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Ausgabe:

1925

Spalte:

270-271

Autor/Hrsg.:

Buonaiuti, Ernesto

Titel/Untertitel:

Detti extracanonici di Gesù 1925

Rezensent:

Koch, Hugo

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270

Es ist zu bedauern, daß K. über den reichen Gehalt
von religiösen Stufen und Formen und von Ausdrucksmöglichkeiten
echter (und unechter) Frömmigkeit, die
uns das A. T. bietet, das alte dogmatische Schema Gott,
Mensch, Sünde gelegt hat. Dadurch kommt weder die
Tiefe der prophetischen Offenbarungsreligion mit ihrem
Zentrum, Erwählungsglauben und Gottesreichhoffnung,
ganz ans Licht, noch werden die Probleme der im A.T.
rudimentär lebendigen primitiven Religion wirklich erfaßt
. Trotzdem begrüße ich das Buch auch in der
neuen Gestalt und empfehle es dringend. Möge es noch
mehr kritische Leser finden, als es bisher gefunden hat.

Jena. W. Staerk.

Causse, Prof. A.: IsraeJ et la Vision del'Humanite. Straßburg:
Librairie Istra 1924. (1V2 S.) 4°. = Ktudes il'Histoire et de Philosophie
religieuses publicees par !a Faculte de Theologie Protestante
de l'Universite de Strasbourg. Fase. 8. fr- 8 ~ •

Der Kampf der Propheten gegen die national beschränkte
Jahwe-Religion bedeutet die Geburtsstunde
der Humanitäts-Idee in Israel; das national-kollektivistisch
gebundene Heil weitet sich aus zu einem universalistisch
und individualistisch gearteten Gut (I Les
origines: Les prophetes et la crise du nationalisme reli-
gieux). Bei Deutero- und bei Trito-Jesaja erreicht diese
Entwicklung einen vorläufigen Höhepunkt, und bei dem
letzteren beginnt auch schon die Umwandlung der bis
dahin diesseitig bestimmten Enderwartung zur transzendenten
Escnatologie (II La vision de l'humanite
dans la prophetie deutero-esai'aque). Die Neubegründung
der jüdischen Gemeinschaft durch Nehemia und
Esra geschah im Geist eines ganz engen Partikularis-
mus, und die aus dem 4. Jahrh. stammende Literatur
ist weithin von diesem Geist beherrscht. Aber in manchen
Psalmen, in der Weisheits-Literatur und im Buche
Jona lebt der Universalismus weiter (III Les tendances
universalistes et la reaction contre le particularisme juif
au IV e siecle). Die mit Alexander beginnende Durchdringung
des Orients mit hellenistischem Wesen hat
überall kosmopolitischen Ideen breiten Raum geschaffen
und auch die Kulte in dieser Richtung umgestaltet. Aber
aufs Judentum hat der Hellenismus zunächst viel weniger
stark eingewirkt, als man früher gemeint hat;
Kohelet und Jesus Sirach sind vielmehr aus immanentjüdischer
Entwicklung heraus zu verstehen. Und der
Versuch des Antiochus Epiphanes, gewaltsam das Judentum
hellenistischem Wesen zu erschließen, hat, wie
etwa das Buch Daniel zeigt, das Wiederaufleben stärkster
partikularistischer Tendenzen zur Folge gehabt
(IV Le conflit du judai'sme et de l'hellenisme). In der
judischen Apokalyptik der Folgezeit (Henoch) stehen
Gedankengänge, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen
, dennoch nebeneinander: die nationale Erwartung
einerseits und die universalistisch-eschatologisch-
transzendent gerichtete Hoffnung andererseits, doch so,
daß die letztere mehr und mehr die Oberhand gewinnt
(V Israel et l'humanite dans les apocalypses juives).
Den Höhepunkt erreicht die Entwicklung zur Humanität
hin in der apologetisch-propagandistischen Literatur
der jüd. Diaspora, d. h. in erster Linie Alexandrias.
Hier, z. B. in der 3. Sibylle und in der Sapientia Salo-
monis, sind jüdisches Wesen und griechischer Geist
eine enge Verbindung miteinander eingegangen, und die
Frucht dieser Verbindung ist ein philanthropischer Universalismus
und ein durch die Gewißheit von der Unsterblichkeit
der Seele bestimmter Individualismus. Diesen
Geist der Welt zu verkünden, erscheint nun als
Israels Beruf, und die allegorische Exegese lehrt auch
Israels Vergangenheit, das A. T., in diesem Sinne verstehen
(VI Deux livres de propagande juive au He
siecle).

In gefälliger, leicht lesbarer, oft fesselnder Sprache
wird dieser Geschichtsverlauf dargestellt, auf Grund
sorgfaltigen Quellenstudiums und ausgebreiteter Kenntnis
der Literatur. Dabei beschränkt sich der Verf. nicht

auf das Isr.-Jüdische, sondern er weiß auch viel über
die Völker, Kulturen und Religionen zu sagen, mit
denen Israel in dem hier behandelten Zeitraum in Berührung
gekommen ist. In der geschickten, eigene Vorarbeiten
und die Arbeiten anderer nutzenden, zusammenfassenden
Darstellung besteht der Wert des Buches,
nicht eigentlich in der Mitteilung neuer Ergebnisse. Es
wäre daher unangebracht, über Einzelheiten mit dem
Verf. rechten zu wollen. Aber ein das Ganze des
Buches angehendes Bedenken kann ich nicht unterdrücken
. Der Verfasser weiß und betont es nachdrücklich
, daß die isr.-jüd. Weisheits-Literatur kein autoch-
thones Gewächs darstellt, sondern von auswärtigen
Kulturen beeinflußt ist, und daß diese Einflüsse in verhältnismäßig
früher Zeit nach Israel eingeströmt sind.
Trotzdem setzt er die „Weisheit" als einen erst im
4. Jahrh. wirksamen Faktor an. Aber wichtiger als die
Frage der Ansetzung ist die damit zusammenhängende
Frage der Wertung. Der Verfasser betrachtet trotz gewisser
Einschränkungen die Weisheit als eine Frucht der
Prophetie: Die in der Prophetie aufgekommene Humanitäts
-Idee ist in der Weisheit weiter entwickelt worden.
Aber das trifft nicht zu. Die Religion der Prophetie und
die „Aufklärung" der Weisheit sind zwei Geistesmächte,
die sich zuerst einander feindlich gegenüber gestanden
haben, wie Jesajas Kampf gegen die Weisen zeigt. So
! hätten diese beiden Geistesmächte zunächst in ihrer
i Verschiedenheit gekennzeichnet werden müssen, wobei
I die Weisheit dann auch die richtige chronologische Ansetzung
erfahren hätte, indem im 8. Jahrh. von ihr zu
reden gewesen wäre. Weiter wäre dann zu zeigen gewesen
, wie beide, Religion und Aufklärung, auf „Humanität
" hinzielen, und wie sie sich in dieser ihnen gemeinsamen
Tendenz allmählich gefunden haben, doch
so, daß die verschiedenen Motive, das religiöse und das
aufklärerische, in ihrer Verschiedenheit erkennbar bleiben
, indem hier das eine, dort das andere besonders
wirksam ist. Der Schluß des Buches macht es ganz
deutlich, daß die hier beanstandete Versäumnis wirklich
ein Fehler ist. Nachdem eben das Humanitäts-Ideal der
Sapientia als ein absoluter Höhepunkt gepriesen worden
ist, erfährt der Leser, ohne dafür vorbereitet zu sein:
Cependant ce n'est pas la sagesse juive, meme apres
son alliance avec l'esprit grec, qui devait apporter au
nionde la parole decisive. Elle etait pour cela trop
intellectuelle, trop rationaliste, il Uli manqait le sens
mystique et l'esperance. La Sapience aboutit ä Philon
et non ä l'Evangile. Mais tandis que le sage alexandrin
essaye de concilier Moi'se et Piaton, parmi les pauvres
i deGalilee le Messie va paraitre ... et Jesus annonce äla
| foule la bonne nouvelle du Royaume de Dien, qui vient
; pour tous les hommes de bonne volonte.

Halle (Saale). Otto Eißfeldt.

Buonaiuti, Ernestoi Dettl extracanonici dl Gesü. Introduzione,
testo, traduzione e commento. Rom: Libreria di Cultura 1925.
(139 S.) kl. 8°. = Scrittori Cristiani Antichi, Nr. 11. L. 12—.

B. bietet hier eine Sammlung außerkanonischer
j Herrnworte mit italienischer Übersetzung: Fragmente
I des Nazaräer-, des Hebräer-, des Ebioniten-, des Ägyp-
! ter- und des Petrus-Evangeliums, sowie zerstreute Herrn-
i worte. Er fußt dabei hauptsächlich auf Resch, und bezüglich
der judenchristlichen Evangelien schließt er sich
größtenteils den Ergebnissen Schmidtkes an. Doch teilt
er, wie Waitz, nicht Schmidtkes Ansicht, daß Hiero-
I nymus, trotz seiner eigenen Aussage, das — von ihm
i Hebräer-Evangelium genannte — Nazaräer-Evangelium
gar nicht gesehen habe, sondern seine Kenntnis außer
dem von ihm mißverstandenen Origenes lediglich einem
! Kommentar des Apollinaris von Laodizäa verdanke.
Es ist in der Tat mißlich, die Angabe des Hieronymus
einfach als Schwindel zu betrachten. Freilich bleibt
dann nur eine auch für ihn ungewöhnliche Oberflächlichkeit
übrig, da er bei den aus Origenes geschöpften
Bruchstücken doch hätte merken müssen, daß sie nicht