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Ausgabe: | 1925 |
Spalte: | 233 |
Autor/Hrsg.: | Grupp, Georg |
Titel/Untertitel: | Kulturgeschichte des Mittelalters. IV. Bd. 3., verb. Aufl. u. VI. (Schluß-) Bd., hrsg. v. Anton Diemand 1925 |
Rezensent: | Ficker, Gerhard |
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lichkeit mit Nachdruck hingewiesen und auch sein Leben, soweit es zur
Charakterisierung seines Wesens nötig ist, erzählt. Die Originalität
des Menschen Franz kommt freilich zu kurz hinter dem Charakter
des Heiligen. Wissenschaftliche Zwecke verfolgt das Büchlein offenbar
nicht und es könnte darum ganz davon geschwiegen werden, wenn
ich nicht glaubte, bemerken zu müssen, daß es in einer für mein
Gefühl unerträglich geschraubten Sprache geschrieben ist. Das Ganze
soll wohl schwungvoll und poetisch sein, wobei freilich recht oft triviale
Bemerkungen einfließen. Was soll man zu solchen Sätzen sagen:
S. 55: In seinem Wesen umarmen sich die Strahlen der Gnade mit
den Strahlen der schönen Kreatur; S. 68: An seinen Ufern steht die
Blume duftender Volksliturgie und die zarte Blüte kirchlich-liturgischer
Poesieen, worin der Liebegeist des hl. Franziskus sich verliaucht u.s. f.
Man kann also auch unter den Katholiken noch viel von der Natürlichkeit
des hl. Franz lernen. Das Wort Adclkeit für Adel S. 71
war mir bisher unbekannt.
Kiel. G. F ick er.
Grupp, Georg: Kulturgeschichte des Mittelalters. IV. Bd.
3., verb. Aufl. u. VI. (Schluß-)Bd., hrsg. v. Dr. Anton Die-
mand. Paderborn: F. Schöningh 1624 u. 1925. (VIII, 466 S. m.
17 Bildern u. VI, 238 S.) 8°.
IV: geb. Rm. 10—; VI: Rm. 4.50; geb. Rm.6—.
Bei der Neuauflage des 4. Bandes ist Manches gebessert, gekürzt
, hinzugefügt worden. Einige Kapitel sind geteilt worden, der
Aufbau und der Charakter des Werkes sind dieselben geblieben, das
Register ist vermehrt worden.
Anstelle der noch ausstehenden 2. Hälfte des 5. Bandes der
2. Auflage ist ein 6. Band getreten. Er bildet den Schlußband des
gesamten Werkes, und es ist zu begrüßen, daß das Werk in der neuen
Bearbeitung nicht unvollendet geblieben ist. Herausgeber ist Dr.
Anton Diemand; doch hat er sich über seinen Anteil nicht ausgesprochen
. Wahrscheinlich gehört ihm das reichhaltige Register. Daß
der Band viele wertvolle Bemerkungen und Notizen zum ausgehenden
Mittelalter, mit dem er sich beschäftigt, enthält, braucht nicht erst bemerkt
zu werden. Doch scheint mir auch hier der Charakter des
Mittelalters als einer Obergangszeit nicht recht erkannt zu sein.
Kiel. G. F ick er.
Kruitwagen, Bonaventura, O.F.M.: S. Thomae de Aquino
Summa opusculorum anno circiter 1485 typisedita vulgati
opusculorum textus prineeps. Kain (Belgique): 1924. (94 S.)
8°. = Bibliotheque thomistc IV.
Die Bibliotheque thomiste ist im letzten Jahr um 1 Band gewachsen
(vgl. Th.L. Z. 1924, Sp. 177 f. und 1923, Sp. 348 f .). Sie hat
nun ihre Mitarbeiter nicht mehr bloß unter den Dominikanern, sondern
auch unter den Franziskanern, den Brüdern des einst schärfsten
m issenschaftlichen Gegners der Philosophie und Theologie des hl.
Thomas, Duns Skotus. Auch dies ist ein Zeichen für die nicht
mehr anzufechtende Vorherrschaft, die Thomas v. Aquin unter den
vier letzten Pontifikaten über die katholische Philosophie und Teo-
logie erlangt hat. Die skotistische Schule muß das Feld räumen. Im
vorliegenden Buche untersucht ein Franziskaner aus dem holländischen
Kloster Woerden (bei Utrecht) die ums Jahr 1485 im Druck cr-
erschienene Ausgabe gesammelter opuscula (d. h. Werke vermischten
Inhalts) des Aquinaten, deren Urheber sich hinter dem Anonym
frater didascalus versteckt hat. Kruitwagen schätzt die Sammlung
des Anonymus, den er für einen französischen Dominikaner (vielleicht
Laurentius Gervasii, t 1483) hält, höher ein als alle Sammlungen des
15. und 16. Jahrh. Er gibt sich viele Mühe, die Sammlung des
Unbekannten, die wohl im Gebiet des einstigen Burgund gedruckt
worden ist, mit ihren Vorgängern und Nachfolgern zu vergleichen
und dadurch ihre Entstehungsgeschichte aufzuhellen. Drei
Appendices erweitern diese Untersuchung ins einzelne. Von selber
führt ihn dann seine Arbeit zu schwierigen, in den letzten Jahren
besonders von Grabmann, Mandonnet und Pelster bearbeiteten Fragen
nach den echten und unechten Schriften des Aquinaten. Kruitwagen befaßt
sich allerdings nur mit den opuscula, aber gerade ihre Echtheit
ist noch in starkem Umfang umstritten. Man darf gespannt sein
auf die Stellungnahme Grabmanns und Pelsters zu den Vorschlägen
des Franziskaners. Auf jeden Fall haben sie die literargeschichtliche
Thomasforschung gefördert und wären der Festschrift Miscellanea
Francesco Ehrle (Oktober 1924) wohlangestanden, in die sie nur
aus räumlichen Gründen nicht mehr aufgenommen werden konnten.
Schade, daß beim Druck häufig Lettern ausgefallen sind, und dadurch
die Lesung erschwert, in 1 Fall (S. 6, L. 3) unverständlich geworden
ist. S. 4 sind 2 Anmerkungen gleich numeriert.
Binsdorf (Württbg.). Wilhelm Koch.
Flaskamp, Dr. phil. Franz: Auf hessischen Bonifatiuspfaden.
Ein Führer zum hess. Bonifatius-Jubiläum 1925. Mit 4 Kärtchen
im Text und einer Wanderkarte als Anlage. Münster: Aschendorff
1924. (29 S.) 8". Rm. 1—.
In der Pfingstwoche d. J. will Fritzlar sein 1200 jähriges Bestehen
feiern. Den Festteilnehmern und geschichtlich interessierten
Ferienwanderern wird hier ein Führer für eine „Wanderung auf
hessischen Bonifatiuspfaden" geboten, der aus kundigster Feder
stammt. Verf. hat mit einer — nur im Auszuge (1924) gedruckten
— Dissertation über „die Hessenbekehrung des Wynfrith-Bonifatius"
promoviert und hat in mehrfacher Weise (auch in der Zeitschr. f. KG.
1923, S. 439 f.) sich als gelehrten und peinlich gewissenhaften
Kenner der Quellen und der Literatur zur Geschichte des Bonifatius
erwiesen. Dies Heftchen bringt all diese Veröffentlichungen bis hin
(S. 28, Anm. 49) zu einer „Sonderuntersuchung" über das Geburtsjahr
des Bonifaz, die in der Z. f. KG. 1924 erscheinen sollte, aber
zurückgestellt zu sein scheint, dem Leser zur Kenntnis. Auch ohne
dies würde jeder Unterrichtete erkennen, daß der Verf. den Stoff beherrscht
. Er ist auch selbst die „Bonifatiuspfade" gewandert: mit fünf
eignen Kartenskizzen (vier im Text, einer angehefteten) hat er seine
Ausführungen erläutern können. Diesen selbst ist vor allem das nachzurühmen
, daß sie von unwissenschaftlicher Benutzung legendarischer
Quellen oder Lokaltraditionen sich völlig fern halten.
Halle a. S. F. Loofs.
Lehmann, R.: Die deutschen Klassiker: Herder,Schiller, Goethe.
Leipzig: Felix Meiner 1922. (VIII, 342S.) 8°. = Die großen Erzieher
Bd. 9/10.
Getreu dem Plane seiner Sammlung greift der Verfasser
auch hier aus der Zahl der großen Erzieher keine
bloßen Systematiker und Erfinder neuer Lehrmethoden,
sondern Persönlichkeiten heraus, die neue, fruchtbare
Ideen aus der Tiefe ihrer Seele hervorgebracht und sie
der Erziehung der Menschheit dienstbar gemacht haben.
Was Herder, Schiller und vor allem Goethe auf pädagogischem
Gebiete geleistet haben, das übt noch heute
: seine lebenspendende Kraft und wird sie beim Wiederaufbau
unserer Nation von neuem bewähren müssen.
| Lehmann scheidet Lessing aus seiner Darstellung aus,
weil für ihn die Erziehung im strengen Sinne kaum in
Betracht kommt; die „Erziehung" des Menschengeschlechts
ist ja auch vorzugsweise bildlich gemeint.
Auch ordnet er die drei von ihm gewählten Vertreter
deutscher Pädagogik nicht in den großen geschichtlichen
Entwicklungsgang ein, sondern begnügt sich mit
gelegentlichen Hinweisen, z. B. (bei der Besprechung
Goethes) auf die Erziehungsgedanken der Aufklärungszeit
im Gegensatz zu denjenigen Rousseaus. Es kommt
ihm ja nicht auf geschichtliche Einstellung an, sondern
auf die Herausarbeitung der heut noch unmittelbar
lebensfähigen Gedanken, die freilich auch historisch
begriffen, in ihrer Kraft und in ihrer Begrenzung biographisch
und charakterologisch verstanden, aber zuletzt
doch an der Idee des Menschen und seiner Bildung
gemessen sein wollen. Es sei gleich vorweg gesagt, daß
R. Lehmann mit diesem seinem jüngsten und reifsten
Buche, das zum guten Teil sein eigentliches Lebens-
I bekenntnis bildet, weit über seine Vorgänger hinauseilt.
Ein kurzer Vergleich etwa mit Langguths Schriften
über Goethes Pädagogik und seine pädagogische Tätigkeit
würde zeigen, wie viel weiter der Blick, wie viel
schärfer die Kritik, wie viel lebendiger die Analyse der
einzelnen Schriften bei Lehmann ist. Auch in der Betrachtung
Herders, des Vertreters des „Humanitätsprinzips
" führt L.'s Untersuchung vielfach über das
von R. Haym und E. Kühnemann Geleistete hinaus und
weist innerliche Widersprüche dieses reichen, aber nicht
folgerechten und nie zur Einheit durchgedrungenen
Geistes auch auf pädagogischem Gebiete nach. Auffallend
bleibt, gerade in dieser das ganze Material beherrschenden
Darstellung, wie gering die Ausbeute von
Herders theologischen Studien für seine Erziehungs-
lehre geworden ist. Um von dem Wandel seiner „Richtung
" ganz abzusehen: wer (wie Herder in seinem
„Reisejournal") vom Religionsunterricht im wesentlichen
nur fordert, daß er ein pragmatisches, d. h. geschichtliches
Verständnis der Religion vermittle, wer
auf diese Weise, durch eine Art differenzierten Geschichtsunterrichts
, „ein neues christliches Publikum
schaffen will", der hat auffallend wenig Verständnis
für die Bedeutung der Religion für das Kinderherz.
Herder hat sich immerhin von den drei Klassikern am