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Ausgabe:

1925 Nr. 12

Spalte:

277-278

Autor/Hrsg.:

Munding, Emmanuel

Titel/Untertitel:

Abt-Bischof Waldo, Begründer des goldenen Zeitalters der Reichenau 1925

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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277

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 12.

278

die Sprache keinen gesucht altertümlichen Charakter angenommen
; die Übersetzung liest sich gut; sie ist in dem
üblichen modernen Deutsch gehalten. Ich habe den
Originaltext nicht überall verglichen; doch so viel, um
festzustellen, daß größere Fehler vermieden worden
sind, kleinere Fehler sind mir gleich am Anfang aufgefallen
: in der Überschrift Z. 3 v. u. ist ein „und" eingeschoben
; S. 3, Z. 3 v. o. ist röre xai mit „und damals
" übersetzt; Z. 10f. icgooerid-rficiv mit „traten
über"; Z. 15 ist vor „in Ägypten" xal ausgelassen; S.
2 Z. 2 v. u. wird „im Namen" des Vaters usw. getauft,
während der griechische Text etg to ovo^ia bietet.
Leider wird gar nicht angegeben, nach welcher Ausgabe
oder welchem Abdruck die Übersetzung verfertigt
worden ist, und da auch ein Register fehlt, ist es recht
schwierig, sich im griechischen Texte zurechtzufinden.
Es fehlt auch die Einteilung in Kapitel, die in dem mir
vorliegenden Abdruck in Mignes Patroologie Bd. 96 vorhanden
ist. Nur an 4 Stellen, wenn ich recht gezählt
habe, sind Zitate nachgewiesen. Der Text wimmelt von
Bibel- und anderen Zitaten; kein einziges ist (außer den
erwähnten 4) nachgewiesen. Nachwort und Anmerkungen
S. 271—299 bringen einige Bemerkungen über }
den Wert der Legende und weisen auf die Herkunft j
aus der indischen Erzählungsliteratur und sonstige j
Quellen hin; mir scheinen diese Bemerkungen unvoll- |
ständig zu sein; wenn ich mich recht erinnere, ist
nicht einmal der Barlaam und Josaphat Rudolfs von
Ems erwähnt. Druck und Ausstattung sind gut; störend
ist mir die Type für w (= 2v).

Kiel. O- F ick er.

Mund ing, P. Emmanuel, O. S. B.: Abt-Bischof Waldo, Begründer
des goldenen Zeitalters der Reichenau. Leipzig: O. Harrassowitz
in Komm. 1924. (XXIV, 131 S. mit 4 Beilagen) gr. 8°. = Texte
und Arbeiten, hrsg. durch die Erzabtei Beuron. 1. Abt., Heft 10/11.

Rm. 9—.

Die glückliche Entdeckung einer Palimpsesturkunde
im Cod. Monac. 6333, eines Schreibens Karls des
Großen an Papst Hadrian I. mit der Bitte, einen gewissen
Waldo zum Bischof von Pavia zu weihen, (veröffentlicht
im 6. Hefte der Texte und Arbeiten, hrsg.
durch die Erzabtei Beuron, 1920) ist für Munding die
Veranlassung geworden, alles zusammenzustellen, was
uns über die Person dieses bisher wenig bekannten
Mannes überliefert ist. Da erscheint er nun allerdings
als ein höchst vielseitiger, höchst tätiger und bedeutender
Mann, der mitten nicht nur im politischen, sondern
auch im wissenschaftlichen Leben seiner Zeit steht und
gewissermaßen ein Spiegelbild der geistigen Bestrebungen
des karolingischen Zeitalters zu geben vermag.
Waldo wäre somit Abt von St. Gallen (782—784), dann
der Reichenau (786—806), schließlich von St. Denis
(t 29. März, wohl 814, nicht 813), um die verfallene
Klosterzucht herzustellen, gewesen, und es wäre derselbe,
der von Karl d. Gr. mit der Verwaltung der beiden
Bistümer Pavia und Basel betraut worden wäre, weil
er gerade der geeignete Mann gewesen sei, die verfahrenen
Verhältnisse in Ordnung zu bringen. Die Untersuchungen
über die entsprechenden Notizen veranlaßt
M., einige Partieen der alten Bischofslisten von Pavia
und Basel gründlich zu besprechen und dabei allerhand
Förderndes und Anregendes zutage zu bringen. Am eingehendsten
werden Waldos Verdienste um die Wissenschaft
gewürdigt; mit seiner Regierungszeit beginnt das
goldene Zeitalter für Reichenau, und M. hat keine Mühe
gescheut, diese Blütezeit möglichst hell erscheinen zu
lassen, indem er etwa den Reichenauer Handschriften
nachforschte oder die alten Bibliothekskataloge verwertete
oder den Umfang des Wissens jener Zeit darlegte
. Es ist keine Frage, daß M. mit großer Sorgsamkeit
gearbeitet und die kritischen Grundsätze streng
durchzufuhren gesucht hat. Ich glaube nun zwar, daß
die Kritik z. B. der Translatio Sanguinis Domini oder
der jüngeren Reichenauer Geschichtsquellen noch freimütiger
sein könnte, daß auch die Beurteilung der Personen
und Vorgänge in Vielem noch zu mönchisch ist.
Demgegenüber fällt aber angenehm auf die Sorgsamkeit
der Arbeit, die Vollständigkeit der Gesichtspunkte, die
sorgsame Erwägung der Probleme. Ich glaube, daß die
„Texte und Arbeiten" es sehr wohl aufnehmen können
mit ähnlichen Unternehmungen des Auslandes.

S. 36 Z. 7 v. u. ist Origines (für Origenes) stehen
geblieben. Den Satz S. 111: „Im Kloster St. Anastasia
auf Sizilien wurde das heilige Blut von Karl d. Gr., der
in Ravenna weilte, empfangen. Karl war im J. 800 in
der Tat auf der Romreise" verstehe ich nicht. Sehr
störend ist für mich der allzukleine Druck der Anmerkungen
; ich muß eine Lupe zu Hilfe nehmen»
Ebenso störend ist, daß schon gedruckte Quellentexte
als Belege nicht abgedruckt werden. Im Ganzen ist der
Druck korrekt, auch die Register vortrefflich.

Kiel. G. F ick er.

Bühl er, Johannes: Die Sächsischen und Salischen Kaiser.

Nach zeitgenössischen Quellen. Mit 16 Bildertaf. und 1 Karte.
Leipzig: Insel-Verlag 1924. (477 S.) 8°. = Deutsche Vergangenheit.

Hhv. Rm. 7.50; Hldr. 11—.

Der vorliegende Band gehört zu einer unter dem
Gesamttitel „Deutsche Vergangenheit" zusammengefaßten
Reihe von Bänden, die den Zweck haben, die deutsche
Geschichte des Mittelalters in Quellenauszügen, die in
deutscher Sprache wiedergegeben werden, zu erzählen,
und zwar soweit als möglich eine fortlaufende Erzählung
der deutschen Geschichte einem breiten Leserkreis
zugänglich zu machen, zugleich auch ein Bild zu geben
von der deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters.
Es ist derselbe Zweck, den die rühmlichst bekannten
und von unserm lesenden Publikum längst nicht genügend
gewürdigten und benutzten „Geschichtschreiber
der deutschen Vorzeit" verfolgen, nur in anderer Form.
Ich wage es den Satz auszusprechen, daß kein Volk
von seiner eigenen Vergangenheit so wenig weiß, wie
das deutsche; alle anderen Völker kennen ihre Vergangenheit
besser. Das deutsche Volk m u ß seine Geschichte
besser kennen lernen; nicht nur, weil kein Volk
der Erde eine gleich erhabene, ruhmreiche, leidensvolle,
gewaltige Geschichte besitzt, sondern weil es allein unter
allen Völkern der Welt an der Lösung der die Gegenwart
bewegenden Probleme mit Ernst, man wird sagen
können, mit seinem Herzblut arbeitet. Deswegen ist
auch jeder Versuch, dem weitesten Leserkreis eine lebendige
Anschauung von seiner Vergangenheit, der näheren
wie der ferneren, zu ermöglichen, auf das Wärmste zu
begrüßen, und so auch dieser, um so mehr, wenn er in
so gediegener, geschmackvoller Form und in so trefflicher
äußerer Ausstattung geboten wird. Der hier vorliegende
Band ist hauptsächlich der politischen
Geschichte von Konrad I. bis Heinrich V. mit Einschluß
des Investiturstreits gewidmet; die deutsche Kultur im
Früh- und Hochmittelalter wird in einem eigenen Band
behandelt werden. Es sind die ersten zwei Jahrhunderte
der deutschen Geschichte; „sie bilden den Ausgangspunkt
alles Glückes und Leides unserer Nation". „Man
wird diese Periode zu den fruchtbarsten und segensreichsten
der deutschen Geschichte zählen dürfen. Ich
meine damit nicht bloß glanzvolle Höhepunkte wie
unter Kaiser Otto I. dem Großen und zu Beginn der Regierung
Heinrichs III., deren sich jedes Volk der Welt
mit Stolz rühmen würde, sondern das Gesamtergebnis
der Leistungen unserer Ahnen in jener Zeit. Um das
Jahr 900 gab es noch keine Deutschen und kein Deutschland
, nur Ostfranken, und um 1100 galt der Name der
Deutschen trotz Canossa als erster in der abendländischen
Menschheit." Meiner Kenntnis nach ist die Auswahl
der Quellenstücke geglückt, die Übersetzung gelungen
, die mit nicht gewöhnlichem Geschmack ausgewählten
bildlichen Beigaben sind ausgezeichnet, die erläuternden
Anmerkungen lehrreich und zutreffend, die Register
sorgfältig. Die Einleitung enthält 2 Abhandlungen
: 1. Der Staat und die Staatspolitik der Herr-