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Ausgabe:

1925 Nr. 10

Spalte:

227-232

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf von

Titel/Untertitel:

Die Reden Pauls von Samosata an Sabinus (Zenobia?) und seine Christologie 1925

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 10.

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Gewöhnliches und in unserer, für streng wissenschaftliche
Veröffentlichungen so ungünstigen Zeit etwas ganz
Außerordentliches ist. Die Auflage nennt sich eine verbesserte
und vermehrte', und zwar umfaßt die Vermehrung
neben vielfachen kleineren Ergänzungen in der
Hauptsache drei Stücke, als wichtigstes Beil. III D mit
dem, aus den Sitzungsber. d. Preuß. Akad. 1923 herüber-

genommenen, völlig überzeugenden Nachweis, daß der
ekannte gefälschte, bisher aber für ganz farblos gehaltene
Laodicenerbrief die Fälschung eines Marcio-
niten ist; ferner Beil. IX ,Ein wahrscheinlich antimarcio-
nitisches Fragment aus der Schrift Melitos von Sardes
über die Taufe', und Beil. XI .Marcion in der manichä-
ischen Literatur genannt'. Die ins Einzelne gehenden
Ausführungen über ,die Antithesen Marcions (nach Zitaten
und Referaten)", die in der 1. Aufl. im ersten Teil
(S. 81—135) standen, sind jetzt zweckmäßiger in den
2. Teil (als Beil. V) versetzt. Und die Erörterungen
über ,die marcionitischen Prologe' in Beil. III, die vorher
in die Einzeluntersuchungen über die absichtlichen
Änderungen Marcions in seinem Apostolikon eingereiht
waren (S. 136 ff.), sind jetzt unter eigene Nummer
(C) gestellt. (Vielleicht darf ich zu S. 131* A. 2 bemerken
, daß in dieser Ztg. 1921, 316 zuerst die Stelle
,Romani sunt in partibus Italiae' gegen Rom oder
Italien als Abfassungsort geltend gemacht wurde). Auf
die Auseinandersetzungen mit seinen Kritikern W. Bauer
und H. v. Soden in seinen ,Neuen Studien zu Marcion'
1923 (siehe diese Ztg. 1924, 14f.) ist v. H. in der
Auflage mit wenig Ausnahmen, z. B. S. 136 A. 2, nicht
zurückgekommen. Seine grundsätzlichen Auffassungen
hält er durchaus fest. Doch hat er einige Ausführungen
bestimmter gefaßt, um sie vor Mißverständnissen zu
schützen (vgl. auch in den Bemerkungen über das Verhältnis
Marcions zu Paulus den Zusatz S. 202, wonach
jenem die paulinische Denkweise im Grunde doch völlig
verschlossen geblieben ist). Die viel besprochenen Sätze
über den religiösen Wert des A.T.s aber sind unverändert
gelassen. Im Vorwort weist der Altmeister der
kirchengeschichtlichen Forschung das jüngere und
kommende Geschlecht von Kirchenhistorikern auf die
Notwendigkeit hin, die bedeutenden Väter und Häretiker
aufgrund der jetzt gebotenen Texte und Vorarbeiten in
biographischen Monographien darzustellen. Man kann
hinzufügen, daß unter den Mustern hiefür v. Harnacks
Werk über Marcion in erster Linie steht.

München. Hugo Koch.

Harnack, Adolf von: Die Reden Pauls von Samosata an
Sabinus (Zenobia?) und seine Christologie. [F. Loofs
Paulus von Samosata, Leipzig 1924.] (Aus: Sitzungsberichte
d. Preuß. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1924, 22.) (Berlin:) Verlag
d. Akademie d. Wissenschaften; de Oruyter & Co. in Komm.
(1924). (S. 130—151.) 4». Rm. —60.

Diese Abhandlung, ein Zeichen der bewundernswerten
Frische ihres 73jährigen Verfassers, zerfällt in
vier Abschnitte. Im ersten (S. 130—141) gibt H. nach
einer kurzen Einleitung eine Übersetzung und eine sorgfältige
Exegese der 5 Paul-Fragmente « xwv amoxi
7Cobg I'aßivov Xoywv in der sog. Doctrina patrum
(L-Fragmente im Folgenden). Die Exegese will dartun
, daß diese Fragmente nur als dynamistisch-monar-
chianische Ausführungen verstanden werden können,
mit der Erörterung der monenergistischen und mono-
theletischen Frage aber nur einige Stichworte scheinbar
gemeinsam haben. Im zweiten Abschnitt, einem
„Anhang" (S. 141—143), bemüht sich H., zu erweisen,
daß die 3 Ebion-Fragmente, die in demselben Florileg
den L-Fragmenten vorausgehen, aus derselben Feder
stammen wie diese. Der dritte Abschnitt (S. 143—146)
will gegenüber meinem Versuche, in den L-Fragmenten
Echtes und Unechtes zu unterscheiden, die Integrität
der 5 (8) Fragmente sicher stellen und kommt zu dem
Resultat, man dürfe nur fragen, ob diese Fragmente (so,
wie sie überliefert sind) „der vornicänischen Zeit angehören
, oder als Fälschungen des 7. oder 8. Jahrhunderts
zu beurteilen sind". Diese Frage wird dann im letzten
Abschnitt (S. 146—151) dahin entschieden, daß die
l Fragmente dem 3. Jahrh. angehören, also echt sind und
als „die Hauptquelle für die Christologie
Pauls" anzusehen seien.

Wenn der Herausgeber dieser Ztg. m i r diese Abhandlung
zum Referat überwiesen hat, so hat er es
gewiß in der berechtigten Erwartung getan, daß ich hier
nichts von dem wiederhole, was ich von meinem Buche
über Paul von Samosata (PvS) nach H.'s Ausführungen
noch gelten lasse. Ich bemerke daher nur, daß ich von
dem, was ich in § 20, 1 u. 3 (S. 283 ff.) meines Buches
über die L-Fragmente gesagt habe — über § 20, 2 u.
4 s. u. —, nichts weiter als durch H.'s Abhandlung
überholt ansehe als meinen Widerspruch gegen die
jetzt (S. 149, Anm. 2) von H. aufgegebene Unterscheidung
einer „esoterischen" und „exoterischen" Lehrweise
Pauls. Auch die indirekt für die Beurteilung
der L-Fragmente wichtigen Ausführungen meines Buches
halte ich aufrecht. Die isolierte, d. h. die übrigen
Paul-Fragmente mit wenigen Ausnahmen kaum berücksichtigende
, Behandlung der L-Fragmente durch meinen
verehrten Lehrer erscheint mir nicht richtig. Die anderen
, sicheren Fragmente werden auch für den, der
' die umstrittenen L-Fragmente für echt hält, der Aus-
[ gangspunkt der Untersuchung bleiben müssen. Und
wer das, was ich über den Traditionszusammenhang
ausgeführt habe, in dem PvS stand, für erörterungsfähig
ansieht — und das tut H. gewiß —, der wird entweder
diese meine These ins Unrecht setzen müssen, oder genötigt
sein, bei der Deutung der L-Fragmente auf
jenen Traditionszusammenhang Rücksicht zu nehmen.

Denn eindeutig sind diese Fragmente nicht. Der
Kompilator der Doctrina deutet sie im Sinne des eben
(681) verurteilten Monenergismus und Monotheletis-
mus seiner Zeit; Bardy (vgl. diese Ztg. 1924, Sp. 457 ff.)
findet in ihnen „l'ecole de Theodore de Mopsueste,
sinon ce personnage lui meme" (S. 359); A. v. Harnack
erklärt sie aus dem Gedankenkreise des dynamistischen
Monarchianismus, als dessen tiefsinnigen Vertreter er
den PvS feiert.

Die Anschauung des Kompilators der Doctrina hält
Harnack in gewisser Weise für diskutabel; denn die
L-Fragmente sind ihm „echt, oder eine Fälschung des
7. oder 8. Jahrhunderts". Aber er meint, die „nackten
Stichworte" pla tvigyua und iäa VtlrjOig begründeten
nur eine „zufällige Übereinstimmung" mit dem,
was aus dem 7. Jahrh. uns entgegenklingt; in Wirklichkeit
hätten die L-Fragmente mit den Fragen, die
jene Zeit beschäftigten, „nichts zu tun" (S. 134. 137.
139). Daran ist m. E. richtig, daß es den Dyotheleten
und den meisten Monotheleten um die Behauptung oder
Verneinung der ovo <pvot.xx.ai eveqyeiai, bezw. ovo
tpvotxä irelrjuaxu zu tun war (vgl. die Gleichsetzung
der menschlichen ivigyeia Christi mit der ipvy.t), des
menschlichen freXiqua mit dem vovg seiner Menschheit bei
Maximus, MSG 91.97B). Der Streitpunkt zwischen den
Dyotheleten und diesen Monotheleten war, ob Christus
außer der kviqyeia und der ^eXrjüig seiner göttlichen
Natur noch eine menschliche evtqyeia und iXilrjotg gehabt
habe, oder nicht (H. 144). In den L-Fragmenten aber stellt
die nia iUXuoig und die als Tätigkeit gedachte «f«
Ivtqyeta (H. 132) sich dar als die Erscheinungsform der
Einheit des Göttlichen und Menschlichen (vgl. xavxo-
ßovUa und xavxovqyla im dritten der Theodorfragmente
der Doctrina, S. 306, 5). Nichtsdestoweniger muß man den
Kompilator der Doctrina gegen den Vorwurf in Schutz
nehmen, den H. ihm mit den Worten macht, er habe „augenscheinlich
auf sehr oberflächliche Leser gerechnet" (134).
Denn es gab außer den kryptomonophysitischen Monotheleten
, die in Christo nur den Logos als wirkend und wollend
I dachten, auch solche, die, mit antiochenischen Traditionen