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Ausgabe:

1925

Spalte:

262-263

Autor/Hrsg.:

Hirsch, Emanuel

Titel/Untertitel:

Evangelischer Katechismus 1925

Rezensent:

Wolfhard, ...

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Theologische Literaturzeitung 1Q25 Nr. 11.

262

ganzen, insbesondere mit der Deutung des schlechthinigen
Abhängigkeitsgefühls als eines „primären", nicht
„sekundären" Gefühls, eine glänzende Leistung und ist
angesichts gewisser gegen Schleiermacher je und je und
immer wieder — so noch von Th. Ziegler — erhobenen
Anklagen von unvergänglichem Wert.

Gießen. E. W. Mayer (Straßburtr).

Gogarten, Friedrich: Von Glauben und Offenbarung. 4 Vortr.
Jena: E. Diederichs 1923. (83 S.) 8°.

Auch in diesem Buch Gogartens spricht die
Stimme Kierkegaards zu unserer Zeit. Es ist nicht „der
ganze" Kierkegaard. Doch wider die „Flauheit und Fadheit
", diese ärgste Gefahr des religiösen Gedankens,
redet hier eindrucksmächtig die Härte und Größe des
Gottesglaubens, die Souveränität einer letzten und
höchsten Wahrheit, die alles bedingt. In vier Erörterungen
über Offenbarung, Glaube, Christus und Gemeinschaft
treten diese charakteristischen Impulse hervor.
Wir erkennen das Zeichen Luthers: Glaube ist im
Tiefsten donum Dei singulare und Gnade nichts anderes
als donatio fidei. Daß hier dem Menschen kein
Anteil und Verdienst bleibt, daß Glaube überwältigende
Macht Gottes ist, die sich dem Menschen aufzwingt,
daß vor diesem Tribunal alles Menschliche, auch der
sittliche Idealismus in seiner Reinheit und Tiefe, vergeht
, wird ' eindringlich herausgehoben. Ärgernis und
Torheit dieses Glaubens, das menschlich Unmögliche,
daß Gott sich offenbart, redet in Ernst und Wucht des
Gedankens zu uns. Von hier aus wird zugleich der
Gegensatz gegen alle Kultur, alle Möglichkeit der Kultur
, scharf sichtbar.

Doch auch was als Einseitigkeit in Kierkegaard
lag, und was in der Kierkegaard-Renaissance unserer
Tage sich noch übersteigert, ist hier unverkennbar.
Und es prägt und durchdringt alles. Gogarten sieht die
ungeheure Gefahr einer Kultur-Religion. Wie sie ihm
von der Theologie eines Ernst Troeltsch aus deutlich geworden
ist. Und er sieht die Gefahr einer in orthodoxen
oder liberalen Fragwürdigkeiten ruhenden Sicherheit
. Wie Theodor Storm es ehrlich verabscheut: der
Glaube ist zum Ruhen gut. Hier hat Rudolf Otto mit j
seinen eindrucksmächtigen Gedanken über das ganz
Andere in Gott, das fascinosum und das mysterium
tremendum, eingesetzt. Doch für Gogarten überragt
das Dunkelste und Drohendste in Gott, Zorn und Gericht
Gottes, alles. Dies ist das Entscheidende, Grundlegende
, Wesentliche, in das alles andere eingekapselt,
gleichsam zurückgescheucht, hineingeängstet wird. Im
Grunde trägt alles das negative Vorzeichen. Dieser Eindruck
erneut sich wieder und wieder. Manches Mal
streift diese Gedankenbewegung hart, was Gogarten mit
Recht so schroff ablehnt: die selbstmächtige Idee einer
„Bewegtheit und Lebendigkeit", der alle charakteristisch
lebendigen Inhalte und Wahrheiten entgleiten
(G. Simmel). Der Gedanke der Offenbarung, die Gewißheit
: Gott ward Mensch, wird in den Wirbel der
Erkenntnis hineingerissen, daß Gott letzthin eine Frage,
nichts als eine Frage bleibt.

Noch ein Anderes wird hier sichtbar. Es sind jetzt
zwanzig Jahre, daß wir jungen Kandidaten im Prediger-
Seminar zu Wittenberg von der Gewalt Kierkegaards
erschüttert und ergriffen wurden. Die Größe der Problematik
und Tragik, die hier das Heiligste beunruhigte
und doch selbst Ausdruck des Heiligsten war, prägte
sich unvergeßlich ein. So fühle ich mit, was Gogarten
bewegt. Aber daher ist mir auch die Gefahr deutlich,
die hier alles gefährdet. Alles ist auf den metaphysischen
Gegensatz Zeit und Ewigkeit eingestellt. Der
Begriff Sünde wird durch die Wendung: irdisches empirisches
Leben umschrieben. Weil nicht die Gewißheit
des lebendigen, schöpferischen Gottes alles beherrscht,
so tritt das Ethos des Gottesgedankens zurück. Und
diese metaphysische Spannung, all der Gegensatz,
Widerspruch, Kampf, der so schroff betont wird, bleibt
seltsam starr und unlebendig. Gogarten hat das alles erschütternde
Erlebnis Gottes in sich leidenschaftlich abgegrenzt
. Dennoch spüren wir, wie hier in einer übermächtigen
Metaphysik — vor diesen Steigerungen, Gefahren
, Paradoxien, unerkannten Tiefen und Leidenschaften
der idee — die Gefahr ästhetisch-spekulativen
Erlebens unheimlich nah ist. Wider die Übersteigerung
dieser Metaphysik steht die schlichte Gewißheit des
Glaubens, daß der Geist alle Dinge, auch die Tiefen
der Gottheit erforscht. Hier ist nicht nur Menschlichkeit
sichtbar, die in sich zerbrechen muß, sondern es ist
— von Gott aus — schöpferische Kraft der Wahrheit.

Heidelberg. Willy Lüttge.

Katechismus für die vereinigte evangelisch-protestantische
Landeskirche Badens. — Entwurf. Lahr: M. Schauenburg 1924.
(47 S.) kl. 8".

Hirsch, Emanuel: Evangelischer Katechismus. Gütersloh: C.

Bertelsmann 1924. (16 S) 8°. Rm. —20.

Katz, Pfarrer Peter: Zur Katechismusfrage. Versuch einer
Handreichung für die badis.'hen Schulsvnoden 1925. Karlsruhe:
Buchdr. Fidelitas in Komm. 1925. (32 S.) gr. 8°. Rm. —50.
Der gegenwärtig noch geltende Badische Katechismus
kam als Frucht der Verhandlungen der Generalsynode
von 1881 und 1882 Ende 1882 heraus. Er
ersetzte den Badischen Katechismus von 1856, der das
begründet hatte, was man Badische Tradition nennen
kann; denn der erste Badische Unionskatechismus, der
reichlich spät nach der Union von 1821, nämlich 1836
erschienen war, eine breite, für unser Empfinden geschmacklose
Populärdogmatik und -ethik, wirkte in der
folgenden Entwicklung wenig nach. Das Buch von
1856 wollte Unionskatechismus auch in dem Sinn sein,
daß es den kleinen Lutherischen und den Heidelberger
Katechismus linierte, und legte, was bei einem solchen
Unterfangen das Gegebene war, den Heidelberger zu
Grund, um das Luthergut in denselben hineinzuarbeiten,
nicht nur äußerlich, denn nicht nur Luthersätze zierten
das Büchlein, sondern es drangen auch wuchtige Luthergedanken
durch, namentlich sofern die zehn Gebote
aus dem dritten in den ersten Teil versetzt und somit
nicht mehr als neues Gesetz, sondern als Sündenspiegel
gewertet wurden. Damit war die Badische Tradition geschaffen
. Es ist ein großes Verdienst von Katz, daß er
durch eingehendste Studien den geschichtlichen Zusammenhängen
von 1856 bis 1Q24 auch im kleinen
nachgegangen ist, und es ist zu hoffen, daß er den Ertrag
seiner mühsamen Arbeit nicht für immer in einer
Streitschrift, die ja nur für die gegenwärtigen Verhandlungen
Bedeutung hat, vergraben sein läßt, sondern
ihn nochmals in einer Geschichte des Badischen Katechismus
und Katechismusguts vorlegt.

Der Katechismus von 1856 mußte dem von 1882
weichen; jener erschien nicht mehr zeitgemäß, man empfand
ihn als Frucht der Repristinationstheologie, man
wollte ein modernes Buch haben, das neueren theologischen
, pädagogischen und nicht zuletzt kirchenpolitischen
Srömungen besser entspräche. Eine Arbeit des
j Prälaten Doli wurde der Generalsynode vorgelegt; diese
Arbeit mußte sich freilich gewaltige Umgestaltungen
gefallen lassen, wobei das theologisch bedeutendste der
spätere Prälat Schmidt beibrachte, aber noch viele andere
Köche verbesserten das Gericht. Durch zahlreiche
Retorten von Plenar-, Kommissions- und Parteiverhandlungen
wurde die Vorlage hindurchgequält, und so kam
denn schließlich ein Buch zustand, in dem die Quadratur
des Zirkels gelungen schien; nicht nur Genf und Wittenberg
waren in Einstimmung gebracht, sondern auch,
was damals als viel wichtiger empfunden wurde, Positiv
und Liberal; auf der Rechten war man froh, daß hauptsächlich
durch das gewichtige Eintreten Schmidts immerhin
noch viel an positivem Gehalt gerettet war, und
andererseits ineinte einmal Längin, der neue Katechismus
sei zwar nicht liberal, man könne aber die liberale
Theologie wenigstens hineinlesen. Kurz das Buch war
so vollkommen, daß eigentlich Niemand recht Freude
daran hatte. Ich nenne nur einen, unverdächtigen Zeugen
, Adolf Hausrath; schon 1890 sagte er uns im Semi-