitel:

Lutero 1925

Rezensent:

Koch, Hugo

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Seite 1

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281 Theologische Literaturzeiüing 1925 Nr. 12. 282

ständnis der neueren gewonnen werden kann, und wie
man der mittelalterlichen Geschichte im Unterricht Leben
zu geben vermag. Zugleich will es der Einbürgerung
der Staatsbürgerkunde im Geschichtsunterricht dienen.
Es handelt von dem deutschen Staat im Mittelalter, indem
nachgewiesen wird, daß auch im Mittelalter die
öffentlichen Rechte eine Sonderexistenz gehabt haben,
daß ihm also das Prädikat Staat in Wahrheit zukommt,
wobei leider des Verhältnisses des mittelalterlichen
Staates zur Kirche nicht näher gedacht wird. Der zweite

,große Rebell' (S. 35), dieser ,enorme e disforme co-
losso' ist im Grunde der konservativste Geist. Seine
Revolution ist nichts als ein großer Sprung zurück zu
verschütteten Wahrheiten, und nur die Heftigkeit, womit
er diese Rückkehr ins Werk setzte, ließ ihn als Umstürzler
erscheinen (S. 78). Paulus, Augustin, Luther sind
drei Meilensteine eines Riesenweges, der noch nicht zu
Ende ist, und dessen Ziel in der ,conquista di Dio' liegt.
Diese drei Männer sind drei ,colossali esperienze di Dio',
drei Anläufe der Menschheit, um den von Jesus geAbschnitt
spricht von der Entstehung der deutschen j offenbarten Gott sich zu eigen ^zu machen durch den
Territorien. Am lehrreichsten und eindrucksvollsten
scheint mir der 3. Abschnitt zu sein, der die Geschichte
des deutschen Städtewesens erzählt, wobei die Unterschiede
zwischen der mittelalterlichen und der modernen
Stadt scharf herausgearbeitet werden. Der mittelalterlichen
Stadtwirtschaft ist der 4. Abschnitt gewidmet.
Eine herrliche Darstellung bringt der 5. Abschnitt über
das deutsche Heerwesen in alter und neuer Zeit. Und
auch der 6. Abschnitt über Landes- und Reichssteuern in
der deutschen Geschichte ist ebenso lehrreich wie anziehend
. Das Meiste, was in dem Büchlein geboten
wird, kommt für die Kirchengeschichte nur mehr mittelbar
in Betracht, aber es ist doch auch dem Kirchenhistoriker
sehr nützlich, es kennen zu lernen. Es hilft
richtige Anschauungen über das Mittelalter verbreiten,
erkennt das Gute an, was es gehabt hat und was wir
von ihm lernen können, ohne es doch auf Kosten der
neuen Zeit zu übertreiben.

Kiel. Q Ficker.

Glauben und das Erleben (S. 79). Luther ist mittelalterlich
und modern zugleich: mittelalterlich in der Unduldsamkeit
, dem Fanatismus, der Derbheit, dem Aberglauben
, modern in der Freiheit, dem Individualismus,
der Liebe zur Kultur, dem freudigen und tätigen
Glauben, der nicht in der Zustimmung zu einer Summe
von Lehren, sondern im Leben des Geistes besteht (S.
85). — Einige Wendungen bei M. bedürfen einer gewissen
Einschränkung wie z. B. S. 36, wo der Schein
entstehen könnte, als wolle die Bibelübersetzung Luthers
als die erste deutsche Obersetzung überhaupt hingestellt
werden, was ja bekanntlich nicht der Fall war.

München. Hugo Koch.

Huldreich Zwingiis sämtliche Werke. Unter Mitwirkung des
Zwingli-Vereins in Zürich hrsg. von Dr. Emil Egli f, D. Dr.
Georg Finsler t, D. Dr. Walter Köhler und Lic. Oskar
Farmer. Lfg. 64. (Band 9 [Briefwechsel III], Bogen 31—35).
Leipzig: M. Heinsius Nachf. 1925. (S. 481 560.) 8". = Corpus
Reformatorum, Volumen 96.

Es ist selbstverständlich nicht meine Absicht, eine einzelne
Lieferung dieses monumentalen Werkes zu besprechen. Ich halte es
aber für meine Pflicht, nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen,
daß nach langer Pause wiederum eine Lieferung erschienen ist.

Macchioro, V.: Lutero. Rom: A. F. Formiggini 1925. (87 S.
m. e. Bildnis.) kl. 8°. wt Profili, Nr. 75. L. 3.50.

Ein in frischer, lebhafter Sprache mit Liebe und

Bewunderung, aber auch mit wissenschaftlicher Wahr- Die letzten Lieferungen waren 1918 ausgegeben worden. Sie förderten
haftigkeit und Streben nach geschichtlicher Treue ge- ' dic Werke i,n cnbrcren Sin» bis z«r /weiten Hälfte des vierten der

zeichnetes ,profilo' des großen Reformators. M. schil- irT^"n »"fr, ff". ^fl.f^^.^l^L^

■ ., , 13 . . r- , . , (la28) hinein. Volle 7 Jahre iiat der Druck geruht. Es schien eine

dert zuerst Luthers Lebensgang, seine innere Entwick- a|s |Qllte ^Unternehmen versande... Nun ist die neue

hing Und seine äußeren Kampfe, die Bedeutung seiller Lieferung ein sicheres Zeichen, daß man sich entschlossen hat, es

reformatorischen Hauptschriften Und seiner BibelÜber- zu Ende zu führen. Wer die vorzügliche, recht eigentlich kritische

Setzung, die Folgen seines Auftretens und seiner Wirk- Ausgabe kennt und benutzt, der weiß, welchen Gewinn für die

samkeit. Anfangs hatte Luther kein Bewußtsein von ZwIngWforacbung sie bedeutet. Es ergeht darum an alle, die es

seiner wirklichen Stellung dem Katholizismiis gegenüber angeht, die dringliche Bitte, dafür Sorge zu tragen, daß jede Biblio-

und ahnte nicht, daß er im Geiste eigentlich schon "><*, auch unsere Semmarbibliotheken, sich das Werk anschaffen,

draußen war (S. 21). Noch bei Abfassung der Schrift *•» vermutlich ür absehbare Zeit noch langsamen Tempo im

j " , ,v . A V u u <. • ,, • i . Erscheinen der Lieferungen handelt es sich nur um eine nicht ms

von der babylonischen Gefangenschaft hat er vielleicht 0cwicht falk,ndc Ausgabe.

nicht daran gedacht, daß sie in Bälde ,sarebbe divenuto . „ Q Krüger

il testo c il pretesto per riforme che erano anche IC cn"---!___._

rivolte'. Aber seine Ideen waren stärker und größer als Themel, Karl: Die religiöse Lage auf dem Lande in der
er selber: die lutherische Revolution begann ohne und Nachkriegszeit. Berlin: Deutsche Landbuchh. 1925. (VIII, 113
gegen seinen Willen unter Karlstadts Führung in S.) 8". Schriften /. Dorfkircho, Heft 8. kart. Rm. 2.50.
Wittenberg, während seines Aufenthaltes auf der Wart- Der 1. Teil stellt eine Studie zur religiösen Volksburg
(S. 37). Nach seiner Rückkehr begann er dann künde dar. Nachdem die Art des Landbewohners und
das auszubilden, was man später den Protestantismus seine Stellung zur Religion und Kirche allgemein gegenannt
hat (S. 41), und seit 1524 stehen sich Protestan- ; schildert worden ist, werden in je einem Kap. 1. der
tismus und Katholizismus als Gegner gegenüber. Damit Einfluß des Krieges, 2. derjenige der Revolution und
war die Spaltung Deutschlands eigentlich schon fertig Nachrevolution auf das Landvolk beschrieben. Dabei
(S. 43 ff.). Der Bauernaufstand war verhängnisvoll hat Th. vorwiegend norddeutsche, speziell brandenfür
die junge Bewegung. Aber darnach sah Luther burgische Verhältnisse im Auge. Er sieht sehr dunkle
klar, und das messianische Ungestüm fiel vor der Wirk- Schatten. S. 51: „Ich glaube nicht, daß das Bild, das
lichkeit: es galt einzurichten und zu befestigen, was der Paulus von der „Kultur" seiner Zeit in den ersten
Sturm dem Einsturz nahe gebracht hatte (S. 47). Im Kap. des Römerbriefs malt, für unser Landvolk heut
zweiten Teil schildert M. die Eigenart Luthers und zu schwarz gemalt ist." Auch für die Zukunft fürchtet
seines Werkes. Luther hat drei oder vier Seelen, die er: die männliche Jugend stehe heut auf dem Land
aber alle in seinem heroischen üottesglauben zur Einheit außerhalb der Kirche; darum werde die Kirche in
werden. Aus diesem lebendigen Gottesglaubeu eilt- nächster Zeit auch das Landvolk verlieren. Aber der
sprang die vollkommene Sorglosigkeit für seine eigene Gesamteindruck ist nicht etwa der einer einseitigen AnPerson
und die unbedingte Siegesgewißheit. Er war in klageschrift, sondern der einer ruhig abwägenden alle
Wahrheit ein .Besessener Gottes'. Mit ungeheurer Kraft Momente ernstlich zu Rate ziehenden, recht eindringen-
und Kampfeslust verband sich innere Herzenseinfalt, und den Untersuchung. — Im 2. Teil erörtert Th. den reli-
neben den wilden Worten gegen das Papsttum er- giösen Wiederaufbau auf dem Lande. Dabei bekennt Th
klingen zarte Herzenstöne im Kreise seiner Familie und sich von Barth, Gogarten, Heitmann und Heim beein-
Aiißerungen franziskanischen Geistes gegenüber Tieren flußt. Glücklicherweise hindert ihn die Wirkung der
und 1 tlanzen. Er war ein Mann des Gebetes und rang Ersteren nicht an warmer Würdigung der kirchlichen
mit seinem Gott im Gebete wie ein Prophet. Dieser „Kleinarbeit" auf dem Land; er gibt ihre Notwendigkeit