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Ausgabe:

1925 Nr. 11

Spalte:

246-247

Autor/Hrsg.:

Theis, Johannes

Titel/Untertitel:

Friedrich Delitzsch und seine „Große Täuschung“ oder Jaho und Jahwe 1925

Rezensent:

Meinhold, Johannes

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245 Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 11. 246

malen, völlig bewußten Geisteszustand irgendwie erheben
, sei es daß sie „halbekstatisch", sei es daß sie nur
„überhaupt inspiriert" sind. Jedenfalls muß „das Gefühl
für den Unterschied zwischen psych. Selbsttätigkeit und
göttlicher Offenbarung erloschen" sein. Das bedeutet
nun, daß hinsichtlich seiner inhaltl. Gestaltung der„R"-
Begriff ganz einseitig festgelegt wird auf das vornehmlich
in der Ekstase hervortretende Identitätserlebnis re-
lig. Offenbarungserfahrung. Das aber ist für den Anfang
profet. Schrifttums m. E. durch nichts beweisbar
und für den Gesamtbereich nicht in dieser Einseitigkeit
richtig. Vielmehr weist hier gerade der R.-Begriff eine
höchst komplexe Struktur auf. Freilich ist im letzten
Stadium der profet. Lit. die komplexe rev. Größe zusammengebunden
durch die mystisch-ekstatische Identitätseinheit
. Darin hat der Verf. unzweifelhaft recht, und er
kann von hier aus die lit.-geschl. „Formel": revelato-
risch als Charakteristikum für „die" profet. Lit. (also
in ihrer letzten Gestalt) durchaus begründen. Das ist
freilich keine sonderlich neue Erkenntnis. Wie man dann
aber von hier aus in der Einstellung des Verf. zur Gewinnung
der „Urbestandteile" kommen kann, bleibt mir
unverständlich.

Im 2. Abschnitt (S. 19—37) werden die stilistischen
und lit. Eigentümlichkeiten der m.-a. R. L. dargestellt
. Gott (Christus, Maria, ein Heiliger) das Subjekt

angeführte Stelle Jer. 13, 1 ff. Ich würde nämlich behaupten
, jeder normal logische Mensch könne (falls er
überhaupt will) einsehen, daß hier 2 ähnliche Gleichniserzählungen
vorliegen, die erst nachträglich zu einer
Einheit zusammengebunden sind: I. v. 3—9. 10b, II.
v. 1. 2. 10 a. 11. Das Plus des M. T. gegenüber G. in
v. 3 und 4 zeigt noch deutlich die redaktionellen Nähte.
Für die rev. Eigenlogik besteht natürlich hier ein
glatter Zusammenhang; denn v. 3 „deutet nur einen
Einsatz innerhalb derselben Rev. an". Das Gleiche liegt
m. E. bei Jer. 25 vor. Nun sind aber Fälle solcher Art

— soweit meine eigene Quellenkenntnis reicht — aus der
m.-a. R. L. nicht zu belegen. — Daß die Verwendung
mystischer Figuren zur notwendigen Inszenierung einer
Rev. gehört, ist mir überzeugend. Aber von wann ab
kommt derartiges vor (trotz oder besser: auch in Am.
3, 9!)?. — Eins habe ich bei dem Verf. nicht gefunden.
Fast alle, wenn nicht überhaupt alle echten Stücke vor-
exilischer Profeten sind streng metrisch, und erst spätere
Ergänzungen haben diesen Charakter verwischt. Dagegen
sind die m.-a. Rev. Schriften ganz überwiegend
in Prosa geschrieben. Ist dieser Unterschied belanglos?

— Die Schlußausführungen über die Kompositionsvorgänge
der m.-a. R. L. sind in manchen Punkten sehr
beachtenswert.

Unter den vorgetragenen Gesichtspunkten wird im

der Offenbarungsrede, teils mit, teils ohne entsprechende ; Abschnitt (S 66—97) das Buch d. Rev. des Profeten

Einführungsformel. Die Schilderung der Visionen (mit I Arnos" einer Einzeluntersuchung unterzogen: die Rev,

und ohne Einf.-Formel), bisweilen vermehrt durch die Sammlung Jo11 [" Emzelrevelationen aufgelöst werden
Erzählung der Verumständung. Die „Stimme" (der

„Engel"). Wechsel des Subjekts (Ich-Gott) wie des
Objekts (du-er). Sprunghafter Übergang in Stil und
Stimmung. An einzelnen Stilformen wird sozusagen alles
verwendet: Erzählung, Rede, Dialog, Gebet, Monologe

Das B. Arnos bestehe aus 15 Rev.; eine kurze Zusammenstellung
S. 95 f. Die Ausführungen des Verf.
sind vielfach zu summarisch, als daß es sich verlohnte,
darauf näher einzugehen. Nur zu ein paar Einzelheiten
will ich hier Stellung nehmen. Sehr ansprechend ist die

u. a. Typisch ist der göttliche Befehl. Lit. Nieder- Deutung von 1, 2: „Es ist nicht das Gericht Gottes,

schlag der R. teils durch Selbstaufzeichnung, teils durch j das hier geschildert wird, sondern die Stimme Gottes,

Diktat oder auch durch Niederschrift Dritter nach per- und zw- dieselbe Stimme Gottes, die sich in den folgen-

sönlicher Mitteilung. den Orakeln vernehmen läßt." Daß die Stelle deshalb

„Sind nicht fast alle psychol., stilistischen und ! «=ht sei, ist freilich m E durchaus keine notwendige

lit. Eigentümlichkeiten der R. L. auch in den profet. Folgerung Die Unechtheit der Orakel gegen Tyrus,

Schriften wiederzufinden?" Die Frage eröffnet das 3
Kap. (S. 38—66). So verwunderlich wie dem Verf
ist mir dies, soweit es sich um gewisse lit. Äußerlichkeiten
handelt, freilich nicht. Ich verweise kurz nur auf

Edom und Juda ergebe sich auch aus dem stilistischen
Grunde, daß hier die Schlußformel fehle. Zwar
sei auch in den echten Orakeln diese Formel erst nach-
exilische Beifügung. Die 3 unechten seien deshalb erst

Höffding, Erlebnis und Deutung S. 57 u a. Besonderen ™J r^Ärth,SS SSL*»
Wert legt der Verf. auf die Eroffnungsformeln. Naturlich
sind sie für ihn alle „rev.", d. h. inhaltlich ganz
gleichwertig. Dem Alter und der Echtheit dieser Formeln
wird nur in einem Falle nachgegangen; ein Anhang
(S. 97—115) behandelt kö 'iunar Jahve als EinL-
Formel und 'Sunat J. als Schlußformel und dazu noch
die erweiterte Einl.-F. im Berichtstil. Daß alle diese
Formeln sich ganz parallel entwickelt haben zu der
Weiterbildung des Profetenbegriffs, ja überhaupt zu
der von den Profeten beeinflußten Frömmigkeit, wird
garnicht in Erwähnung gezogen. Der eindeutige „rev."
Charakter steht eben von vornherein fest. Und was für
das Ganze gilt, soll auch für die Teile zu beanspruchen
sein. Aus dem „rev." Charakter folgt weiter, daß auch
der häufige Subjektwechsel in den Profetenbüchern zum
Rev.-Stil gehört. „Es muß als eine bedauerliche Ver-
»rung der Kritik angesehen werden, daß so oft der
Mibjektwechsel der profet. Reden als Prinzip der Analyse
benutzt worden ist." Ähnlich ist es mit dem häufigen
Szenenwechsel. „Hier kann allein ein gut entwickelter
Sinn für den sachlichen Zusammenhang und
jur die eigentümliche Logik der Rev. ein befriedigendes
Urteil fällen". Was hieran richtig ist, dürfte durch die
Empfehlung der rev. Eigenlogik nicht gerade in ein
gutes Licht kommen. Diese rev. Eigenlogik setzt sich
nicht nur über jede ideengeschichtliche Betrachtung hinweg
, sie spottet auch der Lit.-Kritik. Zur Veranschaulichung
diene die vom Verf. als Beispiel einer „dramatischen
Rev." (beileibe nicht etwa „Gleichniserzählung
", wie etwa Volz m. E. mit Recht hier annimmt!)

aber um die „nachexilische" Schlußformel nicht gekümmert
habe, ist verwunderlich. Die 3 „Gesichtsreve-
lationen" in c. 7 haben „stilistische Gleichmäßigkeit".
Ich finde solche bei dem besten Willen nur in den beiden
ersten einerseits und in III und IV (8, 1—3) andererseits
. 7, 10—17 ist ebenfalls eine „Rev.", die nach
der Erzählung des Arnos von einem Vertrauten aufgezeichnet
sei. Ursprünglich stand sie auf einem besonderen
Blatt „und ist in dieser Gestalt in die Hände
des Redaktors gekommen". Für die kompositionelle
Stellung hat das „Gesetz der Ideenassoziation" entschieden
. So richtig das ist, alle Bedenken scheinen mir
damit nicht beseitigt zu sein. Weshalb etwa 8, 8 unecht
sein soll, nicht dagegen v. 7, verstehe ich nicht. Ebenso
soll 8, 9 unecht sein, bloß weil hier nd 'um Jahve vorkomme
und v. 9 b dem gleichen Vorstellungskreis angehöre
wie v. 8 (!). 8, 11 ff. sind „stark überarbeitet",
aber zu einer genaueren Darlegung scheint hier wie noch
oft sonst die rev. Eigenlogik nicht auszureichen.
Bonn a. Rh. F. Horst.

Theis, Prof. Dr. theol. u. phil. Johannes: Friedrich Delitzsch und
seine „Große Täuschung" oder Jaho und Jahwe. Trier-
Paulinus-Druckerei 1921. (IV, 98 S.) gr. 8». Rm. 1.50

Die Schrift gibt nach Inhaltsverzeichnis, Erklärungen
(hauptsächlich der Abkürzungen) 10 Paragraphen
:

§ 1. Delitzschs Lebenslauf und religiöse Entwicklung. § 2. Inhalt
der „großen Täuschung". § 3. Der Ton der großen Täuschung.
§ 4. Delitzsch als Religionsgeschichtler. § 5. Grundirrtümer der
großen Täuschung. A. Rationalismus [= Vernünftelei]. B. Irrige Mei-