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Ausgabe:

1925 Nr. 10

Spalte:

232-233

Autor/Hrsg.:

Meyer, Wendelin

Titel/Untertitel:

Bruder Franz. Sein Leben, sein Werk, sein Geist. Ein Weckruf an suchende Menschen 1925

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 10.

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und hinsichtlich der Auffassung des Begriffs Ttghatonov
durch S. 136 nicht ausreichend gesichert. Doch ist es
schwer, sie als falsch zu erweisen, solange man das
Fragment allein für sich vornimmt. Aber die L-Fragmente
sind doch nicht das Einzige, was uns von PvS
überliefert ist. Auf Grund der andern, sichern Fragmente
glaube ich bewiesen zu haben, daß PvS in
Christo den Menschen Jesus und den durch seinen
Geist (die aorpia) ihm einwohnenden und durch ihn
wirkenden Logos unterschieden hat; und die neuen
sicheren Fragmente, die Bardy bringen konnte (vgl. diese
Ztg. 1924, Sp. 459—462), haben dies bestätigt. Dementsprechend
gedeutet — möglich ist solche Deutung
ebensogut wie die im Sinne Theodors —, könnten die L-
Fragmente von PvS hergeleitet werden, wenn ihr Sprachschatz
und die „aufdringliche Häufigkeit" der monothe-
letischen Stichworte in ihnen dem nicht entgegenstünde.
Ersteres will ich nicht stark betonen. Denn unser
Wissen um die Geschichte der dogmatischen Termini
ist über das Gröbste kaum hinaus. Und Termini Theodors
v. Mopsueste können schon bei PvS sich finden.

Doch möchte ich neben dem, was aus dem Obigen über Übereinstimmung
des Sprachschatzes der L-Fragmente mit Theodor und Theologen
des 7. Jahrh.'s sich ergibt, auf zweierlei hinweisen. Ist die in
Fragm. IV vorliegende Differenzierung der Begriffe tpvois (Natur der
Einzelwesen) und ovauc (Wesen der Gattung? oder Einzelwesen?) bei
PvS denkbar? Und ist der Begriff der aysaig in Fragm. IV u. V ihm
zuzutrauen ? oyeaig ist in diesen Fragmenten nicht, wie zumeist im
klassischen Griechisch, „Beschaffenheit" (H. S. 140), sondern, wie im
christologischen Streit und später, „Verhältnisbeziehung", relatio (vgl.
Doctrina S. 79, 1—3; Maximus, MSG 91, 176C: rrjg ayeatmg avrrjg
T(3v TXQctyfXurmf, äiaiQBaewg W< x(d avyeytictg, und Stephanus,
Thesaurus s. v. nyd-ig).

Zwingend aber weisen m. E. die Stichworte des
monotheletischen Streites, wie über Theodor, so erst
recht über PvS hinaus. Daß PvS gelegentlich von der /'/«
Ivigyeia des Menschen Jesus und Gottes (bezw. des
Logos) und vielleicht auch von (ila itelrpig (im gleichen
Sinne) gesprochen haben kann, habe ich selbst als
nicht undenkbar erwiesen. Aber in den L-Fragmenten
drängen diese Termini sich dem Leser auf. H. nimmt
dies Gegenargument m. E. zu leicht. Kann man unter der
Voraussetzung der Herkunft der L-Fragmente von PvS
oder Theodor dem Umstände seine Auffälligkeit nehmen
, daß die Synode von 680, dies „Konzil der Antiquare
und Paläographen", unter den yg^aeig rcZv ßtßr-
kwv aigETLnuZv den PvS und den Theodor nicht, oder
wenigstens nicht so kräftig, gegen die neuen Ketzer ausgespielt
hat, daß davon Kunde auf uns gekommen wäre? In
den Akten der Synode kommt PvS nur gelegentlich in der
Encyclica des Sophronius neben vielen andern Ketzern vor
(Mansi XI, 500C).

Ist's demnach nicht gut möglich, die L-Fragmente
in ihrer Totalität als Fälschungen des 7. oder 8. Jahrh.
oder als Ausführungen Theodors v. Mopsueste oder als
Xöyoi des PvS zu verstehen, so bleibt nur übrig, in ihnen
verfälschte, d. h. durch Zusätze und Änderungen
im 7. oder 8. Jahrhundert zurecht gemachte, ältere Ausführungen
zu sehen. Daß Ausführungen des PvS zu
gründe liegen, halte ich auch jetzt noch für sehr möglich
. Doch alles Weitere erscheint mir problematisch.
Die Ausführungen in § 20, 2 und 4 meines Buches gebe
ich daher gern preis, obwohl ich sie noch heute für erwägenswert
halte. Insonderheit lege ich auf die Vermutung
, daß der Titel der löyoi ngbg Zaßivov irgendwie
mit den h')yoi ngbg Makyiwva in Zusammenhang
gebracht werden könne, schlechterdings keinen Wert.
Nur das glaube ich, daß diese Vermutung auf nicht
schwächeren Füßen steht als die von H. „mit Zurück-
haltung" (S. 148) vorgetragene, die hinter dem ugbg

nicht widerlegt ist. In der Versicherung, daß Fragm. 48 nebst 45 bis
47 u. 49 „den Stempel der Echtheit an der Stirn tragen" (S. 136) und
daß es nicht nötig sei, auf die (von mir zur Erklärung des Fragments 48
herangezogene) „dunkle" Trinitätslehre Pauls einzugehen (S. 137, Anm.),
kann ich keine Widerlegung sehen.

Zaßlvov ein rtgbg Zrjvoßiav sucht. Es widerspricht dieser
Gedanke H.'s auch seiner eignen Feststellung, daß der
Verf. der loyoi icgbg Zaßlvov „sich an christliche Hörer
bezw. Leser richtet" (S. 138). Und stand PvS zur Zenobia
so, daß er ihr dogmatische Ausführungen schicken konnte?
Beziehungen zwischen ihm und der Königin sind, wenn
auch nicht „notorisch" (S. 148), so doch überaus wahrscheinlich
. Aber so enge nicht.

Die Zuweisung auch der 3 Ebion-Fragmente an
PvS halte ich, selbst mit der Näherbestimmung, daß
auch sie verfälschte ältere Ausführungen bieten werden,
für vermessen. Die Ähnlichkeiten im Sprachschatz kann
man auf Rechnung des Fälschers setzen, und jedes
Antiocheners Ausführungen konnten so zurecht gemacht
werden. In helles Licht (vgl. H. S. 143, Anm. 2) stellen
die Ebion-Fragmente nur die eine unzweifelhafte Tatsache
, daß in Kap. 41 der Doctrina ein Fälscher am
Werke gewesen ist.

Halle a. S. Friedrich I.oofs.

Muggenthaler, Dr. Hans: Kolonisatorische und wirtschaftliche
Tätigkeit eines deutschen Zisterzienserklosters
im XII. und XIII. Jahrhundert. Mit 1 Abb. u. 8 Karten.
München: H. Schmidt 1924. (VIII, 179 S.) gr. 8°. = Deutsche
Geschichtsbücherei, Bd. 2. Rm.4,80; geb. 6—.

Das von Markgraf Dipold II (f 1146) 1133 im bayrischen Nord-
gau gegründete und von Mönchen aus Volkerode besetzte Zisterzienser-
Kloster Waldsassen hat in der Kolonisierung und Germanisierung des
Egerlandes eine rühmliche und bedeutende Rolle gespielt. Es kann
| es gut aufnehmen mit den großen Wendenklöstern im slawischen
Nordosten, und es gibt ,,im 12. und 13. Jahrhundert wenige Klöster
in Deutschland, die über eine so große wirtschaftliche Macht in
einem so weit ausgedehnten Gebiete verfügten, wie Waldsassen. Vom
Egerlande aus erstreckten sich seine wirtschaftlichen Beziehungen und
Interessen bis nach Würzburg im Westen und in die Leitmeritzer
Bucht im Osten, bis nach Regensburg im Süden und in das Vogtland
im Norden. Ein echtes Zisterzienserkloster, beschränkt es seine
Eigenproduktion nicht auf den Landbau. Mit seiner Teichwirtschaft,
seiner Mühlenindustrie, seinem Bergbau, seiner Eisenindustrie, seinen
großen klösterlichen Werkstätten, mit seiner Magazinierung der Erzeugnisse
der Landwirtschaft und der Industrie in den Steinhäusern
von Eger und Regensburg, mit seinem ausgedehnten Fernhandel, hat
es den Gedanken der ,Autarkie des Oikos' in seltenem Maße verwirklicht
". Mit diesen Worten des Vorworts wird wiedergegeben, was
den Inhalt des lebendigen, mit reichen Einzelnachweisungen versehenen
vortrefflichen Buches bildet. Das 12. Jahrhundert als Zeit der Kolonisation
und das 13. Jahrh. als Zeit der Abrundung und des Ausbaus
werden nach allen Seiten hin charakterisiert, und es ist eine Freude,
von dem Siege der höheren deutschen Kultur über das Slawentum,
das in jenen Gebieten langsam aufgesogen wurde, zu lesen. Man erhält
wieder einen Beweis, daß die Deutschen von jeher die besten
Kolonisatoren der Welt gewesen sind. Nicht minder lehrreich sind die
Schlußabschnitte, in denen von dem Verfall und seinen Ursachen seit
dem 14. Jahrhundert gesprochen wird. Es konnte mit der neuen Zeit,
die auch höhere Anforderungen an die Disziplin stellte, nicht mehr
fortkommen, deswegen erlag es trotz aller Anstrengungen im wirtschaftlichen
Kampfe. Theologisch ist der Ertrag der kenntnisreichen
Monographie naturgemäß gering; aber ein getreues Spiegelbild der
wirtschaftlichen Kräfte der mittelalterlichen Kirche erhalten wir; und
ich halte es für wünschenswert, daß mehr derartige Monographieen geschrieben
werden; denn ich glaube, daß dadurch die wirkliche Kenntnis
und das wirkliche Verständnis des Mittelalters mehr gefördert werden,
als durch mehr oder minder subjektiv gefärbte Äußerungen über seinen
Wert. Beigegeben sind sehr nützliche Karten. Leider fehlt ein
Register.

Kiel. G. Ficker.

Meyer, P. Wendelin, O. F. M.: Bruder Franz. Sein Leben, sein
Werk, sein Geist. Ein Weckruf an suchende Menschen. 1.—6.
Tausend. Werl i. W.: Franziskus-Druckerei 1924. (93 S. m. 3
Abb.) 8°. = Franz von Assisi. Aus dem relig. Geistesleben seiner
drei Orden, 1. geb. Rm. 1.70.

Wenn ich sie recht verstehe, will diese kleine Schrift ein Mahnwort
an viele junge Menschen, besonders die jugendlichen Sucher
sein, zu erkennen, daß alle Weltschönheit und alles Asthetentum nicht
heranreichen an die verklärte Geistigkeit, die eine gute Ordensperson
und darum auch ein rechter Franziskaner in seiner Seele birgt (S. 89).
Das Leben des Hl. Franz und sein Wirken wird unter das Leitmotiv
gestellt: Tatas/esc ist alles bei Franziskus. Dabei wird auf seine
Weltaufgeschlossenheit, auf seine kindliche Fröhlichkeit, seine Freund-