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Ausgabe:

1925

Spalte:

243

Autor/Hrsg.:

Dieterich, Albrecht

Titel/Untertitel:

Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion. 3., erw. Aufl., besorgt v. Eugen Fehrle 1925

Rezensent:

Gressmann, Hugo

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243

wenigstens erwähnt wird, 176), und so lange noch
manches andere nicht der Fall ist, so lange stehen wir
noch nicht einmal im Vorhof der Erkenntnis vom Wesen
der Indogermanen- und Rgv.-Religion.

Diese kritischen Bemerkungen sind nicht an Gris-
wolds spezielle Adresse gerichtet, sollen vielmehr Allgemeingültigkeit
haben. Griswold sind wir im Gegenteil
zu Dank verpflichtet dafür, daß er, freilich mehr instinktiv
als mit klarem Bewußtsein, wenigstens die allerersten
Schritte auf einigen der Wege getan hat, die zum
Verständnis führen.

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke.

Z i e g 1 e r, Prof. Dr. Konrad, u. Prof. Dr. S. Oppenheim: Weltentstehung
in Sage und Wissenschaft. Mit 4 Figuren im
Text. Leipzig: B. O. Teubner 1925. (127 S.) kl. 8°. = Aus Natur
und Geisteswelt Bd. 719. geb. Rm. 1.80.

Das Büchlein zerfällt in zwei Teile, in den sagengeschichtlichen
von Ziegler und in den naturwissenschaftlichen
von Oppenheim ; beide stehen abgeschlossen
für sich allein. — In den Weltschöpfungssagen
behandelt Z. der Reihe nach die Kosmogonien
der Semiten (Babylonier, Phönizier, Hebräer), der
Ägypter, der Indogermanen (Inder, Iranier, Griechen,
Kelten, Germanen, Slawen), der Finnen, der Chinesen
und Japaner, der Ozeanier, Australier und Malaien, der
Afrikaner und der Amerikaner. Vollständigkeit ist nicht
erstrebt, sondern nur die Auswahl des Markantesten.
Die Weltschöpfungssagen der Kulturvölker des Mittel-
meerbeckens und die der Germanen dagegen sind fast
erschöpfend vorgeführt, nicht nur quellenmäßig, sondern
auch kritisch-geschichtlich. Soweit ich ein Urteil habe,
ist die Darstellung zuverlässig und die Kritik zutreffend,
sodaß sie dem Laien aufs wärmste empfohlen werden
kann; aber auch dem Forscher wird sie gute Dienste
leisten, der sich auf diesem Gebiet orientieren will. Er
muß nur bedenken, daß die babylonischen Weltschöpfungssagen
durch neues Material immer mehr
vervollständigt werden. Ein kurzes Literaturverzeichnis
erhöht die Brauchbarkeit.

Die „Entstehung der Welt in der Naturwissenschaft", • die O.
dargestellt hat, entzieht sich meinem kritischen Urteil. Es werden
zunächst Einzeltheorien behandelt: die Konstitution der Fixsterne;
Riesen und Zwerge unter den Sternen; Theorie der Gleichgewichtsfiguren
, der Doppel- und veränderlichen Sterne, des Saturnringes
u. A.; dann universelle Theorien: bei Kant, Laplacc und Plateau; ihre
Mängel; die Einsturzhypothese; die Meteoritentheorie; andere neuere
Theorien von Arrhenius, Darwin und See.

Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Dieter ich, Albrecht: Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion
. 3., erw. Aufl., besorgt v. Eugen Fehrle. Leipzig: B. G.
Teubner 1925. (VI, 157 S.) 8°. Rm. 6—; geb. 7.60.

Dieterichs Buch ist jedem Forscher bereits so unentbehrlich
geworden, daß es keiner Empfehlung mehr bedarf. Der Text ist
auch in der neuen Auflage unverändert geblieben; nur der Stoff der
Anmerkungen ist durch Fehrle in dankenswerter Weise vermehrt
worden. Es wäre dringend zu wünschen, daß die Anmerkungen bei
einer Neuauflage in den Text eingearbeitet und mit ihm ausgeglichen
würden, auch wenn das Urteil Dieterichs dadurch bisweilen geändert
werden müßte; die Pietät findet ihre Grenze an der Vertiefung
der wissenschaftlichen Erkenntnis. — Die Legende des Simon
ben Schatach (so! nicht „Schabach", wie S. 123 zu lesen ist) habe
ich in meiner Abhandlung „vom reichen Mann und armen Lazarus"
genauer analysiert; vgl. Abb. Berk Akad. 1918. Phil. tust. Kl.
Nr. 7 S. 15 ff.

Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Lods, Prof. Adolphe: Jean Astruc et la critique biblique au
XVIIIe siecle. Avec une notice biographique par Dir. Paul
Alphandery. (Extrait de la Revue d'Histoire et de Philosophie
religieuses.) Strasbourg: Librairie Istra 1924. (86 S.) gr. 8°.

Die vorliegende Studie zu lesen, ist ein Genuß und
bringt Gewinn. Vorausgeschickt ist ein Abriß des Lebens
von Jean Astruc (1684—1766), aber den Hauptinhalt
bildet eine Darstellung seiner Bibelkritik im Verhältnis
zu der ihm vorangehenden und ihm folgenden wissenschaftlichen
Auffassung vom Pentateuch. Zwei Vorzüge
dieser Darstellung sind hervorzuheben: Erstens ist es
dem Verfasser besonders gut gelungen, die entscheidenden
Punkte in der Entwicklung der Kritik aufzuzeigen
und so ein tieferes Verständnis des geschichtlichen
Werdeganges zu erschließen. Zweitens hat er bei
dieser Gelegenheit einen deutschen Vorläufer Astrucs
wieder ausgegraben und ihm die gebührende Anerkennung
verschafft.

Im Mittelpunkt der ersten Periode der Pentateuch-
Kritik steht das Problem: Stammt der Pentateuch von
Mose? Den Anfang macht Isaac de la Peyrere, der die
Frage verneint, indem er die Einheitlichkeit des Penta-
teuchs leugnet. Spinoza formuliert dann mit aller
Schärfe das Problem und seine Lösung durch die philologische
, historisch-kritische Methode. Richard Simon
versucht, freilich mit unzulänglichen Mitteln, dies Programm
durchzuführen, indem er eine Geschichte der
Übersetzung und der Erklärung gibt. Le Clerc glaubt,
als den Verfasser des Pentateucns nennen zu können den
nordisraelitischen Priester von II. Reg. 17,28. Vitringa
will zum ersten Male Quellen im Pentateuch nicht nur
behaupten, sondern nachweisen und geht von der ständig
wiederkehrenden Formel aus: „Dies sind die Genealogien
." Henning Bernhard Witter, Pastor in
Hildesheim, hat 1711 die Thesen Astrucs vorweggenommen
, sofern er auf verschiedene Verfasser schließt,
weil in einzelnen Abschnitten der Name Jahves fehlt und
weil sich Wiederholungen finden. Er betont sogar die
Verschiedenheit des Stils, auf die Astruc nicht achtet.
Aber er hat die Tragweite seiner Beobachtungen nicht
erkannt. So beginnt die zweite Periode der Pentateuch-
kritik erst mit Astruc 1753, die sich um das Recht der
Quellenscheidung und die Zahl der Quellen dreht.
Astruc wurde zunächst abgelehnt, dann aber von J. G.
Eichhorn anerkannt. Bis zu diesem Datum reicht die
vorliegende Untersuchung.

Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Griff iths, J. S.: The Exodus in the light of Archaeology.

London: Robert Scott 1923. (79 S.) 8°. 2 sb. 6 d.

Die Moseerzählungen (oder ihre Quellen) sind den Ereignissen
I gleichzeitig. Der Auszug fand statt am 15. Abib des 2. Regierungsjahre
* des Pharao Menepbthab. — Schade um so viel Fleiß und
1 Scharfsinn!

| Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Lindblom, Joh.; Die Literarische Gattung der prophetischen
Literatur. Eine literargeschiclitliche Untersuchung zum Alten
Testament. Uppsala: A.-B. Lundequistska Bokb. 192 1. (III, 122
S.) gr. 8°. = Uppsala Universitets Arsskrift 1924, Teologi 1.

Der Verf. bezeichnet (S. 14) als noch immer ungelöst
die Fragen 1.) nach dem ursprgl. Umfang der
prüfet. Kompositionen, 2.) nach der Methode für die
Gewinnung der Urbestandteile, 3.) nach der Art der
Publizierung der Stücke („Reden" von Anfang an oder
subj. „Ergüsse", primäre oder erst sekundäre lit. Fixierung
?). Die wichtigste und für die Beantwortung der
3 vorigen grundlegende Frage ist für ihn selber aber die
nach der Möglichkeit, eine „Formel zu ermitteln, worin
sich die lit. Art der gesamten profet. Lit. zusammenfassen
läßt". Diese Möglichkeit wird in der vorliegenden
Untersuchung bejaht; die profet. Lit. sei nämlich
ihrer lit. Gattung nach als Revelationsliteratur (R. L. im
folg.) zu bezeichnen (S. 16). Solche R. L. liegt uns
am ausgeprägtesten vor in den Schriften mittelalterl.
(m.-a.) Mystikerinnen, etwa der beiden Mechthild, der
Juliana v. Norwich, Hildegard v. Bingen u. (v. Verf. zumeist
ausgewertet) bei Birgitta v. Vadstena u. a. Das
Gemeinsame, das eine Parallelsetzung möglich mache,
liege in dem „revelatorischen" (rev.) Charakter beider
Frömmigkeitsgruppen.

Den Begriff „Rev." braucht der Verf. allein für
die psychol. Prägung beider Erscheinungen. „Rev." soll
über das eigentlich Ekstatische hinaus „die ganze Skala
psych. Zustände" mitumfassen, die sich über den nor-