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Ausgabe:

1925

Spalte:

268-269

Autor/Hrsg.:

König, Eduard

Titel/Untertitel:

Theologie des Alten Testaments kritisch und vergleichend dargestellt. 3. u. 4., durchgeh. vervollst. Aufl 1925

Rezensent:

Staerk, Willy

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Weissagungen Hesekiels." Nach S. 132 sind die fünf
kurzen Orakel in Kap. 25 „im höchsten Maße gedankenarm
, schablonenhaft, ohne dichterischen Schwung und
Reiz", was denn zusammen mit anderem ein Kriterium
der Unechtheit ist. Der Abschnitt 31, 10 ff. gehört nach
S. 154 „stilistisch zu den unerfreulichsten des ganzen
Buches" und kann „allein aus diesem Grunde nicht für
echt gehalten werden". Nach S. 158 ist der Abschnitt
32, 3—10 „ein recht geschmackloses Ragout von durcheinandergemengten
Bildern, und würde sich schon dadurch
als unhesekielisch erweisen". — Diesen Maßstab
hat H. dadurch schon als unbrauchbar erwiesen, daß er
den Visionsbericht Kap. 8 und 9 samt 11, 24 f.1 für
echt hält. H. wird die Prosa dieses Abschnitts durch
den Charakter des Inhaltes bedingt sein lassen. Aber damit
ist noch nicht die Frage zum Schweigen gebracht:
Warum soll, wenn diese Prosa echt ist, die N. B. zwischen
Poesie steht, es andere Prosa nicht sein? Die
meisten Gedichte haben Einleitungen, in denen der Gedichtcharakter
durch die Bezeichnung maschal oder
qina zum Ausdruck gebracht ist. Wenn H. diese nun
auch sämtlich als Redaktorenarbeit wegrasiert, so
bleibt doch die Tatsache bestehen, daß man um den
Unterschied zwischen Poesie und Prosa in der Überlieferung
gewußt und beides bei dem Propheten für
möglich gehalten hat, ein zwar nicht durchschlagendes,
aber doch sehr beachtliches Moment. Übrigens erscheint
der Gedichtcharakter von Kap. 16 recht problematischer
Natur, wie überhaupt manches von H. erst zurecht-
gedichtet werden muß, um Gedicht zu sein. — Ein
zweites die Kritik eingebendes und leitendes Moment ist
die Vorstellung von dem Propheten, der ganz in der
Gegenwart wurzelt, nur Unheil weissagt und dessen
Weissagung sich dadurch als echt erweist, daß sie sich
„wie alle echte Weissagung" S. 24 nicht erfüllt. Diese
Vorstellung ist ein historisches Dogma, mit dem man
sich nicht in Kürze auseinandersetzen kann, das aber zur
Folge hat, daß H.s Kritik denen nicht einleuchtend erscheinen
kann, die dieses Dogma nicht teilen. Anders
steht es endlich mit den aus inneren Unstimmigkeiten
oder geschichtlichen Gründen vorgebrachten Bedenken.
Hier ist eine Prüfung von Fall zu Fall nötig und wird
von der fortschreitenden Forschung vorgenommen werden
. Aber auch hier ist Zurückhaltung am Platze.
Wenn z. B. S. 105, S. 117 und sonst (generell S. 10 f.)
der echte Hesekiel das Verbot des Höhenkultus noch
nicht kennen soll, so hängt die Beweiskraft davon ab,
daß das Deuteronomium mit seinem „Dogma" S. 117
nachezechielisch ist. Ist es das, dann darf natürlich Ez.
es nicht kennen; bleibt umgekehrt das Deuteronomium
mit seiner Forderung der Zentralisation des Kultus an
der geschichtlichen Stelle, die man ihm bisher anwies,
stehen, dann wäre es im höchsten Grade auffällig,
wenn ein Angehöriger der Priesterkreise wie Ez. davon
nichts wissen sollte. Persönlich halte ich den Beweis
für die Notwendigkeit der Herabrückung des Deutero-
noms für nicht gelungen und insbesondere die oben berührte
Forderung in nachexilischer Zeit für lahm und
deplaciert, kann also den daher entnommenen Gründen
gegen Echtheit der bezüglichen Ezechielpartieen kein Gewicht
beilegen.

Trotz der hier vorgebrachten Bedenken ist die anregende
und in vielen Einzelheiten weiterführende Art
der durch ihre Frische und Klarheit erfreuenden Höl-
scherschen Arbeit warm anzuerkennen. H.schers Gründe
sind nicht so leicht zu nehmen wie die, welche einst die
radikalen Verwerfer des ganzen Ezechiel anzuführen
hatten. Eine Auseinandersetzung mit ihm bis in die
Einzelheiten hinein ist unvermeidlich. Dabei wird auch
für die, welche zu andern Ergebnissen gelangen sollten,
genug Anregung und Belehrung abfallen. Man vergl.
z. B. die chronologischen Darlegungen, die die Datierung
der Belagerung von Tyrus betreffen S. 20ff.;
diese können jedenfalls die Wahrscheinlichkeit für sich

1) Von der Berufungsvision, die auch Prosa ist, sehe ich hier ab.

beanspruchen. In der Auffassung der Heilsprophetie und
insbesondere der Gogweissagung würde ich mich
mehr auf die Seite Hölschers als auf die Herrmanns
schlagen, ohne die Konsequenzen zu ziehen, welche der
erstere zieht. Auf alle Fälle ist das der bleibende Wert
der Arbeit Hölschers, daß er eine Seite des Ezechiel ins
hellste Licht gestellt hat, die niemand so klar erkannt
und gewürdigt hat wie er: die dichterische Kraft des
Propheten, seine blendende, phantasievolle und leidenschaftliche
Rhetorik, die schwungvolle und farbenreiche
Schönheit seiner Darstellung. Hölschers Übersetzung
und Komrnentierung der ezechielischen Gedichte bleibt
in ihrem Wert unabhängig von der kritischen Würdigung
der übrigen Partieen und wird auch dann nicht
veraltet sein, wenn der Fortgang der Forschung Hölschers
aut-aut wieder mehr in ein et-et zurückverwandeln
sollte.

Dassensen, Kr. Einbeck. Hugo Duensing,

j König, Prof. Dr. Eduard: Theologie des Alten Testaments

i kritisch und vergleichend dargestellt. 3. u. 4. durchgeh. vervollst.
Aufl. Stuttgart: Chr. Belser 1023. (VIII, 342 S.) 4°.

Das Buch hat ohne Frage einen nicht gewöhnlichen
Erfolg gehabt, denn es bedeutet schon etwas, wenn ein
I wissenschaftliches Werk aus dein Gehiet des Alten
Testaments, von diesem Umfange und von ästhetisch
nicht eben glänzender Formgebung, in eineinhalb Jahren
vergriffen ist. Der Grund dafür ist m. E. in der großen
Leere zu sehen, die die bihlisch-theologische
i Arbeit am A. T. seit langem aufweist. Der Erfolg von
j König's Buch ist eine Bestätigung für das, was ich im
' Eingang meiner Besprechung der ersten Doppelauflage
(Th. L. Z. 1922 Sp. 79 f.) programmatisch ausgeführt
habe. Diese Biblische Theologie des A.T.'s macht
wenigstens den ernsten Versuch, sich aus den Fesseln
i der nur kritisch und historistisch eingestellten Betrachtungsweise
des at. Religionsphänomens zu befreien und
den Offenbarungscharakter desselben systematisch zur
Darstellung zu bringen. Grundsätzlich hat K. Recht mit
seinem Urteil über das Wesen und die geschichtlichen
Erscheinungsformen der Religion Israels gegenüber den
älteren und neueren Entwicklungstheoretikern. Diesen
Eindruck können auch die Mängel in seiner Darstellung
nicht verwischen. Ref. bringt das auch in dieser Anzeige
wieder mit Absicht deutlich zum Ausdruck. Bei der
kurzen Zeit, die zwischen den beiden Auflagen lag,
konnte K. natürlich nicht an eine durchgreifende Neubearbeitung
denken, so notwendig sie m. E. ist, wenn
das Werk den wissenschaftlichen Anforderungen genügen
soll, die wir heute an eine systematisch-theologische
Darstellung der at. Religion stellen müssen.
Verf. hat sich begnügt, den Text zu bessern und zu
glätten, soweit die neueste Literatur dazu Anlaß bot. Er
sagt selbst, daß er an 1000 Stellen ergänzend eingegriffen
hat. Wir glauben ihm das auf Grund von
Stichproben gern. Hat er doch S. 265 sogar schon auf
seine, soeben erst in ZatW. 1924 S. 337 ff. erschienene
Auseinandersetzung mit Oestreicher (über die Bedeutung
von Dt. 23,16 f. für die Erklärung der Kultordnung
von Dt. 12) verwiesen. Daß die nachbessernde
Hand nicht immer glücklich gewesen ist, zeigt die
jetzige Form der Polemik gegen Otto (S. 163). Die
Berufung auf Wobbermin und H. Schmidt kann an der
Tatsache nichts ändern, daß Otto's Charakteristik des
Numinosen als des Heiligen minus seines sittlichen
| Gehalts gerade von der im A. T. bezeugten Gottesvorstellung
bestätigt wird — aber natürlich nicht von der
prophetischen Gotteserkenntnis, sondern von der die
! primitive d. h. dinghaft-sinnlich bestimmte Religion
I beherrschenden, die ja im A. T. so vielfach und so deut-
| lieh, zumal in der synthetischen Einheit des älteren
jüdischen religiösen Lebensgefühls und in den ihr entsprechenden
Funktionen, Weltbetrachtung und Welt-
verhalten, durchblickt. König rennt mit seiner Polemik
S. 163 offene Türen ein.