Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1925 Nr. 12

Spalte:

275-276

Autor/Hrsg.:

Scheel, Otto

Titel/Untertitel:

Zeitschrift für Kirchengeschichte. XLII. u. XLIII. Bd., N. F. 5 u. 6 1925

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

275

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 12.

276

Esras (S. LXXXVI f.). Esras trüben Gedanken setzt
Baruch seine Zuversicht und seinen Nationalstolz entgegen
. Seine Begabung ist „lehrhaft mit dichterischem
Einschlag", ihm fehlt die Tiefe und Wahrhaftigkeit;
„öfters fesselt er durch die Form, selten durch einen
neuen Gedanken" (S. XI). V. hält für sehr wahrscheinlich
die Meinung Rosenthals, daß er der Schule zu Jabne
angehört und in den beiden ersten Jahrzehnten des
2. Jahrhunderts geschrieben habe. Dem steht gegenüber
Th. Zahns (D. Offb. des Joh. S. 142ff.) Urteil,
die Baruchapokalypse sei gar nicht das Werk eines
orthodoxen Juden, sondern vielmehr christlichen Ursprungs
, geschrieben etwa um 200—300. Zahn beruft
sich namentlich auf Vis. III, 8, 9 (K. 30), daß der
Messias „wiederkommen wird in Herrlichkeit", entsprechend
jener in der alten Kirche herrschenden Gegenüberstellung
des Kommens Christi in Niedrigkeit und in
Herrlichkeit. Ebenso darauf, daß K. 29, 3 und 39, 7
(Vis. III, 8, 3. V, 4, 8) von einer Enthüllung des Messias
geredet wird. Aber eine Hindeutung auf ein Kommen
Christi in Niedrigkeit fehlt, und ein 7. und 8. Jahrtausend
unterscheidet auch der slaw. Henoch 33, 1.
Sicher jedoch ist die Baruchapokalypse jünger als die
des Johannes; mag sie nun die Bezeichnung einer
Apokalypse von Anfang an getragen haben oder nicht.
Aber sie ist durchaus jüdisch gedacht und enthält nichts
spezifisch Christliches. Wertvoll bleibt, daß die Frage
nach ihrem jüdischen Charakter durch Zahn gestellt
worden ist.

Die ganze Ausgabe V.s ist mit größter Sorgsamkeit
gemacht, nichts außer Acht gelassen, was zur Herstellung
des Textes und seinem Verständnis dienen
könnte. Eher könnte man gelegentlich trotz seiner Verwahrung
S. XXIX befürchten, er versuche das Gras
wachsen zu hören. V. hat sich auch nicht gescheut, sich
selbst auf Grund besserer Einsicht zu korrigieren. Auch
die Textverbesserungen Greßmanns bringen mehrfach
Korrekturen zu der von V. vertretenen Auffassung.
Überall spürt man, daß Jahrzehnte hindurch V.s Fleiß
seiner Edition gewidmet gewesen ist. Auch das eingehende
Sachregister legt davon Zeugnis ab.

Wegen der Zugehörigkeit des slawischen Henoch
zu dieser spätjüdischen Literatur sei gestattet, hier hinzuweisen
auf die Verwertung eben jenes Buches 31, 7
durch Irenäus, Adv. haer. III, 23, 3; daß es sich hier
um eine vorchristliche Autorität handele, hatte schon
Zahn bemerkt, Forschungen VI S. 58.

Döttingen. N. Bonwetsch.

Zeltschrift für Kirchengeschichte. Begründet von Theodor
Brieger f- Verbindung mit der Gesellschaft für Kirchengeschichte
hrsg. von Otto Scheel und Leopold Zschar-
nack. XLII. u. XLI1I. Bd. [je 2 Hefte], Neue Folge V u. VI
Gotha: F. A. Perthes 1923 u. 1924. (je 480 S.) gr. 8°.
Von der ZKG. ist in dieser Zeitung zuletzt 1923 Sp. 440 über
NF. III und IV berichtet worden. NF. V beginnt mit einem Aufsatz
von W. Bousset, den Krüger aus seinem Nachlaß zum Abdruck
gebracht hat, über „das Mönchtum der sketischen Wüste". Es ist
Anachoretentum, das in bewußtem Gegensatz zum Klosterleben steht,
trotzdem aber Auswüchse der Askese ablehnt. H. v. Soden weist
dann auf die von Verkel gedeutete karthagische Inschrift C 1 L VIII
25045 hin, die ein kirchenrechtliches Denkmal des Montanismus ist.
A. Jülicher bekämpft die von P. Batiffol vertretene Anschauung,
daß die Synode von Elvira ein Zeuge für den römischen Primat sei.
Als Ergänzung dazu weist L. v. Sybel im 2. Heft sogar nach, daß
einer ihrer Kanones vielmehr direkt gegen die römische Praxis und
damit gegen Rom gerichtet ist. W. Köhler fährt in dem Abdruck
der Randglossen Zwingiis zu seinen Büchern fort (Augustin). Einen
Beitrag zur Acontius-Forschung 'liefert K. Bauer. Er vermag
mindestens 4 Träger dieses Namens einwandfrei zu unterscheiden.
E. Peterson untersucht den Begriff Gottesfreund in der Zeit von
Plato bis zum Ausgang des christlichen Altertums. Angeregt durch
Harnack prüft A. Pott erneut Marcions Evangclientext mit dem
Ergebnis, daß dieser dem Urtext sehr nahe steht. K. Bauer sucht
„Zur Verständigung über die Stellung Augustins in der Geschichte"
Troeltschs Auffassung Augustins als des lediglich antiken Kulturhistorikers
zu korrigieren. A. Jacoby „Zur Vita des Glockenheiligen
Theodul" weist nach, daß die Ruoperts-Vita eine Fälschung ist, die
keinerlei historische Grundlagen hat. W. Schwarz schildert in

einer umfangreichen Abhandlung, die in NF. VI fortgesetzt ist, den
Investiturstreit in Frankreich, dessen Beilegung durch die Vorschläge
Ivos von Chartres herbeigeführt wurde, die dann auch für Deutschland
maßgebend geworden sind. E. Wagner untersucht mit ablehnendem
Ergebnis die Aufstellungen Kalkoffs über Friedrich den Weisen als
den Beschützer Luthers, wird aber von Kalkoff, der seine
Stellungnahme voll aufrecht erhält, in NF. VI zurückgewiesen. Q
Clcmen beweist, daß die angeblich von Melanchthon verfaßte

| Schrift über die Mönchsgelübde in Wirklichkeit von dem Wittenberger
stud. Oswald (Hin stammt, er weist ferner einen zensierten Wittenberger
Druck vom Jahre 1541 nach. G. Loesche bringt eine
Johann Agricola-Urkunde zum Abdruck, H. Lehmann einen „Dis-
curs eines gutherzigen Catholischen" über Predigten Speners, der
vom Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels stammt. Der Band enthält
endlich aus der Feder F. Hallers noch eine kurze Zurückweisung
G. Ritters, die das Verhältnis von Reformation und
Humanismus betrifft. Ritter antwortet in NF. VI.

In NF. VI setzt sich zunächst H. v. Soden kritisch mit Oswald
Spenglers Benutzung der kirchengeschichtlichen Tatsachen auseinander
, die in ihrer ganzen Ungenauigkeit enthüllt wird. W. Erbes
prüft die geschichtlichen Angaben Lietzmanns über die Gräber des
Petrus und Paulus in Rom. Er kommt zu dem Ergebnis, daß beide
Apostel zunächst ad catacumhas gelegen haben, Paulus 258 an die
Via Ostiensis, Petrus 357 zum Vatikan gebracht ist. B. Ritter
bringt ein Ketzerbekenntnis aus dem Jahre 1458 zum Abdruck, das
die Existenz der pantheistischen Häresie für das 15. Jahrh. urkundlich
belegt. J. Pusino veröffentlicht eine bisher unbekannte
„Apologia di Pico della Mirandula" zugunsten Savonarolas. K.
Bauer weist nach, daß der lutherische „Senno de indulgentiis
pridie Dedicationis" am 31. Oktober 1517 gehalten ist. P. Kalkoff
schildert Aleander in einem Beitrag zu seiner Charakteristik
als ehrgeizigen, unwürdigen Mann, der die kirchliche Reform lediglich
aus politischen Gründen begünstigte. O. Giemen bespricht
einen Straßburger Sanimeldruck von 1523, der in indiskreter Weise
Briefe von Luther und Melanchthon veröffentlicht hat. E. H.
Leube untersucht die Bekämpfung des Atheismus in der deutschen

! lutherischen Kirche des 17. Jahrh.s, die unter Atheismus alles Frei-
denkertum faßte. Die Bekämpfung hat besonders auf die Ausbildung
der Lehre von der natürlichen Theologie Einfluß gehabt. C.
Schmidt weist in „Studien zu den alten Petrusakten I" gegen
G. Ficker nach, daß die koptische IIqSSis Hbzqov ein Stück der
alten Petrusakten ist. J. Geffken bestimmt die Abfassungszeit des
Briefes an Diognet dahin, daß er jünger sein muß als Klemens
Alexandrinus. K. Bauer führt den Ursprung von Augustins Anschauung
von Fegefeuer und Teufel auf Origcnes zurück (Vermittler Ambrosius
), der sie seinerseits aus der Gnosis übernommen hat. Fr. Roth
legt eine umfassende Untersuchung vor üher die geistliche Betrügerin
Anna Laminit von Augsburg (ca. 1480—1518), die auch Luther als
eine Heilige auf dem Rückwege von Rom in Augsburg aufgesucht
hat. E. Hirsch untersucht die Bedeutung von Oslanders „Schirmschrift
zum Nürnberger Reichstag", die 1) neue Belege für Oslanders
Entwicklungsgang bietet, 2) zeigt, daß schon Os. das Amt
Christi als ein dreifaches aufgefaßt hat. O. C lernen weist auf Erklärungen
von Schriftstellen hin, die Bugenhagen für Spalatin angefertigt
hat. Sie werden zum Teil abgedruckt. In den Forschungsberichten
bespricht H. v. Soden wesentlich ablehnend Ed. Mayers „Ursprung
und Anfänge des Christentums" und macht F. Keutgeu kritische Bemerkungen
zu W. Dibelius' Englandbuch.

Die vorstehende Inhaltsangabe zeigt, daß der Umfang der ZKG.
gegenüber den vorhergehenden Jahresheften erheblich erweitert worden
ist. Sie wird zugleich von der Reichhaltigkeit und dem Wert der Beiträge
einen Eindruck geben. Leider entspricht dem inhaltlichen Wert
nicht die äußere Ausstattung, die zu wünschen übrig läßt. Hoffentlich
überwindet die Zeitschrift auch auf diesem Gebiet bald die Inflationszeit,
Göttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

Die Legende von Barlaam und Josaphat, zugeschrieben dem
heiligen Johannes von Damaskus. Aus dem Griech. übers, v. Ludwig
Burchard. München: Theatiner-Verlag 1924. (VII, 299
S.) 8°. Rm. 5-; geb. 6—.

Da die Übersetzung des griechischen Textes des
Romans Barlaam und Josaphat von Felix Liebrecht (erschienen
Münster 1847) recht selten geworden zu sein
scheint, so ist eine neue Übersetzung mit Dank zu begrüßen
. Der neue Übersetzer, Ludwig Burchard, hat
„die Abhängigkeit vom Satzbau der griechischen Vorlage
weniger streng eingehalten als der Vorgänger, um
dafür den natürlichen Bedingungen der deutschen
Sprache besser gerecht werden zu können. Vorbild auf
diesem Wege waren etwa die Sprache, welche die
Brüder Grimm den deutschen Märchen gegeben haben,
und das Deutsch der alten Bibelübersetzer bis zu
Luther". Glücklicherweise hat trotz dieser Grundsätze